Auschwitz-Birkenau, 1944, die deutsche Jüdin Hanna und der politische polnische Widerständler Tomasz verlieben sich, zunächst aus der Distanz, über scheue Blicke, dann finden die beiden, die in der Lager-Bäckerei arbeiten, Mittel und Wege, sich ganz nahe zu sein. Aber die Chancen für ihre Liebe stehen schlecht. Im KZ sind sie gleich Null. Draußen könnte das Paar vielleicht überleben. Und so plant Tomasz den Ausbruch: Als Offizier verkleidet holt er Hanna als „Gefangene“ aus dem Lager, um sie zu „verhören“. Sie flüchten in das Dorf von Tomasz’ Familie. Seine Mutter will die „unglückselige“ Beziehung unterbinden; bei der Schwägerin dagegen ist Hanna willkommen. Tomasz hat sich derweil nach Warschau abgesetzt, um wieder in den politischen Kampf einzugreifen. Er wird nicht zu Hanna zurückkehren. Jeder hält den anderen für tot, dabei überleben beide… Über 30 Jahre später glaubt Hanna, die in New York lebt, mit einem Psychiater verheiratet ist und eine erwachsene Tochter hat, Tomasz in einer Fernseh-Talkshow erkannt zu haben.
Foto: NDR / Tom Trambow
„Die verlorene Zeit“ ist kein Holocaust-Drama, sondern die Geschichte einer Liebe, „basierend auf wahren Begebenheiten“, wie es etwas vage im Vorspann heißt. Ist das KZ auch kein guter Ort für die Liebe; es hat sie gegeben – auch in dieser Hölle. Eine Liebe im Angesicht des Todes. Davon erzählt der Film von Anna Justice nach dem Buch von Pamela Katz zunächst. Dann ist es die Liebe, das Überleben, in der ständigen Angst, entdeckt oder verraten zu werden. Parallel dazu wird die New Yorker Hanna aus dem Jahre 1996 gezeigt. Die Geschichte von 1944 wird aus ihrer Perspektive erzählt; es sind ihre Erinnerungen. „Ich hatte geglaubt, ich hätte mit der Vergangenheit abgeschlossen. Ende. Aber es ist nie zu Ende.“ Diese Brüche in der Erzählung nehmen der Geschichte ihre bleierne Schwere und sie verhindern auch, dass das große Emotionskino Besitz ergreift von dieser kleinen Geschichte, deren Situationen nur selten auf äußere Dramatik angelegt sind. Die Beinahe-Entdeckung durch einen deutschen Offizier, die Beinahe-Verhaftung – nie wird die Spannung dramatisch ausgespielt. Für den Zuschauer ist es generell nicht leicht, wenn die Handlung springt und die Besetzung wechselt. Katz und Justice aber geht es um die subjektive Erfahrung der (eigenen) Geschichte: dieses „es ist nie zu Ende“. Das aber lässt sich nur schwer anders erzählen.
Vielleicht hätte man sich andere Schwerpunkte, andere Lebensphasen, andere Perspektiven gewünscht. Dass das Wiedersehen des Liebespaares 32 Jahre später nur angedeutet wird, ist allerdings die einzig richtige Entscheidung für diesen Film. Wenn „Die verlorene Zeit“ Schwächen besitzt, dann sind sie dramaturgischer Art. So richtig finden die beiden Zeitebenen des Films nicht zueinander – und die weitgehend nur verbal vermittelte Psychologie der heutigen Hanna wirkt ein bisschen angeklebt („Die Gewissheit, dass er lebt, hat mich befreit“). Weshalb sie sich beispielsweise einen Psychiater als Partner gesucht hat, wird weder näher erklärt, noch für die Dramaturgie nutzbar gemacht. Die Inszenierung und das Spiel dagegen sind preiswürdig. Nicht umsonst kam das Kino-Drama, bei dem der Regisseur und Top-Kameramann Michael Ballhaus als Executive Producer firmierte, 2012 in die deutsche Auswahl für den Auslands-Oscar. Anfangs hat man ein wenig die Befürchtung, es mit einem typischen Beispiel von historischem Konsenskino zu tun zu haben, doch dann sieht man diese Bilder, in denen sich viel von der Angst der Protagonisten spiegelt, besonders zu Beginn ist die Kamera nervös und die Montage passend fahrig. Und Alice Dwyer beweist mit dieser historischen Rolle, dass sie sehr viel mehr spielen kann als die laszive Verführerin und dass sie zu den Besten ihrer Generation gehört. Großes Kino sind die wortlosen Blick-Duelle, die sie sich mit der unvergesslichen Susanne Lothar liefert. (Text-Stand: 27.10.2013)