Die Toten vom Bodensee – Nemesis

Koeberlin, Fritsch, Prinz, Deutschmann, Schnelting, Schneider. Die Stimme des Teufels

Foto: ZDF / Patrick Pfeiffer
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Handlung dieser sechzehnten Episode aus der ZDF-Reihe „Die Toten vom Bodensee“ (Rowboat/Graf) ist durchaus spannend, aber die interessanteste Frage gilt der Nachfolgerin von Hannah Zeiler: „Nemesis“ ist der erste Film mit Alina Fritsch als neuer Partnerin an der Seite von Matthias Koeberlin. Natürlich spielt sie eine ganz andere Rolle als Nora Waldstätten; aber Geheimnisse hütet die junge Inspektorin ebenfalls. Neben dem Drehbuch von „Helen Dorn“-Autor Mathias Schnelting – ein forensischer Psychiater steht im Verdacht, einen obdachlosen Jugendlichen ermordet und anschließend als „Stimme des Teufels“ eine junge Patientin in den Tod getrieben zu haben – imponiert „Nemesis“ vor allem durch die ausgezeichnete Bildgestaltung (Regie: Michael Schneider). Sehenswert ist zudem Martin Feifel in einer berührenden Gastrolle als Witwer, der nun auch die Tochter verloren hat.

Wenn im Film der Nebel wallt, ist es meist Nacht und entsprechend gruselig. Am helllichten Tag sind solche Bilder allerdings sogar noch eindrucksvoller, und deshalb ist der Auftakt zum sechzehnten Krimi aus der ZDF-Reihe „Die Toten am Bodensee“ von einer gleichermaßen bezaubernden wie beunruhigenden Schönheit, denn in Seenähe schließen sich strahlender Sonnenschein und Nebelschwaden nicht aus. Die unheilverkündende Musik lässt eine romantische Stimmung jedoch gar nicht erst entstehen, und tatsächlich kommt der junge Mann, der etwas orientierungslos durch den Wald irrt und bereits eine Wunde am Kopf hat, alsbald ums Leben; aufgespießt von einem Ast, der aus seiner Brust herausragt.

Die vortreffliche Bildgestaltung bleibt das auffälligste Qualitätsmerkmal von „Nemesis“. Die Titelfigur war in der griechischen Mythologie die Göttin des gerechten Zorns; Michael Schnelting erzählt in seiner ersten Arbeit für die Reihe also eine Rachgeschichte. Zunächst rückt der Autor jedoch eine andere Frau ins Zentrum, denn das Team von der deutsch-österreichischen Stelle zur Kriminalitätsbekämpfung erhält eine neue Mitarbeiterin. Weil Hannah Zeiler einen ausgedehnten Urlaub angetreten hat, ermittelt Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) aus Lindau nun gemeinsam mit einer deutlich jüngeren Kollegin, deren Einstand etwas unglücklich verläuft. Als der Kommissar eine Verdächtige verfolgt, die sich in der Nähe des Tatorts rumgedrückt hat, verhilft Inspektorin Luisa Hoffmann (Alina Fritsch) ihr zur Flucht: Sie hatte den Eindruck, dass der „ältere Mann“ die junge Frau bedroht. Fortan wird die auf eigenen Wunsch aus Wien nach Bregenz versetzte Radfahrerin noch einige Überraschungen offenbaren, denn sie hütet ähnlich wie einst ihre Vorgängerin diverse Geheimnisse. Außerdem hat die Kollegin eine Ausbildung für eine Spezialeinheit durchlaufen; für die neue Stelle am Bodensee ist sie völlig überqualifiziert. Das Training wiederum erweist sich als nützlich, als sie einen Mann entwaffnet, bevor der überhaupt weiß, wie ihm geschieht.

Die Toten vom Bodensee – NemesisFoto: ZDF / Patrick Pfeiffer
Relativ kleine Rolle mit großer Wirkung: Martin Feifel als frühpensionierter Bulle.

Anders als in den Filmen nach Vorlagen von Timo Berndt, der „Die Toten vom Bodensee“ mit elf Vorlagen geprägt hat wie kein anderer, erzählt Schnelting, der seinerseits rund die Hälfte der Drehbücher für die stets ausgezeichnete ZDF-Reihe „Helen Dorn“ geschrieben hat, keine Geschichte, die sich erfundene oder authentische Sagen und Bräuche der Region zu eigen macht. Interessant ist sie dennoch: Das Opfer aus dem Wald war ein junger Mann, der in einem verlassenen Bauwagen gelebt hat. Dort finden sich Fotos und Zeitungssausschnitte über den Leiter einer psychiatrischen Klinik am See. Dieser Professor Lambeck (Heikko Deutschmann) entpuppt sich umgehend als verdächtig, zumal er anscheinend eine Affäre mit einer jungen Patientin hat. Als die Frau kurz darauf ins Wasser geht, weil ihr das angeblich vom Teufel so befohlen worden ist, glauben Hoffmann und Oberländer, dass der Obdachlose von dem Verhältnis wusste und den Psychiater erpresst hat. Stella wiederum musste sterben, weil sie die verbotene Liebe publik machen wollte; nicht nur der Professor, auch seine deshalb nicht minder verdächtige Gattin hätten auf einen Schlag alles verloren. Natürlich sind die Dinge sind viel komplizierter.

„Nemesis“ ist wie alle Filme der Reihe „Die Toten vom Bodensee“ im Großraum Bregenz entstanden. Das Finale spielt auf der MS Oesterreich. Das Museumsschiff (Baujahr 1928) ist nach seiner Ausmusterung vollständig renoviert worden und kann für Ausflugsfahrten gemietet werden. Als Drehort für das Gelände der psychiatrischen Klinik diente das Lindauer Rathaus. Nora Waldstättens Nachfolgerin, die Wienerin Alina Fritsch (Jahrgang 1990), ist hierzulande noch wenig bekannt. Erstmals positiv aufgefallen ist sie gleich mit ihrer ersten größeren Rolle in dem Drama „Am Ende des Sommers“ (2015).

Die Toten vom Bodensee – NemesisFoto: ZDF / Patrick Pfeiffer
Ein gutes Trio für die Zukunft, solange die Geschichten und die Inszenierung so gut sind wie in der sechzehnten Episode „Nemesis“. Alina Fritsch, Hary Prinz, Koeberlin

Heikko Deutschmann versieht den Psychiater mit jener Arroganz, die seit einiger Zeit charakteristisch für viele seiner Rollen ist, und Jutta Fastian wirkt als verbitterte Ehefrau, die sich sogar an den Freund der Tochter ranmacht, wie eine typische Fernsehfilmfigur. Viel reizvoller sind daher die Szenen mit Martin Feifel: Stellas Vater, Hendrik Berger, ist ein seit dem Suizid seiner depressiven Frau vorzeitig pensionierter früherer Kollege von Oberländer. Die Begegnungen der beiden sind besonders berührend, weil der eine damals nicht mit dem Schmerz des anderen umgehen konnte. Davon abgesehen ist Feifel stets eine ausgezeichnete Besetzung für Männer, in deren Antlitz das Leben seine Spuren hinterlassen hat.

Regie führte Michael Schneider, der zwischen 2019 und 2021 bereits sechs Filme der Reihe gedreht hat; davon konnte allerdings nur „Der Wegspuk“ (2021) an die optische Qualität der Beiträge von Vorgänger Hannu Salonen anknüpfen. Das ist diesmal anders; Lukas Gnaiger hat schon in den Episoden „Der Seelenkreis“ und „Das zweite Gesicht“ (2021/22) mit seiner sanften Kameraarbeit und einer vorzüglichen Lichtsetzung für berückende Bilder gesorgt. Die Musik von Chris Bremus ist ohnehin stets ausgezeichnet, zumal die Melancholie seines Abspannlieds („Here Again“) diesmal erst recht ihre Bewandnis hat. (Text-Stand: 20.1.2023)

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Reihe

ORF, ZDF

Mit Matthias Koeberlin, Alina Fritsch, Hary Prinz, Heikko Deutschmann, Martin Feifel, Jutta Fastian, Charlotte Lorenzen, Simon Frühwirth, Kea Krassau, Stefan Pohl, Martina Ebm

Kamera: Lukas Gnaiger

Szenenbild: Christine Egger

Kostüm: Heike Werner

Schnitt: Jörg Kroschel

Musik: Chris Bremus

Soundtrack: Chris Bremus, Michael Kaldenbach („Here Again“, Abspannlied)

Redaktion: Daniel Blum (ZDF), Sabine Weber (ORF)

Produktionsfirma: Rowboat Film- und Fernsehproduktion, Graf Filmproduktion

Produktion: Sam Davis, Kim Fatheuer, Klaus Graf

Drehbuch: Mathias Schnelting

Regie: Michael Schneider

Quote: 7,69 Mio. Zuschauer (27% MA)

EA: 30.01.2023 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 06.02.2023 20:15 Uhr | ZDF

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