Nicht wie sonst in dieser Reihe fliegt die Kamera über die Oberfläche des Bodensees, diesmal geht es rein in die Tiefen des Sees. Eine Meerjungfrau gleitet durchs Wasser, unterbrochen werden die Bilder von einem jungen Mann, der sich schwer verwundet durch das Schilf kämpft. So beginnt „Die Toten vom Boden – Die Meerjungfrau“, der neunte Fall der ZDF-Krimi-Reihe mit Nora Waldstätten als Hannah Zeiler aus Bregenz und Matthias Koeberlin als Micha Oberländer aus Lindau. „Wie alt wird denn so eine Meerjungfrau in der Regel?“, fragt der scherzhaft seine Kollegin am Tatort. Am Ufer des Bodensees im seichten Wasser liegt die Leiche einer Frau, die an den Füßen eine große Flosse trägt. Sie hat sich im Trendsport Mermaiding ausprobiert… Eine erste Spur führt zu einer nahegelegenen Freifläche. Dort haben junge Wassersportler ein Camp errichtet. Einer von ihnen, Matteo (Aaron Friesz), gerät unter Tatverdacht und kann schwer verletzt mit Oberländers VW-Bus entkommen. Ist er der Täter oder sollte auch er dem Mörder der Meerjungfrau zum Opfer fallen? Deren Heimat war ein edles Bodensee-Weingut mit Restaurant, dort leben ihr Mann Fabian Baumgartner (Sebastian Bezzel) und die gemeinsame Tochter Emma (Lucy Gartner). Die Geschäfte führt Baumgärtners Bruder Ekkehard (Andreas Lust). Das Mädchen will auf eigene Faust das Schicksal der Mutter aufklären, gerät dabei in Gefahr. Oberländer und Zeiler entlarven die naturverbundenen Wassersportler um den charismatischen Georg Ebener (Julian Weigend) als skrupellose Verbrecher und auch die Weingutwelt ist nicht so heil wie sie aussieht.
„Der neunte ‚Bodensee‘-Krimi bietet eine konsequente horizontale Erzählweise (die tote Katze!), einen vielschichtigen Fall, tolle Kamerabilder und neue Wesenszuge an der bisher eher nüchternen Zeiler.“ (TV-Spielfilm)
Timo Berndt hat bereits den siebten der bisher neun Filme umfassenden Reihe „Die Toten vom Bodensee“ geschrieben. Diese personelle Kontinuität macht sich im Drehbuch deutlich bemerkbar. Viel Zeit für die privaten Entwicklungen der beiden Kommissare nimmt sich der Autor auch in „Die Meerjungfrau“. Hannah muss mit der bitteren Wahrheit umgehen, dass ihr Vater ein Verbrecher war, igelt sich ein und weist auch das Werben ihres neuen, attraktiven Nachbarn zurück. Und Micha steht vor einer schweren Prüfung, als seine geschiedene Frau bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird und mit dem Tod ringt. So gehören die letzten Minuten des Krimis, wenn der Fall längst gelöst ist, den beiden ganz privat. Weil diese Ebene deutlich mehr als Beiwerk ist, bekommt das Duo deutlich mehr Tiefe. Das merkt man am besten auch im Vergleich zu einer sehr oberflächlichen Figur wie dem von Sebastian Bezzel gespielten Fabian Baumgartner. Dem bleiben ein paar strenge Blicke, ein paar Sätze und einige Dialoge – zu wenig um ihn zu einer interessanten Figur für den Zuschauer werden zu lassen. Das liegt auch daran, dass Autor Berndt die Geschichte vollgepackt hat, um ihr mehr falsche Fährten und Dramatik zu verpassen. So bleiben sowohl das Milieu der Wassersportler als auch die Welt des Weinguts – von der Geschichte und auch den Bildern her – eher flach.
Regisseur Michael Schneider, der auch schon den letzten Bodensee-Krimi „Stumpengang“ inszeniert hat, ist Serien- und Reihen-erfahren („SOKO Köln“, „Kommissar Stolberg“ und einige „Wilsberg“-Folgen) genug, um diesen Krimi routiniert in Szene zu setzen. Aber der ganz besondere Kniff – in den Bildern, den Szenen oder den Dialogen – fehlt diesem Krimi, der die stärksten Momente in den erwähnten privaten Sequenzen der Kommissare hat. Die geheimnisvolle, immer ein wenig abwesend wirkende Hannah und der geplagte, leicht aufbrausende Micha sind in ihrer Verschiedenheit ein immer überzeugenderes Gespann, das maßgeblich zum großen Publikumserfolg der Reihe beiträgt, die an der Zuschauermarke von acht Millionen kratzt. „Die Meerjungfrau“ ist erwartbar, aber unterhaltsam im Verlauf. Man bleibt dran, folgt gern den Wendungen, ist aber vom Ausgang nicht sonderlich überrascht.