Die Schwester

Fendel, Froboess, Habich, Reben, von Trotta: die Sanftmütige und die Verbiesterte

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Zwei Schwestern leben seit 50 Jahren zusammen. Ein Unfall fesselte die jüngere an den Rollstuhl. Zwischenzeitlich müssen sie bessere gemeinsame Jahre gehabt haben. Im Herbst des Lebens überkommen die gutmütige Wilma noch einmal Frühlingsgefühle. Sie will sich nicht länger von der dominanten Schwester tyrannisieren lassen. „Die Schwester“ ist ein Schauspielerfilm, ein klassisches Fernsehspiel. Autor Reben ist ein Mann des Wortes, der ausgespielten Szenen, der Metaphern. Großes Spiel, gewöhnungsbedürftige Form.

„Warum sprichst du nicht?“, fragt Margot schnippisch. Ihre Schwester, die 80jährige Wilma, antwortet mit belegter Stimme: „Weil du dann antworten würdest – und ich kann deine Stimme nicht mehr hören.“ Die beiden ungleichen Frauen leben seit 50 Jahren zusammen. Ein Unfall fesselte die jüngere Margot an den Rollstuhl. Zwischenzeitlich müssen sie bessere gemeinsame Jahre gehabt haben. Sie hatten Spaß, sie hatten Affären, doch keine war je verheiratet. Jetzt, im Herbst des Lebens, überkommen die gutmütige Wilma noch einmal Frühlingsgefühle. Sie will leben, sie will endlich einen Hund und wenn sich ein Mann für sie interessiert – warum nicht! Vor allem will sie sich nicht länger von der dominanten Schwester tyrannisieren lassen. „Ich könnte dich umbringen“, verschafft sie ihren Gedanken Luft.

Die Sanftmütige und die Verbiesterte geben Rosemarie Fendel und Cornelia Froboess in „Die Schwester“ von Margarethe von Trotta. Zwischen beiden irrlichtert Matthias Habich als mittelloser Ex-Gigolo und als Wunschprojektion reifer Weiblichkeit durch die kammerspielartige Szenerie. Der Film beginnt als Duell zweier alter Frauen, einer Dame und einer Furie. Die eine, die ältere, hat nichts mehr zu verlieren; die andere dagegen braucht ihre bessere Hälfte als seelischen Mülleimer. Sie hat das Geld, außerdem ist sie verschlagen, intrigant und sie hält seit Jahren die Fäden der Beziehung in den Händen. Auch jetzt hat sie einen Plan, wie sie die Schwester vom Auszug aus der gemeinsamen Wohnung abhalten kann.

„Die Schwester“ ist ein Schauspielerfilm in der Tradition des klassischen Fernsehspiels. Drehbuchautor Johannes Reben („Bruder Esel“) ist ein Mann des Wortes, der ausgespielten Szenen, der Metaphern. Obgleich man als Zuschauer mit der liebenswürdigeren Figur sympathisiert, wird man nicht emotional in den Machtkampf der Alten hineingezogen. Mit Neugier folgt man der Handlung (vorausgesetzt man nimmt die Hürde des anfangs sehr theatralen Spiels von Cornelia Froboess), man kombiniert, man rätselt, man interpretiert das überhöhte Treiben, fragt sich, ob Wilmas Schmetterlinge im Bauch aufgrund eines abgekarteten Spiels flattern und ob einem nicht vielleicht etwas entgangen ist im Rahmen einer Geschichte, die so altmodisch erzählt ist, dass sie schon wieder innovativ erscheint. „Die Schwester“ ist ein Fernsehfilm, der indirekt die Allmacht des „amerikanischen“ Erzählens vor Augen führt und der dem Zuschauer mit seinen Sehgewohnheiten einiges abverlangt.

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Fernsehfilm

ARD Degeto, BR, HR

Mit Rosemarie Fendel, Cornelia Froboess, Matthias Habich, Christina Geiße, Diego Wallraff

Kamera: Axel Block

Szenenbild: Börries Hahn-Hoffmann

Schnitt: Silke Franken

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Johannes Reben

Regie: Margarethe von Trotta

Quote: 4,16 Mio. Zuschauer (14,1% MA)

EA: 08.09.2010 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach