Die schwarzen Brüder

Fynn Henkel, Bleibtreu, Richy Müller, Xavier Koller. Jugendbuch versimplifiziert

Foto: Arte / enigma Film / Menke
Foto Sophie Charlotte Rieger

Mitte des 19. Jahrhunderts verkauften Schweizer Familien aus finanzieller Not ihre Söhne nach Norditalien, wo sie als Kaminfegerbuben arbeiteten. Xavier Kollers Kinokoproduktion „Die schwarzen Brüder“ nach dem Jugendroman von Lisa Tetzner und Kurt Kläber („Die rote Zora“) erzählt von diesen inhumanen Auswüchsen und von der Gegenwehr der sogenannten „Spazzacamini“. Der Film verzichtet auf eine durchgängige Agenda des Helden. Daraus ergibt sich ein episodischer Erzählstil, der allerdings durch die simple Moral („Man kann alles erreichen, wenn man Freunde hat“) in seiner ästhetischen Wirkung unterminiert wird.

Basierend auf dem Roman von Lisa Tetzner und Kurt Kläber („Die rote Zora und ihre Bande“) erzählt der Schweizer Regisseur Xavier Koller („Reise der Hoffnung“) in „Die schwarzen Brüder“ von einem düsteren Kapitel der Geschichte seines Landes. Mitte des 19. Jahrhunderts verkauften Schweizer Familien aus finanzieller Not ihre Söhne nach Norditalien, wo sie als Kaminfegerbuben („Spazzacamini“) arbeiteten. Die harte Arbeit und die schwierigen Lebensumstände führten zu schweren, manchmal gar tödlichen Erkrankungen, so dass nur ein kleiner Teil dieser Kinder in seine Heimat und zu seiner Familie zurückkehren konnte.

Von eben jenen „Spazzacamini“ erzählt „Die schwarzen Brüder“. Um seiner Mutter die lebensnotwendige Konsultation eines Arztes zu ermöglichen, lässt sich Giorgio (Fynn Henkel) an den verschlagenen Menschenhändler Luini (Moritz Bleibtreu) verkaufen. Bereits auf der Reise vom Tessin nach Mailand kommt ein Großteil der Kinder ums Leben. Auch den Übrigen ergeht es schlecht. Viele Jungen werden von ihren Schornsteinfegermeistern verprügelt. Giorgio muss mit wenig Nahrung auskommen und wird nachts in einem Bretterverschlag eingesperrt. Unter der Leitung von Alfredo (Oliver Ewy) jedoch beginnen sich die schwarzen Brüder zu organisieren. Sie setzen sich nicht nur gegen die örtliche Bande zur Wehr, die ihnen das Trinkgeld abnimmt, sondern beschließen auch, Luini das Handwerk zu legen.

Die schwarzen BrüderFoto: Arte / enigma Film / Menke
Die Kaminfegerjungs (Max Damisi, Can Schneider, Fynn Henkel) bilden den Bund der „Schwarzen Brüder“. Sie feiern ihre gelungene Flucht mit einer riesigen Pizza.

„Die schwarzen Brüder“ ist ein Jungsfilm. Bis auf Angeletta (Ruby O. Fee), die lungenkranke Tochter von Giorgios Meister, an die der „Spazzacamino“ natürlich umgehend sein Herz verliert, dominieren hier männliche Darsteller das Geschehen. Dabei kann die Nebenfigur Alfredo bedauerlicherweise deutlich mehr Präsenz entwickeln als der eigentliche Held der Geschichte. Dies liegt nicht nur an Alfredos Führungsposition in der Bande, sondern vor allem an der überzeugenden Schauspielleistung Oliver Ewys, neben der Fynn Henkel tatsächlich etwas blass erscheint. Auch entwickelt Alfredos Geschichte in der Misshandlung durch seinen Meister und der schweren Erkrankung deutlich mehr Dramatik als der Hauptplot.

Insgesamt fehlt es dem Film an einer funktionierenden Storyline, einer durchgängigen Agenda des Helden. Statt eines die gesamte Geschichte umspannenden roten Handlungsfadens, verfügt Kollers Abenteuerfilm über eine episodische Struktur, die nur wenig Spannung entwickeln kann. Die Konflikte der einzelnen Handlungsfragmente werden auf geradezu triviale Weise aufgelöst, die selbst jungen Zuschauer unglaubwürdig erscheinen muss. Auch wirkt die Erzählung teilweise inkohärent, als wären bei der Adaption des Romans entscheidende Passagen ausgelassen worden. So schließen sich die schwarzen Brüder beispielsweise trotz anfänglicher Skepsis mit dem örtlichen Priester (Richy Müller) zusammen, ohne dass die Entwicklung dieser Beziehung durch die Geschichte erklärt würde.

„Die schwarzen Brüder“ macht es sich oft zu einfach und droht damit, seine Zuschauer für dumm zu verkaufen. Verfeindete Banden geben sich plötzlich die Hand und trotz einer realistischen, düsteren und durchaus tragischen Erzählung gestaltet Xavier Koller sein Finale schließlich auf nahezu komödiantische Weise als typisches Kinderfilmende. Die Bösen erhalten ihre gerechte Strafe und die Guten leben glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Ende gut, alles gut. Zu allem Übel wird schließlich die Moral noch mit dem Holzhammer verabreicht: „Man kann alles erreichen, wenn man Freunde hat“. Statt diese Botschaft subtil auf der Erzählebene zu transportieren, wird sie wie eine Moralpredigt für Dumme vorgetragen und verliert gerade dadurch ihre Relevanz. Und so kann auch das überzeugende historische Setting nichts daran ändern, dass „Die schwarzen Brüder“ letztlich keine mitreißende Abenteuergeschichte, sondern eher ein mäßig erzähltes Kindermärchen geworden ist.

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Kinofilm

Arte

Mit Fynn Henkel, Moritz Bleibtreu, Waldemar Kobus, Richy Müller, Oliver Ewy, Ruby O. Fee, Sabine Timoteo, Leonardo Nigro

Kamera: Martin Fuhrer, Felix Von Muralt

Szenenbild: Frank Bollinger

Schnitt: Gion-Reto Killias

Produktionsfirma: enigma Film, Dschoint Ventschr Filmproduktion

Drehbuch: Fritjof Hohagen, Klaus Richter – nach dem Roman von Lisa Tetzner und Kurt Kläber

Regie: Xavier Koller

EA: 16.12.2015 20:15 Uhr | Arte

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