Die Schatten, die dich holen

Szyszkowitz, Schir, Hennicke, Hörbiger. Vom Rotlichtmilieu zur Fondsmanagerin

Foto: ORF / SWR / Oliver Roth
Foto Rainer Tittelbach

„Die Schatten, die dich holen“ von Uli Brée und Robert Dornhelm ist ein TV-Movie-liker Fernsehfilm-Thriller, der eine Stunde lang alle Unarten des Genres bedient, bevor er dann die letzte halbe Stunde wendungsreich und spannend durchstartet. Trotz guter Besetzung sorgen die Klischees des Genres dafür, dass man sich als Zuschauer bei dieser Räuberpistole lange ziemlich unterfordert fühlt. Hinzu kommt eine Dramaturgie voller Zufälligkeiten.

Mit der Nominierung zur „Fondsmanagerin des Jahres“ steht Vera vor der Krönung ihrer Karriere. Mit 38 Jahren hat sie es geschafft! Das sieht auch Kurt so, ein „alter Bekannter“ aus Tagen, in denen sich die seit 10 Jahren glücklich verheiratete Mutter einer achtjährigen Tochter in einer Lebenskrise befand. Als „Lola“ war sie im Rotlichtmilieu von Hamburg eine große Nummer. Die feinen Herren standen bei ihr Schlange. Sie war jung, ihr Freund war Spieler, sie brauchte das Geld. Ein Mord beendete die Zusammenarbeit mit Kurt. Vera ging nach Wien, lernte den Investment-Manager Hannes kennen – und ein Happy-End stand in Aussicht, das jetzt wieder in Frage steht. Kurt erpresst Vera nicht nur, sondern er schleicht sich ein in ihre Familie, vereinnahmt ihren Mann, träumt vom sozialen Aufstieg à la Vera.

„Die Schatten, die dich holen“ ist ein TV-Movie-liker Fernsehfilm-Thriller, der eine Stunde lang so ziemlich alle Klischees und alle Unarten des Genres bedient. Solche simpel gestrickten Thriller-Storys lassen sich mit „aufgeklärten“ Figuren nur schwerlich erzählen – mit Figuren, die nicht sehr viel dümmer als die Zuschauer sind, die die Regeln des Genres kennen, weil sie nicht weltfremd sind und auch schon mal einen Thriller gesehen haben… Und so tappt die Erpresste blauäugig in die 100.000-Euro-Falle. Bald ist es eine Million Euro. „Woher soll ich wissen, dass das alles ist?“, fragt sie endlich dann doch nach über 60 Minuten, als ihr das belastende Material von Kurt ausgeliefert wird. Oder dieser enttäuschte Ehemann! Der muss erst kräftig was auf die Nase kriegen, um zu erkennen, dass er sich Vera gegenüber „schrecklich“ benommen hat. Solche Figuren aus dem Setzkasten ist man aus öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm-Krimis nicht mehr gewohnt. Retrospektiv betrachtet steckt auch die Dramaturgie voller Zufälligkeiten, indem sie auf Unwägbarkeiten baut. Was, wenn Vera (Aglaia Szyskowitz) sich mit Melli (Mavie Hörbiger) nicht so gut verstehen würde und sie sie nicht als Assistentin in ihrer Firma engagiert hätte? Oder was wäre aus bei dem Geschäftsessen zwischen Kurt und Hannes herausgekommen, wenn Vera nicht mitgegangen wäre. Solche Details, die wegen des reduzierten Plots besonders ins Auge fallen, sind entscheidend dafür, ob ein solcher per se unglaubwürdiger Stoff dennoch eine (tiefenstrukturelle) Genre-Stimmigkeit erzielen kann. Oder ob aus ihm eben nur ein vordergründiger Thriller entsteht, der auf Räuberpistolen-Effekte aus ist. Wer viel Zeit tot zu schlagen hat und dran bleibt – der erlebt zumindest abwechslungsreiche letzte 30 Minuten. (Text-Stand: 10.1.2012)

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Fernsehfilm

ORF, SWR

Mit Aglaia Szyszkowitz, Bernhard Schir, André M. Hennicke, Mavie Hörbiger, Emily Matschnig, Birgit Linauer

Kamera: Martin Gschlacht

Schnitt: Ingrid Koller

Musik: Roman Kariolou

Produktionsfirma: Dor Film

Drehbuch: Uli Brée

Regie: Robert Dornhelm

Quote: 5,70 Mio. Zuschauer (17,2% MA)

EA: 01.02.2012 20:15 Uhr | ARD

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