Bei „Event-Movies“ gehört Klappern und Klotzen zum guten Ton. Auch die vierteilige Verfilmung von Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ scheint auf den ersten Blick vor allem ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde zu sein. Der Bestseller fand weltweit 18 Millionen Leser. Die Deutschen kürten ihn in der ZDF-Reihe „Unsere Besten“ zum drittliebsten Buch aller Zeiten. 20 Jahre dauerte es, bis man sich an die Verfilmung wagte. 83 Schauspieler, 6000 Statisten und eine Crew von 350 Mann waren insgesamt 113 Drehtage am Set in Ungarn und Österreich zugange. In der Nähe von Budapest wurde auf einem 20.000qm großen Feld der Marktplatz des fiktiven Kingsbridge als Real-Set errichtet. Aus 340 Stunden Filmmaterial wurden rund siebeneinhalb Stunden sendefähiger Film. Ein dreiviertel Jahr dauerte die Postproduktion. 40 Millionen Dollar soll der Film gekostet haben. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, davon kann sich der Zuschauer die nächsten Montage ein Bild machen.
Wer im Mittelalter bauen wollte, der sah das fertige Bauwerk selten noch zu Lebzeiten. Bei Ken Follett geht es der besseren Identifikationsmöglichkeiten wegen schneller. Auf dem Bildschirm erscheint nicht zuletzt durch die veränderte Wahrnehmung die Leidensgeschichte, die ein solches Jahrhundertwerk mit sich bringt, noch weiter verkürzt. Der Film kümmert sich außerdem nicht um architekturgeschichtliche Fragen und auch in der Handlung geht es weniger als im Roman mit seinen sechs Büchern um die logistischen Probleme, die das Errichten von Kirchen im Mittelalter mit sich brachten. Im Mittelpunkt steht das soziale Leben, das Ränkespiel zwischen Klerus und weltlichen Machthabern, der Kampf um Ländereien, um Privilegien, ums Überleben. Wie zuletzt das mittelalterliche Rachedrama „Die Wanderhure“, das 9,75 Mio. Zuschauer sahen, bemüht der Vierteiler nicht nur Motive aus jener finsteren Epoche wie Fluch, Schwur, Schändung, Ächtung, Giftmord oder den Mythos vom Höllenfeuer, sondern richtet sein Augenmerk immer wieder auf den Kuhhandel zwischen den Institutionen der Gesellschaft. Da wird gekungelt, intrigiert oder mit Machtgebärden und einer langen Blutspur Politik betrieben. „Die Säulen der Erde“ zeigt dies weniger klischeehaft als vergleichbare Versuche, das Mittelalter dem Fernsehzuschauer nahe zu bringen.
Zwar muss es immer wieder knallen, muss Schlachtengetümmel in großen Panoramen oder blutiger Kampf Mann gegen Mann die universalen Fehden in der Gesellschaft physisch-sinnlich illustrieren, doch der Schwerpunkt dieses monumentalen TV-Werks liegt auf den kleinen Ereignissen, die sich um die Hauptakteure ranken. Der Mythos des Mittelalters und dessen Geschichte wird herunter gebrochen auf die Schicksale Einzelner. Da sind der edle, visionäre Steinmetz, der tapfere, stolze Mönch, sein kirchlicher Widersacher oder der König auf Abruf. Und die Figuren in der zweiten Reihe, die schöne Händlerin, die als Hexe verschriene Einzelgängerin, das kreative Wunderkind oder die machthungrige Intrigantin, sie alle erfüllen mehr als nur dramaturgische Funktionen in dieser sehr klassischen Filmerzählung.
Dem zahlreichen Akteuren zu folgen, fällt auch ohne Kenntnis des Romans nicht schwer – und spätestens nach einer Stunde haben sie auch den Zuschauer am Haken, der sich nicht gern einfangen lässt von einer vermeintlich gigantischen Erzählmaschine. Nicht zuletzt deshalb, weil bei allem zwischenmenschlichen Gezänk stets die Vision der Kathedrale mitschwingt, was der blutigen Geschichte etwas Transzendentes gibt. „Das dominierende Thema von ‚Die Säulen der Erde’ ist das Streben der Menschheit nach Höherem, das seine wortwörtliche Entsprechung im Bau der Kathedrale findet“, so Drehbuchautor John Pielmeier. „Diese Kirche ist eine Metapher auf das ‚Göttliche’ in uns allen. Ich denke, dass die Story gerade deshalb auch all jene anspricht, die eigentlich nicht religiös sind.“ In diesem Sinne fällt dieser handwerklich überzeugende, nur sparsam mit Computeranimationen arbeitende Vierteiler nicht zuletzt durch sein Thema aus dem Raster herkömmlicher „Event-Movies“.