Zwei Frauen, zwei Lebensstile – ein Gesicht. Petra Hammesfahr, eine der erfolgreichsten deutschen Krimiautoren, hat sich in ihrem Roman „Die Lüge“ (2003) dem altbekannten Topos vom Doppelgänger angenommen. Eine Frau, die alles im Überfluss hat, trifft auf eine Frau, die am Existenzminimum nagt und der alles im Leben zu viel ist. Die Wohlhabende macht der Armen ein unmoralisches Angebot: 500 Euro pro Tag für einen Rollentausch beim Ehemann – da kann eine Frau, der das Wasser bis zum Hals steht, nicht nein sagen. Das weiß die Gebende, die etwas ganz anderes im Sinn hat, als ein paar ungestörte Stunden mit ihrem Liebhaber zu verbringen. Und so beginnt sie ein perfides Spiel mit ihrer Doppelgängerin…
Aus diesem komplexen, 500-seitigen Roman einen 90-minütigen Fernsehfilm zu machen, ist ein mutiges Unterfangen. Der psychologisch dichte Krimi, der beim Leser eine Art Kino im Kopf auslöst und ihn ständig in alle möglichen Richtungen assoziieren lässt, fand im Drehbuch von Katrin Bühlig und dem klaren, geradlinigen Inszenierungsstil von Judith Kennel beste Voraussetzungen für ein filmisches Pendant. „Angesichts der umfangreichen Vorlage und des Themas, aus dem leicht eine absurde oder lächerliche Geschichte hätte werden können, ist ‚Die Lüge’ ein guter und spannender Film geworden“, urteilt denn auch Petra Hammesfahr entsprechend. Der Zuschauer wird hineingezogen in den Strudel einer rätselhaften Handlung. Hinzu kommt das leise Mitfiebern mit jener nichts wissenden, krisengeschüttelten Frau. Wird sie sich im Netz ihrer spinnenhaften Gönnerin verfangen? Wird sie vom Ehemann der anderen entlarvt? Oder kommt Liebe ins Spiel? Ein Hauch Hitchcock hängt über der Szenerie.
Ein filmisches Vexierspiel wie „Die Lüge“ steht und fällt mit der Hauptdarstellerin. Natalia Wörner besitzt zunächst einmal physiognomisch jene Möglichkeiten zur Doppelgesichtigkeit. Doch mit oberflächlicher Verwandlung, zurückhaltender Natürlichkeit einerseits und knalliger Weiblichkeit andererseits, war es beim Spiel der beiden Frauen nicht getan. „Ich habe die Frauen aus zwei grundsätzlich verschiedenen Perspektiven gespielt“, betont Wörner, „ich musste mir absolut im Klaren sein, wie die einzelnen Profile der Figuren sind und wie sie dann in der Handlung aufeinanderprallen.“ Gerade weil sich die Charaktere im Laufe der Geschichte verändern, war es wichtig, die Profile nicht aufzuweichen, sie klar gegeneinander abzugrenzen. Wörner: „Ein klarer Fall von kontrollierter Schizophrenie.“ Dass man als Zuschauer dennoch nie den Eindruck hat, hier zwei extrem gekünstelten Gegensätzen von Weiblichkeit ausgesetzt zu sein, spricht für Wörner. (Text-Stand: 15.9.2008)