Der Film zur Schlagzeile: Glaubwürdig und nachvollziehbar behandelt „Die Kraft, die du mir gibst“ das aktuelle und brisante Thema der Krankenhauskeime. Geschickt verpacken Buch und Regie die Anklage des Missstands als fesselnd inszenierte und gut gespielte Geschichte.
Die Handlung beginnt mit einer kleinen Ursache, die eine fatale Wirkung hat: Nach einen vergleichsweise harmlosen Knochenbruch infiziert sich ein Mann mit einem Keim, der sich als lebensbedrohlich entpuppt. Zu allem Überfluss ist das Krankenhaus, in dem die Infektion erfolgt, der Arbeitgeber seiner Frau. Zuvor jedoch entwirft Autor Martin Douven („Bloch“) das Bild einer perfekten Familie: Konrad (Alexander Beyer) ist derzeit der Versorger, während Gattin Maja (Tanja Wedhorn), früher mal Krankenschwester, studiert und promoviert. Das Ehepaar hat zwei wohlgeratene Kinder und lebt in einem Traumhaus; allein die unleidliche Vermieterin (Barbara-Magdalena Ahren) stört die Idylle mitunter. Perfektes Bild für die Harmonie ist das vierhändige Musizieren des Paars am Klavier. Als Mikrobiologin Maja eine Stelle im Forschungslabor der Grazer Delos-Klinik bekommt, fährt Konrad sie mit dem Motorrad zum ersten Arbeitstag. Nach einem Sturz quasi vor der Tür wird er gleich an Ort und Stelle behandelt. Wenige Tage später treten erste Komplikationen auf: Konrad hat sich mit dem resistenten Krankenhauskeim MRSA infiziert; er schwebt in Lebensgefahr.
Gemessen am unnötig gefühlvollen und männliche Zuschauer eher abschreckenden Titel hat Zoltan Spirandelli („Die Akte Golgatha“), ohnehin kein Melodramspezialist, die Geschichte zwar mit viel Empathie, aber vergleichsweise unsentimental und zudem alles andere als spekulativ umgesetzt. Ebenso wichtig wie Konrads Erkrankung ist zudem eine zweite Ebene: Dank Maja erzielt das Forschungs-Team endlich einen lange erwarteten Durchbruch. Dass sie prompt vom Chef des Krankenhauses hofiert wird, hat allerdings auch einen zweiten Grund: Die Klinikleitung will nicht nur aus Gründen des guten Rufs um jeden Preis verhindern, dass Konrads Infektion öffentlich wird; und Maja steckt in einem Loyalitätsdilemma.
Foto: Degeto / Alfons Kowatsch
Dass die Wissenschaftlerin am neuen Arbeitsplatz auch noch auf ihren früheren Verlobten Jens (Max Urlacher) trifft, wirkt zunächst wie ein Tribut an den Sendeplatz; das Erzählmuster „Eine Frau zwischen zwei Männern“ war schließlich mal so etwas wie die Erfolgsformel für jeden zweiten ARD-Freitagsfilm. Tatsächlich aber hat der anfangs recht blasiert wirkende Jens schließlich maßgeblichen Anteil am Finale. Außerdem gehört auch er zur Riege jener Figuren, die im Verlauf der Handlung eine fundamentale Wandlung durchmachen: Der lebensbejahende Konrad wird zunehmend verbittert, die kratzbürstige Vermieterin entpuppt sich als ungewollt kinderlos und ist gar nicht so hartherzig, wie sie tut; und die sympathische Maja entwickelt sich zur Kämpferin, die bald keine Lust mehr auf Konrads Selbstmitleid hat.
Wie filmisch „Die Kraft, die du mir gibst“ angelegt ist, zeigt eine Szene, die buchstäblich den Gipfel von Konrads negativer Haltung darstellt: Als ein Ausflug des Ehepaars auf den Schöckel im Streit endet, macht Konrad auf dem Absatz kehrt. Spirandelli erlaubt sich sogar den Luxus, auf den eigentlich obligaten Schwenk übers Grazer Bergland zu verzichten (er wird allerdings am Ende nachgereicht). Einziges Manko, über das man aber hinweghören kann, sind die aufgesagt klingenden Dialoge der Kinderdarsteller. Und wer sich in griechischer Mythologie auskennt, wird sich wundern, dass die Delos-Klinik kein gynäkologisches Krankenhaus ist. Ansonsten ist das bis in kleinste Details der Darstellerführung und der Ausstattung sorgfältig umgesetzte Drama jedoch sehenswert – auch für Männer.