Die zuletzt in den Innendienst versetzte Judith Schrader bekommt eine neue Chance, um in die Abteilung Organisierte Kriminalität zurückzukehren: Die Staatsanwältin soll herausfinden, ob Polizisten in den Anschlag auf eine Politikerin verwickelt waren. Şirin Doğan (Idil Üner) wurde nur eine Woche nach dem Einzug in ihrer neuen Wohnung überfallen. Der maskierte Täter pinselte in großen roten Buchstaben „Letzte Warnung“ an eine Zimmerwand. Der Fall ist innenpolitisch brisant: In vier Wochen wird gewählt und die kurdischstämmige Doğan soll Polizeibeauftragte des Landes Berlin werden. Weil sie Rassismus und Polizeigewalt anprangert, wird sie in den sozialen Netzwerken beleidigt und bedroht. Beamte aus dem Abschnitt 50 könnten ihre neue Adresse verraten haben, denn der Staatsschutz ermittelt gegen einige Polizisten und Polizistinnen, weil sie in internen Chats extremistische Kommentare teilten. Was bei dieser Gelegenheit aus Chat-Protokollen zitiert wird, ist erschreckend.
Foto: ZDF / Christoph Assmann
Das Drehbuch von Robert Hummel und Peter Dommaschk bewegt sich diesmal in einem bekannten Spannungsfeld: Verbindungen zwischen Polizei und rechter Szene, Fälle von gewalttätigen Polizei-Übergriffen und „Racial Profiling“ sind in der Realität ebenso belegt wie die von Polizisten erlebte Gewalt und enorme Belastung. Über all dies wird hier jedoch fast nur geredet, der Alltag auf den Straßen wird, von der Ausnahme eines umstrittenen Videos abgesehen, nicht szenisch erzählt. Regisseur İsmail Şahin vermeidet Bilder von krasser Gewalt, Szenen aus dem Gerichtssaal fehlen diesmal ebenfalls. Das Bemühen um einen differenzierten Blick auf die Polizei gelingt insbesondere aufgrund der Besetzung und der sympathischen, lebensnah wirkenden Ermittlerfiguren. Zwischen der von Nadja Uhl so vorzüglich gespielten Staatsanwältin Schrader und LKA-Kommissar Jochen Montag (Dirk Borchardt) stimmt die Chemie. Beide treffen exzellent den Berliner Ton und bilden das emotionale Zentrum des Films. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die diverse Besetzung von Montags Team, gespielt von Grimme-Preisträger Malick Bauer („Sam – Ein Sachse“) und Altamasch Noor. Der schwarze Polizist Patrick Odonkor und sein Kollege Tayfun Bastürk tragen stellvertretend in pointierten, authentisch klingenden Dialogen die Kontroversen um Gewalt- und Rassismusvorwürfe gegen die Polizei aus.
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Vorübergehend vom Dienst suspendiert wurde die junge Polizistin Jana Bloch (Sarah Mahita), weil ein von Doğan gepostetes Video einen Übergriff auf einen Schwarzen zu zeigen schien. Der zuvor erfolgte tätliche Angriff des Mannes auf die Polizistin war allerdings vom Social-Media-Team der Politikerin herausgeschnitten worden – ohne Doğans Wissen. Fragwürdig ist jedoch insbesondere die Idee, das populistische Lieblingsthema Abschiebungen ebenfalls noch in die Geschichte einzubauen. Das vermeintliche Versagen der Politik auf diesem Gebiet dient hier als Erklärung für die persönliche Radikalisierung von Blochs Freund und Ex-Kollege Sven Temme (Nicholas Reinke). Denn Doğan ist nicht nur indirekt für Blochs Suspendierung verantwortlich, sondern hat als Leiterin einer Härtefallkommission auch noch dafür gesorgt, dass ein Mann in Deutschland bleiben durfte, der später den Tod von Temmes Schwester verschuldete. Die Wut auf die zu Beginn angegriffene Politikerin erscheint somit als nachvollziehbar. Der Film verharmlost keinen Extremismus, dennoch bewegt sich „Gegen die Wut“ mit dieser Konstruktion hart am Rand einer Täter-Opfer-Umkehr, bei der populistische Feindbilder befeuert werden. Immerhin bleibt Doğan in der Geschichte keine unbelehrbare Politikerin, die Fehler nicht einzugestehen wüsste.
Sieht man von dieser nicht vollständig geglückten thematischen Gratwanderung ab, bietet der vierte Film in der ZDF-Reihe „Die Jägerin“ vor allem eine steil ansteigende Spannungskurve. Bloch, die um das Sorgerecht für ihren fünfjährigen Sohn kämpft, wird von Schrader als „Vertrauensperson“ angeworben, um Temme auszuspionieren. Der war nach zwei Verfahren wegen Körperverletzung im Amt aus dem Polizeidienst entlassen worden, betreibt nun eine Kneipe und steht nicht nur im Verdacht, die Politikerin attackiert, sondern auch Sprengstoff gestohlen zu haben. Nicholas Reinke spielt ihn jenseits des Klischees eines brutalen Schlägers. Die stumme Entschlossenheit und der latent spürbare, unterdrückte Hass wirken umso beängstigender. Außerdem mischen noch türkische Ultranationalisten mit – eine Anspielung auf die „Grauen Wölfe“, eine faschistische Organisation, die bis heute erstaunlicherweise in Deutschland nicht verboten ist.
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