Thüringer Wald, 1890. Der Glasbläser-Tradition der Steinmanns droht das Ende. Frauen dürfen kein Glas blasen – und nach dem Tod ihres Vaters sind Johanna (Luise Heyer) und Marie (Maria Ehrich) die einzigen Nachkommen. Um aus den ärmlichen Lebensverhältnissen herauszukommen, verlässt die ältere Johanna das Glasbläserdorf Lauscha und geht in die Stadt, in der sie im Kontor des Glasgroßhändlers Strobel (Dirk Borchardt) eine Stellung als dessen Assistentin bekommt. Marie hingegen bleibt in der Heimat, wo sie beim ehemaligen Konkurrenten ihres Vaters, Wilhelm Heimer (Max Hopp), als Glasmalerin arbeitet. Da sie vom jüngsten Sohn des Hauses (Franz Dinda) geschwängert wird, gehört sie bald zur Familie. Doch die Derbheit dieses Männerclans stößt sie ab. Als junge Mutter zieht sie sich immer öfter in ihr Elternhaus zurück, um dort nächtens ihrem großen Traum nachzugehen: Schon als Kind hatte sie ihrem Vater bei seiner Arbeit zugeschaut. Jetzt will sie endlich selber Glas blasen. Die nötigen Rohlinge bekommt sie vom befreundeten Nachbarn, dem umsichtigen Glasaugenmacher Peter (Robert Gwisdek), der offensichtlich auf Johannas Rückkehr hofft. Diese bringt bald die ersten Aufträge für Glasschalen aus der Stadt mit, mehr als ihre Schwester fertigen kann. Als sich Johannas Chef nicht als der Ehrenmann erweist, der er vorgibt zu sein, stehen bei den Schwestern bald die Zeichen auf gemeinsamem Neuanfang.
Und so brennt bald bei den Steinmanns, obwohl sie Frauen sind, nicht nur nachts die Flamme. Die historische Filmerzählung „Die Glasbläserin“ nach dem gleichnamigen Roman von Petra Durst-Benning erklärt zwar nicht, weshalb die Schwestern am Ende die Tradition des Vaters fortsetzen dürfen, obwohl es doch gegen das Gesetz ist – dem Wohlfühlende dieses Frauen-affinen TV-Dramas tut dies aber keinen Abbruch. Vielleicht reichte es ja damals, wenn die Konkurrenz im Dorf – so wie im Film der alte Heimer – die „Weiberwirtschaft“ billigt. Sein Handschlag mit Marie macht am Ende die Sache zumindest dramaturgisch stimmig; dieser Ehrenmann der derben Schule will bei seiner ehemaligen Schwiegertochter quasi das wieder gut machen, was sein trunksüchtiger Sohn verbockt hat. Nach 80 Filmminuten ständigen Aneckens haben sich die beiden fleißigen Frauen ihren emanzipatorischen Aufbruch und ihre dazu passenden Männer, die wie sie die neue Zeit repräsentieren, allerdings auch redlich verdient. Und auch als vorweihnachtlicher Pulswärmer verfehlt diese Mär aus dem späten 19. Jahrhundert seine Wirkung nicht. Schließlich macht die Romanautorin die fiktive Marie Steinmann zur Bläserin von Weihnachtsbaumkugeln, die über Amerika ihren weltweiten Siegeszug antreten werden. Und die Schlussszene zu Heiligabend mit prächtigem Christbaum, Schnee, Gesang und doppeltem Liebesglück passt wunderbar in die besinnliche Zeit.
„Man darf sich nicht darauf verlassen, dass Kostüm, Maske und Szenenbild die ganze Arbeit übernehmen. Eine solche Rolle ist mit viel Recherche verbunden. Man muss sich Klarheit über Vieles verschaffen: Wie haben sich die Frauen damals verhalten? Wie war ihre Position den Männern gegenüber? Was durfte man als Frau, was nicht?“ (Maria Ehrich)
„Beim Inszenieren ist es wichtig, genau auf die Körpersprache im Kontext zu achten. Manchmal neigen Schauspieler dazu, die Steifheit & Üppigkeit eines historischen Kostüms mitzuspielen. (Christiane Balthasar)
Und auch filmisch weiß „Die Glasbläserin“ zu gefallen. Krimi-Expertin Christiane Balthasar („Kommissarin Heller“) ließ schon bei „Der Wagner-Clan“ Gespür für Historisches erkennen, wenngleich die realistischen Alltagsansichten der bescheidenen Lauschaer Glasbläser wenig gemeinsam haben mit dem opulenten Künstler-Melodram. Und doch vermag die Kamera (in beiden Fällen Hannes Hubach) auch die Wirklichkeit der einfachen Leute ins richtige Licht zu setzen: Die Lichtgestaltung gibt einem ein Gefühl für die Zeit; das Erdige, der Matsch und die Farblosigkeit, die Landschaften wie Innenräume überzieht, spiegeln die Beschwerlichkeit des Daseins, in dem es kaum Platz für die schönen Dinge des Lebens gibt; das wenige Licht in der nächtlichen Stube verweist auf die ärmlichen Verhältnisse. Die Stadt als Gegenentwurf zum dörflichen Leben sorgt mit ihrer Helligkeit, dem noblen Interieur und der Offenheit für die Mode gleichsam für visuelle Abwechslung. Doch der Luxus in der Stadt entpuppt sich letztlich als falscher Schein. Zauber und Glanz bleiben am Ende dem Christbaumschmuck vorbehalten. Mag die Geschichte mit ihren Leid- und Emanzipationserfahrungen auch noch so vorhersehbar sein, die stimmungsvolle Bildebene überdeckt das dramaturgisch Wohlbekannte.
Noch deutlicher reißen die beiden Hauptdarstellerinnen die Geschichte an sich – und überspielen die gelegentlichen dramaturgischen Stereotypen. Beide haben Physiognomien, die sich glaubwürdig an vergangene Zeiten anpassen. Luise Heyer („Westwind“) gibt die Pragmatische, die Realistin, sparsam verschenkt sie ihr Lächeln, häufiger im Einsatz ein strenger Zug um die Mundwinkel. Maria Ehrich verkörpert Marie, die Idealistin, die anfangs auch von ihrer älteren Schwester als Träumerin abgekanzelt wird. Die Schauspielerin hat neben ihren Fantasyfilmen „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ immer wieder in zeitgeschichtlichen Dramen wie „Das Adlon“, „Dämmerung über Burma“ oder „Ku’damm 56“ überzeugt. Jetzt ist sie die Glasbläserin: Der blasse Teint ihres Gesichts auf dem dunklen Hintergrund der Stube, angestrahlt von der Flamme des Glasbrenners, gehören zu den eindringlichsten Bildern. Ein völlig anderes Bild, aber ähnlich in seiner ikonografischen Klarheit: Marie und Mr. Miles in der Kutsche nebeneinander sitzend, die Kamera auf beide frontal gerichtet – auch hier ist es der scharfe Kontrast zwischen dem Dunkel des Kutschenverdecks und den klar konturierten Gesichtern, der heraussticht aus der sonstigen Bildgestaltung. Diese „Exklusivität“ passt zum Inhalt: Der Amerikaner wird die geschäftliche Zukunft der Steinmanns sichern und bringt am Ende auch privates Glück nach Lauscha.