Die Farbe des Ozeans

Sabine Timoteo, Maggie Peren, Franzen. Flüchtlingsdrama in bestechender Optik

Foto: BR / Südart / Pere Pueyo
Foto Thomas Gehringer

Nathalie gibt dem mit einem Flüchtlingsboot gestrandeten Zola und seinem kleinen Sohn Mamadou zu trinken – und später Geld. Doch ihre Hilfsbereitschaft hat fatale Konsequenzen. „Die Farbe des Ozeans“ ist eine bildstarke Tragödie und ein „moralisches“ Drama über das Dilemma des Mitgefühls ohne Perspektive. Großartig gespielt (Sabine Timoteo, Hubert Koundè) und wunderbar fotografiert. Zentrales Motiv: Gran Canaria und das Wasser. Nicht ganz überzeugend die Figur des spanischen Polizisten mit drogensüchtiger Schwester.

Am Strand von Gran Canaria landet ein Boot mit Flüchtlingen aus Afrika. Nathalie, eine deutsche Touristin, hilft Zola, einem Senegalesen, der für seinen erschöpften Sohn Mamadou um Wasser bittet. Als sie den Strand verlässt, um noch mehr Wasser zu holen, lässt sie ihre Sachen und auch ihr Handy liegen. Bei ihrer Rückkehr sind bereits Helfer vor Ort, unter ihnen auch Josè, ein spanischer Polizist. Josè hat selbst ein großes Problem. Er war zuvor in seiner Wohnung von einer heroinsüchtigen Frau bedrängt worden, es ist seine Zwillingsschwester, wie sich später herausstellt. Josè weist sie ab, auch mit den Flüchtlingen springt er unbarmherzig um. Zola, der sich als Kongolese ausgibt, weil Flüchtlinge aus dem Senegal sofort abgeschoben werden, lässt er trotz fehlenden Übersetzers barsch abblitzen. Doch Zola kann mit seinem Sohn aus dem Lager fliehen – und er hat Nathalies Handynummer…

Das Flüchtlingsdrama von Meggie Peren, deren Drehbücher bereits mehrfach ausgezeichnet wurden (Deutscher Filmpreis für „Napola“, Grimme-Preis für „Kiss and Run“), kreist vor allem um das Thema Hilfsbereitschaft. Bei Josè ist der Konflikt plakativ konstruiert. Die Parallele zwischen Drogensüchtigen und Flüchtlingen leuchtet nur bedingt ein, und dass sich Josès Verhalten gegenüber den Afrikanern grundlegend ändert, nachdem sich sein Problem mit der Schwester „erledigt“ hat, erscheint auch nicht überzeugend. Klarer und glaubwürdiger die Figur Nathalies, die von Sabine Timoteo wunderbar reduziert, ohne plumpe Gefühlsausbrüche und auch ein bisschen geheimnisvoll verkörpert wird. Nathalie scheint geradezu auf den Anruf Zolas zu warten, ihr nachgereister Freund Paul besetzt die Gegenposition. „Wir fischen ihnen das Meer leer, wir nehmen ihnen die Arbeit weg. Und dann sitzen sie genau in den Booten, in denen sie Fisch gefangen haben, um zu uns zu kommen. Hör auf, ständig Fisch zu essen, dann hilfst du ihnen mehr“, sagt er. Man einigt sich darauf, dass Nathalie Zola und dem kleinen Mamadou Kleidung, aber kein Geld bringt.

Die Farbe des OzeansFoto: BR / Südart / Pere Pueyo
Zusammen mit dem Grenzpolizisten José (Alex Gonzalez) macht sich Nathalie (Sabine Timoteo) auf den Weg zum Krankenhaus, um den schwerverletzten Zola zu besuchen.

Solche, die Problemstellung erläuternden Dialoge sind die Ausnahme, das moralische Dilemma erschließt sich meist ohne viele Worte aus der sich weiter zuspitzenden Geschichte. Natürlich bittet Zola, der sich mit seinem Sohn in einem Schwimmbad versteckt hält, um Geld. Als Nathalie ihm ohne Pauls Wissen 500 Euro übergibt, hat das fatale Konsequenzen. Hat Nathalie, damit sie sich kurzfristig „besser fühlt“ (Paul), alles nur noch schlimmer gemacht? Neben Sabine Timoteo ist Hubert Koundé als Zola eine herausragende Besetzung. Ganz klar: Diesem Zola, der aus purem Überlebenswillen und Fürsorge für seinen Sohn bei jeder Gelegenheit lügt und trickst, möchte jeder gerne helfen. Es bleibt offen, aus welchen Gründen Zola geflohen ist und von welchem Leben er in Europa träumt – die Figur steht stellvertretend für die afrikanische Flüchtlingstragödie. Dennoch findet Meggie Peren für ihren zweiten abendfüllenden Film als Regisseurin (nach der Komödie „Stellungswechsel“) einen schönen, leisen Schluss, der weder zu versöhnlich noch zu deprimierend ist.

Der toll fotografierte Film besticht außerdem durch seine Bildgestaltung. Gran Canaria ist hier keine Urlaubsperle im Atlantischen Ozean. Die Landschaft ist ein tristes Niemandsland mit Flughafen in einer vermüllten Steppe, der Strand ist eine Sanddünen-Wüste, die Stadt schmutzig und arm. Die Menschen, denen die Kamera von Armin Franzen häufig ganz nahe rückt, als wollte sie ihnen unter die Haut blicken, wirken verloren und einsam. Das zentrale, immer wiederkehrende Motiv in dem Film ist jedoch das Wasser – das Meer, die Trinkflaschen, die Dusche, die Fische im Aquarium, die Rutsche im Schwimmbad, die feuchte Haut. Wasser, das Element, in dem die Flüchtlinge ertrinken und die Touristen baden, das kühlt und den Durst stillt, das Bedrohung und pures Vergnügen ist, das man zum Überleben braucht und manchmal auch, um sich reinzuwaschen. Und das im Ozean nur deshalb blau wird, „damit man die Wale nie vergisst, die darin gestorben sind“, wie Zola seinem Sohn erklärt. Auch das eine bittersüße Metapher in diesem bildstarken Film.

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Kinofilm

Arte, BR, SWR

Mit Sabine Timoteo, Hubert Koundè, Alex Gonzalez, Friedrich Mücke, Nathalie Poza, Dami Adeeri, Primo Jose, Alba Alonso

Kamera: Armin Franzen

Schnitt: Simon Blasi

Musik: Carolin Heiß, Marc-Sidney Müller

Produktionsfirma: Südart Filmproduktion

Drehbuch: Maggie Peren

Regie: Maggie Peren

EA: 14.08.2013 21:50 Uhr | Arte

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