„Der Schwarm“ machte Frank Schätzing zum derzeit erfolgreichsten deutschen Autor. Die Rechte des Science-Fiction-Thrillers um verseuchte Meere, die den Aufstand proben gegen die Menschheit, hat sich Hollywood bereits frühzeitig gesichert. Um mit dem Label „Schätzing“ zu punkten, musste RTL also durchs Frühwerk des Autors stöbern, der als Werbetexter begann und anfangs nur zum Spaß Krimis schrieb, und der Sender wurde fündig: „Mordshunger“, sein Debütroman, verfilmte Robert Pejo („Entführt“) als klassischen Krimi mit süffisanter Note und Hans-Werner Meyer und Henry Hübchen in den Hauptrollen. Ganz anders kommt die Verfilmung daher, die den Auftakt zum Schätzing-Festival macht: „Die dunkle Seite“ ist ein modischer Thriller – cool und stylish, blutig und brutal.
Foto: RTL / Reiner Bajo
Ein Mord hält die Berliner Polizei in Atem. Ein türkischer Gemüsehändler ist auf bestialische Weise getötet worden. Zeitgleich erhält die Privatdetektivin Vera Gemini einen lukrativen Auftrag: Sie soll einen Mann finden, der sich im zweiten Golfkrieg als Fremdenlegionär verdingt hatte, der für tot erklärt wurde, aber noch am Leben sein soll. Durch einen Zufall erfährt sie, dass der Mann, den sie suchen soll, offenbar derselbe ist, der den Gemüsehändler erschossen hat. Denn er, der Gesuchte und der Auftraggeber, waren 2003 im Irak ein Team. Vera ist der Fall zu „heiß“, doch sie ist fasziniert von ihrem Auftraggeber, der befürchtet, auch einem Racheakt zum Opfer zu fallen, ihr aber nach wie vor nicht die ganze Wahrheit sagt: Bei dem Auftrag geht es nicht nur um seine Schuld, sondern auch um Diamanten.
Im Roman hat Heldin Vera blondes, kurz geschorenes Haar. Den Mecki wollte RTL seinen Zuschauern nicht antun, und das Blond passte nicht recht zum Düster-Look. Dass Melika Foroutan ein anderer Typ ist als in der Vorlage, stört Schätzing nicht. „Das sind doch nur Äußerlichkeiten“, so der 50-jährige Autor. Viel wichtiger ist ihm das Charakterbild. Das müsse stimmen. „Melika ist ein absoluter Glücksgriff, sie zeigt all das, was auch die Vera im Buch hat: sie ist tough, brutal, zugleich sehr verletzlich und äußerst attraktiv“, schwärmt Schätzing. Bekannt wurde Foroutan durch die Serien „Der Fürst und das Mädchen“ und „Alles über Anna“. Der Kritik blieb sie nachhaltig in Erinnerung durch ihre Hauptrolle in „KDD – Kriminaldauerdienst“, wo sie eine zur Sexsucht neigende Polizistin spielt, die sich nach einer Vergewaltigung selbst in die Psychiatrie einweist. Stark traumatisiert nach einer Horror-Ehe mit einem gewalttätigen Kollegen ist auch ihre Heldin in „Die dunkle Seite“ (nomen est omen!). Dabei ist ihre Seelenlage nicht einfach bloß ein spannungssteigernder Charakterzug, sondern sie besitzt auch einen tiefgründigen Bezug zur (Psycho-)Logik der Geschichte.
Foto: RTL / Reiner Bajo
Die Story ist düster. RTL wollte deshalb nicht auch noch den Zuschauer mit einer komplizierten Dramaturgie strapazieren. Immer wieder spricht die Heldin in ihr Diktiergerät, was Sache ist, und brav sieht man sie ihre Ermittlungsarbeit machen – keine Sprünge, kaum Auslassungen, wenig Fragezeichen. Außergewöhnlich ist allein die Inszenierung. Regisseur Peter Keglevic („Tanz mit dem Teufel“), der Mann für die besonderen Event-Movies, und Kameramann Alexander Fischerkoesen, frisch gebackener Grimme-Preisträger für „Eine Stadt wird erpresst“, haben ganze Arbeit geleistet. Es ist der „Look“, der aufregende Mix aus Farbgebung, Optik und Montage, der die brave Geradlinigkeit der Handlung atmosphärisch konterkariert. So wähnt man sich als Zuschauer in einem Film wie dem irritierenden Mehrteiler „Blackout“, mit dem Unterschied, dass man die Geschichte verstehen kann. Bei jenem Sat-1-Megaflop führte auch Keglevic Regie: Doch damals ging es ihm mehr um Genrekunst als um den Zuschauer. (Text-Stand: 18.5.2009)