Die Drei von der Müllabfuhr – Dörte muss weg / Baby an Bord

Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Daniel Rodic. Mit Schnauze, Herz und Hirn

Foto: Degeto / Britta Krehl
Foto Rainer Tittelbach

Endlich eine Unterhaltungsfilmreihe, in der anders geholfen wird als in den Fernsehkliniken, -praxen und -beratungsstellen: nicht professionell, sondern im Vorbeigehen – oder besser: im Vorbeifahren. In „Die Drei von der Müllabfuhr“ (Degeto / Bavaria Fiction) sind kernige Typen in orangefarbenen Overalls am Werk, die mit offenen Augen durch Berlin fahren. Der Arbeitsplatz als ein Ort der Gemeinschaft, der Kiez als Biotop für Nächstenliebe, Moral & gesunden Menschenverstand, dazu drei Helden als eine Art zwischenmenschliche Feuerwehr: Das alles versprüht mehr als nur einen Hauch von Sozialromantik – und das Ganze hätte leicht auch naiv & kitschig werden können. Doch in dieser neuen Freitagabend-Reihe stimmen narrative Komposition und filmische Anmutung gleichermaßen. Es ist hier die gelungene Mischung aus Alltagsthemen und einer beiläufigen Erzählweise, die die Musik macht. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten in „Dörte muss weg“ & „Baby an Bord“ auch Kamera und Schnitt. Herzstück aber ist die stimmige Besetzung rund ums Zugpferd Ochsenknecht.

„Erfahrung, Gehirn, Muskelkraft“ – für Hanna Keller (Inez Bjorg David) ist das eingespielte Trio der Müllmänner Werner Träsch (Uwe Ochsenknecht), Ralle Schieber (Jörn Hentschel) und Tarik Büyüktürk (Daniel Rodic) ideal, um auf deren Wagen den Prototypen eines Müllroboters zu testen. Der Vorgesetzte der drei, Rüdiger Dorn (Rainer Strecker), früher selbst Müllmann, rät allerdings ab von diesem Team, denn vor allem Werner ist kein Freund von Neuerungen. Aber nicht nur er wittert die Wegautomatisierung von Arbeitsplätzen. Und so wird es der PZT04-5000, diese lernfähige Blechdose, schwer haben bei den Männern in den orangefarbenen Overalls. Auch, weil die ebenso ehrgeizige wie hübsche KI-Ingenieurin Dr. Keller nur Zahlen und Optimierungspotenziale im Kopf hat und erst spät erkennt, dass Ralle ein Auge auf sie geworfen hat. Zu diesem Zeitpunkt allerdings hat er bereits mit einem Virus das Betriebssystem des Müllroboters manipuliert. Und dies gerade, als der seit längerem mit Rückenproblemen kämpfende Werner, von seiner Herzdame Gabi (Adelheid Kleineidam) dafür sensibilisiert wurde, die Möglichkeiten der zugkräftigen Technik für sich zu nutzen.

Die Drei von der Müllabfuhr – Dörte muss weg / Baby an BordFoto: Degeto / Britta Krehl
Zwei, die von den Männern in Orange gern belächelt werden: Dr. Hanna Keller (Inez Bjorg David) und ihr besonderer Stolz, der PZT04-5000, ein lernfähiger Müllroboter

Endlich eine Unterhaltungsfilmreihe, in der anders geholfen wird als in den Fernsehkliniken, -praxen und -beratungsstellen: nicht professionell, sondern im Vorbeigehen – oder sagen wir besser: im Vorbeifahren. In „Die Drei von der Müllabfuhr“ sind bodenständige, kernige Typen am Werk, die eigentlich einen ganz anderen Job zu machen haben, die aber mit offenen Augen durch Berlin fahren und sich die Mitmenschlichkeit nicht nehmen lassen. So werden sie in der zweiten Episode „Baby an Bord“ durch Zufall auf eine „Problemfamilie“ aufmerksam, in der es neben einem alleinerziehenden, überforderten Vater (Barnaby Metschurat) zwei Töchter gibt, die siebenjährige Nele (Lola Liefers) und Marie (Marlene Burow), sechzehn Jahre jung und schon Mutter. Werner & Co staunen nicht schlecht, als einen Tag später ein Kinderwagen auf dem Betriebshof der Berliner Müllabfuhr steht und in ihm Maries Baby liegt. Ist der Säugling ausgesetzt worden? Die Männer können und wollen das nicht glauben und nehmen das Kind erst einmal in ihre Obhut. Sie schalten bewusst das Jugendamt nicht ein, da sonst zu befürchten ist, dass Marie ihr Kind weggenommen werden könnte. Also macht das Trio auf „Drei Männer und ein Baby“; vor allem die zwei Jüngeren sind bald nicht nur richtig verknallt in den kleinen Wonneproppen, sondern sie geben als Ersatzväter auch eine ziemlich gute Figur ab – jedenfalls so lange, bis das Ordnungsamt, die Polizei und Frau Meysel vom Jugendamt sich einschalten. „Käp’n“ Werner & Co sind aber nicht nur für die anderen da, vor allem in der Auftaktepisode „Dörte muss weg“ achten sie durchaus auch darauf, wo sie selber bleiben. Da kann dann auch schon mal die gute alte Arbeitersolidarität bemüht werden.

Der Arbeitsplatz als ein Ort der Gemeinschaft, der Kiez als Biotop für Nächstenliebe, Moral und gesunden Menschenverstand, dazu drei Helden als eine Art zwischenmenschliche Feuerwehr: Das alles versprüht mehr als nur einen Hauch von Sozialromantik – und das Ganze hätte leicht auch naiv und kitschig werden können. Doch in „Die Drei von der Müllabfuhr“ stimmen sowohl narrative Komposition als auch filmische Anmutung. In beiden Episoden ist es die gelungene Mixtur aus Alltagsthemen und einer angemessen beiläufigen Erzählweise, die die Musik macht. Die Helden sind Männer in Bewegung, und auch emotional ist bei ihnen immer was los. Der eine kommt mit Werten von Gestern, der andere mit Köpfchen und der Dritte mit gutem Aussehen und Power. Werner, Ralle und Tarik ergänzen sich – und bilden ein Trio, mit dem sich (auch künftig?) vielfältige, abwechslungsreiche Geschichten erzählen lassen. Schön, dass nicht nur – typisch berlinerisch – Herz und Schnauze, sondern auch Hirn und Körperkult zum Einsatz kommen. Außerdem ist ein Studierter im Führerhaus ein origineller Bruch mit den Erwartungen. Die Handlungen setzen auf launige Rituale (die frühmorgendliche Planung der Touren, das Rausfahren, die Einkehr „Bei Gabi“, das Duschen der Männer), sie besitzen etwas leicht Episodisches, sind komödiantisch wendungsreich und haben einen ganz vorzüglichen Flow. Das liegt auch an der sehr luftigen Inszenierung. Der Alltag fährt mit bei diesen Jungs – und Berlin ist immer eine Müllwagenfahrt wert.

Die Drei von der Müllabfuhr – Dörte muss weg / Baby an BordFoto: Degeto / Britta Krehl
Noch spricht Werner (Uwe Ochsenknecht) abends nach der Arbeit mit seiner toten Frau, deren Urne nach drei Jahren immer noch in seiner Schrankwand steht. Aber mit dieser Gabi „Späti“ Hertz (Adelheid Kleineidam), das könnte schon was werden.

Bei den Machern hat die Produzentin Doris Zander ein gutes Händchen bewiesen. Edzard Onneken (54) hat sich als Regisseur für kluges Feelgood-TV einen Namen gemacht: Die „Bella“-Reihe mit Andrea Sawatzki, „Lotta und der dicke Brocken“, vier Mal „Hotel Heidelberg“ oder die Serie „Milk & Honey“ sind – was die Tonlage angeht – eine gute Referenz für einen Film wie „Dörte muss weg“. Eine Überraschung ist Bettina Schoeller Bouju (49) als Regisseurin der zweiten Episode: „Baby an Bord“ ist ihr erster Primetime-Fernsehfilm. Ihre Filmographie allerdings ist lang, vom Kinofilm „Ärgermacher“ über 65 Folgen „Verbotene Liebe“ bis hin zu Dokus oder Videoclips. Ihre Zusammenarbeit mit der renommierten isländischen Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir (57), die hierzulande vor allem durch ihre Filme mit Connie Walther („Schattenwelt“, „Zappelphilipp“) bekannt wurde und die auch Esther Gronenborns „Ich werde nicht schweigen“ filmästhetisch veredelte, erweist sich als äußerst fruchtbare Kombination. Die Erfahrungen mit dem Dokumentarfilm sowohl von Schoeller Bouju als auch von Gudjonsdottir kommen dem Alltagsrhythmus der Müllmänner-Reihe sichtbar zugute. Aber auch Mathias Neumann (53; „Mona kriegt ein Baby“, „Honigfrauen“) macht im Onneken-Film einen guten Job. Für die flüssige Erzählung sorgen selbstredend auch Schnitt und Musik. Nicht weniger stimmig ist die Besetzung: Bei keinem der Hauptdarsteller kommt einem der Gedanke an einen (womöglich passenderen) Kollegen. Uwe Ochsenknecht als Leader im Film und Zugpferd für das Freitagabendpublikum ist optimal – zumal er auf seine üblichen Manierismen weitgehend verzichtet. Sein Werner, der noch immer mit seiner vor drei Jahren tödlich verunglückten Frau beziehungsweise ihrer Urne spricht, ist ein Sympathieträger erster Güte. Jörn Hentschel („Zarah – Wilde Jahre“, „Tatort – Die robuste Roswitha“), bisher abonniert auf kleine Rollen, spielt Ralle mit verschmitzter Ironie, aber auch mit Herz – und empfiehlt sich weiterhin für höhere Aufgaben. Und Daniel Rodic („Bad Cop – Kriminell Gut“) ist offensichtlich der Anker für die Jungen.

Ein Mehrwert, der im Rahmen dieses vitalen Wohlfühlfilms weniger deutlich wird, obwohl er als Subtext gleichsam mitschwingt, sind die gesellschaftspolitischen Themen, die die Autoren Christian Krüger, Barry Thomson und Sebastian Bleyl in den Geschichten anschneiden und die aktuell wieder verstärkt auf der Agenda stehen: Müll, insbesondere die globale Bedrohung durch Plastikmüll, künstliche Intelligenz und ihre möglichen (unsozialen) Folgen. Aber auch der permanenten Optimierungsideologie wird von den grundentspannten Helden angenehm eine Abfuhr erteilt. So erweist sich beispielsweise die nette Dame mit dem Keramikbecher statt täglichem Plastik to go als die einzige Person, die auf Ralles Kontaktanbahnungsversuche positiv reagiert. Die Reihe besitzt auch einige wiederkehrende Nebenfiguren, auf die man sich freuen kann. Dazu gehört nicht unbedingt der aasige Disponent (Martin Glade); die Streitereien zwischen Werner und seinem Chef sind dagegen launige Humoresken, die am Ende stets in sympathische Wohlfühlmomente auslaufen. Und auch die Sache mit der neuen Liebe ist gut eingefädelt, und bei jener „Späti“-Besitzerin Gabi Hertz stimmt nicht nur der Name, sondern auch die Besetzung mit Adelheid Kleineidam, die sich prima einpasst in den Berliner Kiez. Fazit: „Die Drei von der Müllabfuhr“ gehört neben „Hotel Heidelberg“ und den Szyskowitz-Reihen „Zimmer mit Stall“ und „Billy Kuckuck“ (bisher ist jeweils nur ein Fortsetzungsfilm geplant) zu den wenigen positiven Überraschungen auf dem „Endlich-Freitag“-Termin, die über ein Einzelstück hinausgehen. Da sind Fortsetzungen erwünscht!

Die Drei von der Müllabfuhr – Dörte muss weg / Baby an BordFoto: Degeto / Britta Krehl
Marie Thieme (Marlene Burow) und ihr Vater Frank (Barnaby Metschurat) sind auf der Suche nach Baby Lea. Zwei Ex-Müllmänner versuchen zu helfen: Kowalski, ein Klasse-Typ, kernig-kantig von Axel Werner verkörpert, und Jetzt-Chef Dorn (Rainer Strecker), mit dem der maulende „Käpt’n“ Werner immer wieder aneinandergerät.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Daniel Rodic, Rainer Strecker, Adelheid Kleineidam, Axel Werner, Laura Louisa Garde, Martin Glade. (1) Inez Bjorg David, Philipp Brenninkmeyer (2) Barnaby Metschurat, Marlene Burow, Lola Liefers

Kamera: Mathias Neumann (1), Birgit Gudjonsdottir (2)

Szenenbild: Petra Albert (1), Björn Nowak (2)

Kostüm: Riccarda Merteh-Eicher

Schnitt: Friederike von Normann (1), Anke Berthold (2)

Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer

Redaktion: Barbara Süßmann, Stefan Kruppa

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Doris Zander, Elnas Isrusch

Drehbuch: Christian Krüger, Barry Thomson, Sebastian Bleyl

Regie: Edzard Onneken, Bettina Schoeller Bouju

Quote: (1): 4,37 Mio. Zuschauer (14,6% MA); (2): 3,68 Mio. (12,4% MA)

EA: 29.03.2019 20:15 Uhr | ARD

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