Der Teufelstein ist ein schöner Ort zum Sterben. Der Tod von Dorothea Blum scheint ein Selbstmord gewesen zu sein. Es gibt eine Abschiedsnachricht und keine Spuren von Fremdeinwirkung. Die Bestatterin Lisa Taubenbaum (Anna Fischer) und ihr Bruder Hannes (Frederik Bott) haben da allerdings so ihre Zweifel. Irgendwas stimmt jedenfalls bei diesem Todesfall nicht. Denn nachdem ein seltsamer Fremder die Leiche unbedingt sehen wollte, ist dieser bald darauf tot – erstochen. Thomas Zellinger (Christoph Letkowski), der Kommissar aus Stuttgart, den mit Taubenbaum eine „Freundschaft plus“ verbindet, redet deren Bedenken klein: „Das Gefühl einer Physiotherapeutin, die als Bestatterin aushilft, reicht nicht, um einen Fall neu aufzurollen.“ Wenig später kann er sich den Fakten dann doch nicht länger verschließen, die Ermittlungen gehen weiter, allerdings hat die Beziehung der beiden einen Knacks abbekommen. Eine heiße Spur führt ins nahegelegene Kloster, wo der „seltsame Fremde“ sich als „seltsamer Heiliger“ entpuppt. Alles bleibt rätselhaft. Der Witwer (Florian Jahr) und die Zwillingsschwester der Toten (Anna Unterberger) können erstmal auch nicht weiterhelfen. Den ermordeten Bruder Tassilo kennt hier niemand. Weil weiterhin zwischen der Bestatterin und dem Kommissar Funkstille herrscht, ermittelt jeder für sich. Für Lisa Taubenbaum ist das nicht ganz ungefährlich.
Foto: SWR / Daniel Schmid
„Tote leben länger“ ist der vierte Einsatz für Lisa Taubenbaum, jener Ex-Berlinerin auf der Schwäbischen Alb, die hier dem Vater im Rollstuhl (Artus Maria Matthiessen) und ihrem geistig beeinträchtigten Bruder genauso tatkräftig zur Hand geht wie immer wieder gern dem ebenfalls offensichtlich „reingeschmeckten“ Kommissar. Der sieht es diesmal besonders ungern, dass beim Hasen-und-Igel-Spiel er meist nur zweiter Sieger ist – zumal er vor seiner neuen Kollegin (Alina Sokhna M’Baye) ein gutes Bild abgeben möchte. Das klappt erstmal nicht. Erst als Zellinger „seiner“ etwas übermütigen Bestatterin zweimal zu Hilfe eilen muss und spätestens auf der Zielgeraden auch einen guten Riecher beweist, rehabilitiert er sich quasi als berufsmäßiger Ermittler. Damit schert „Die Bestatterin“ zumindest ein wenig aus dem „Hobbydetektive-lassen-Profis-alt-aussehen“-Ritual aus. Das Autorenduo Matthias Kiefersauer und Alexander Liegl, dessen Drehbuch zu der „München Mord“-Jubiläums-Episode „Nix für Angsthasen“ zuletzt beeindruckte, setzt allerdings die gewohnte Erzähltonlage der SWR-Degeto-Reihe fort: Einerseits wirken diese Geschichten von der Alb bodenständig realistisch, was ein Verdienst der Charaktere ist, andererseits agieren die Figuren konsequent jenseits jeder kriminalistischen „Glaubwürdigkeit“ – wodurch die Fälle in den Hintergrund geraten können. In „Tote leben länger“ möchte man jedoch schon gern wissen, was es mit dem Mord an dieser leidenschaftlichen Hausfrau und Mutter auf sich hat, die wegen „Alkohol mit Todesfolge“ verurteilt wurde. Zwar dürfte jeder Zuschauer früh eine Vermutung haben; aber immer wieder gibt es neue Unbekannte in dieser Krimi-Gleichung.
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Es gibt also einiges zu rätseln in diesem Provinzkrimi mit den zwei hübschen Zwillingen, dem eigenartigen Witwer und einem liebestollen Mönch. Hinzu kommen der episodenübergreifende Love Interest und der Familienanschluss, zwei wesentliche Aspekte dieser etwas anderen Donnerstagskrimi-Reihe. Während die Beziehungspolitik vor allem von den dramaturgischen Überlegungen bestimmt wird, den Krimi-A-Plot durch den Liebes-B-Plot in Form einer On/off-Liaison einigermaßen schlüssig und flüssig in Gang zu halten, hat sich das Leben im Hause Taubenbaum eingespielt, wirkt stimmig und beiläufig: ein Stück Alltag. Dazu gehört, dass die Tochter weitaus weniger forsch als früher die Situation des Familienbetriebs als eine vorübergehende bezeichnet. Was damit zusammenhängen könnte, dass es ihr mit diesem Stuttgarter Kommissar vielleicht doch ernster ist als zugegeben und ihr ja auch das Ermitteln, das ohne ihren „Aushilfsjob“ infrage stünde, sichtlich Spaß macht. Dass dies wiederum Erwartungen bei ihrem Vater („Seid Ihr jetzt z’samm?“) wecken könnte, will sie vermeiden. Wenn auch all diese emotionalen Implikationen nur selten an– oder offen ausgesprochen werden, so bilden sie – und das ist eine Qualität – doch latent eine stimmige Grundlage für alle Beziehungen. Die Zukunft des traditionsreichen Bestatter-Unternehmens bekommt diesmal noch einen amüsanten Nebenplot: Während ihr Bekannter aus Berlin (Fridolin Sandmeyer) bei Lisa nicht landen kann, ködert dieser Bruder Leichtfuß, nicht frei von krimineller Energie, ihren Vater, mit der neuen Geschäftsidee von „zeitgemäßer Trauerarbeit“. Diese launigen Situationen mit Witz & Cannabis entwickeln sich völlig ohne die Titelheldin – was dem ohnehin clever konstruierten Familienkrimi guttut.
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Trotzdem ist und bleibt Anna Fischer das Zentrum dieses von Lydia Bruna (passend) unauffällig inszenierten Films, in dem Landschaft & Leute eine gewisse Gemütlichkeit ausstrahlen und der ob seiner Typen und abwechslungsreichen Szenen (in einer, im düsteren Kloster, wird es sogar kurz spannend) keine Durchhänger hat. Auch wenn die Reihe gefühlt schon komödiantischer war, so gibt doch Fischer den sympathisch-launigen Grundton vor. Aber ist Fischers Spiel deshalb tatsächlich ein augenzwinkerndes (wie es der Kritiker für die ersten drei Episoden erkannt zu haben glaubte)? Oder hat sich da nicht vielmehr das Rollenimage im Kopf des Betrachters, dieser Typus der aufgeweckt berlinernden Frohnatur, vor jene Lisa Taubenbaum geschoben? Und die ist grundehrlich, offen und neugierig, sie ist nicht berechnend, sondern stets geradeaus, dennoch umgänglich, und sie hält nach wie vor nichts von gesellschaftlichen Konventionen: Vorzeigefamilien und soziale Fassaden kann sie nicht riechen; und gerade deshalb hat sie ein Gespür dafür. Dass dieser von Grund auf integrer Charakter nicht langweilig wird, das ist der Klasse der unverwechselbaren Anna Fischer zu verdanken.