Zwei sind einer zu wenig. Die beiden Mittdreißiger, die bei Lisa (Anna Fischer) im Leichenraum liegen, waren an dem Abend, an dem ihr Wagen von einer Brücke stürzte und sie ertranken, kurz zuvor noch zu dritt gewesen. Warum auch sollte Mario, ausgerechnet an diesem Abend – immerhin feierten die drei einen Junggesellenabschied – seine Kumpels früher verlassen haben? Lisa kennt die Männer aus alten Zeiten, Mario war ihre große Teenagerliebe. Während der Stuttgarter Kommissar Thomas Zellinger (Christoph Letkowski) das Ganze erst mal als Unfall deklariert und nicht daran denkt, im Fluss nach einer dritten Leiche zu suchen, begibt sich Lisa mit ihrem Bruder Hannes (Frederik Bott) auf Recherche-Tour. Die hinterbliebenen Frauen reagieren unterschiedlich: Eine (Karolina Horster) geht die Trauerarbeit sachlich an, die verwitwete Braut (Celina Rongen) ertrinkt in ihrer Einsamkeit und Marios Frau Conny (Ricarda Seifried) ist guter Hoffnung, allerdings weniger in Bezug auf Marios Überlebenschancen. Connys Eltern (Joachim Raaf, Ulrike Willenbacher) weinen dem möglicherweise tödlich verunglückten Schwiegersohn keine Träne nach. Und dann ist Mario (Jakob Geßner) plötzlich wieder da, schweigt sich allerdings über die Ereignisse jenes unglückseligen Abends aus. Die Hepperlinger meiden ihn, Connys Vater schmeißt ihn raus, und er verliert seinen Job. Nur Lisa hält zu ihrem Jugendfreund und nimmt ihn bei sich auf.
Dritter Einsatz für Lisa Taubenbaum, die Ex-Berlinerin auf der Schwäbischen Alb, die sich auch in „Zweieinhalb Tote“ nicht von der kleinbürgerlichen Gemeinschaft ihres Herkunftsortes einschüchtern lässt. Sie hört auf ihr Herz, ohne dass die Drehuchautoren Matthias Kiefersauer, Alexander Liegl und Regisseur Fabian Möhrke auch nur ein einziges rührseliges Moment im Film untergebracht haben. Zu den Stärken dieser Episode der etwas anderen ARD-„Donnerstagskrimi“-Reihe gehört nämlich, dass sie trotz der Krimi-Rätsel-Struktur und des Sozialstudien-Charakters in ihrer Erzählhaltung durch und durch Komödie bleibt. Keine Komödie, die sich in Witzen oder Pointen ergeht, sondern eine, die die Mentalität ihrer Charaktere augenzwinkernd überhöht, für die der Eigensinn der Figuren wichtiger ist als der Krimiplot und die eine lebensbejahende Distanz zum Geschehen offenbart: So können Menschliches, Ironisches und kleine Episoden aus dem Alltag bruchlos nebeneinanderstehen, ohne dass sie von übergroßen Emotionen niedergedrückt werden. Diese Erzählhaltung passt zur kecken Art der aus Berlin heimgekehrten Heldin, entspricht aber auch der schwäbischen Mentalität, die von pragmatischer Alltagsbewältigung („schaffe, schaffe“) und weniger von offener Emotionalität geprägt ist. Ganz besonders in einer Kleinstadt, in der der Kleinbürger alles unter Kontrolle hat, sind Gefühle unerwünscht. Eine manisch-depressive Frau wie Marios Mutter wird gemieden, und auch von romantisch-schwärmerischer Liebe hält der „Schwob“ nix. Die Lösung des Falls hat am Ende mit alldem auch zu tun.
Dreh- und Angelpunkt von „Die Bestatterin“ ist die titelgebende Hauptfigur. Anna Fischer spielt sie einmal mehr auf ihre unnachahmliche, erfrischende Art. Zwar bekommt ihre Lisa Taubenbaum trotz zweier Leichen diesmal nicht viel zu bestatten und so darf sie leider wenig zeigen von ihrer Empathie-beseelten Leichenversteher-Mentalität, dafür aber ist sie in ihrer Beziehung kein Mäuschen mehr, sondern tritt selbstbewusster und emanzipierter auf als im zweiten Film, „Die unbekannte Tote“ (was auch stimmiger ist für eine lange in Berlin lebende junge Frau). Realistischer als auch dramaturgisch reizvoller gestaltet, ist diesmal ihre Liaison mit dem Kommissar aus Stuttgart in Form einer On-Off-Beziehung. Laune macht auch immer wieder – obgleich man es von Miss Marple bis Wilsberg zur Genüge kennt – das Prinzip „der Laie ist dem Profi stets voraus“. Im Falle von Lisa und „Zelle“ ist das besonders komisch, weil das den Kommissar sichtlich verunsichert, und weil Lisa, schön beiläufig cool und doch sehr bestimmt von Fischer gespielt, bei ihren Ermittlungen einen Punkt nach dem anderen sammelt.
Wer auf massig Plots und auf Spannung aus ist, der ist mit „Zweieinhalb Tote“ eher weniger gut bedient. Weil Mario selbst bei der Polizeivernehmung schweigt, Zellinger aber nicht wirklich etwas gegen ihn in der Hand hat, bewegt sich in der Krimihandlung lange wenig. Und so bleibt Zeit, den Charakteren aufs Maul zu schauen und die schwäbische Lebensart leicht pointiert und im „Nur-net-hudle“-Modus ins Bild zu rücken. Alltagsnah, ohne jede Natur-Schönfärberei, ist auch der Umgang mit der Landschaft, und die Überlandfahrten mit Leichenwagen, trockener Kommunikation & einem Lächeln entspannen den Zuschauer, aber auch die Heldin, die dadurch Abstand zu den Hepperlingern gewinnt. Erfreulich auch, dass viel Schwäbisch g’schwätzt wird. Dass Anna Fischer nicht versucht, ein kleines Bisschen schwäbischen Akzent zu imitieren, ist gut so, weil es der narrativ-dramaturgischen Logik entspricht: Lisa hat mit Überzeugung noch als Teenager die Hepperlinger Enge und ihr kleinkariertes Elternhaus verlassen. Berlin wurde zum Gegenentwurf. Und so ist Fischers Berliner Mundart ein ständiges Zeichen dafür, dass sie anders ist und nichts anfangen kann mit der Platzhirschmentalität in ihrer alten Heimat. Ihr sturer, querköpfiger Vater (Artus Maria Matthiessen) und ihr herzensguter, geistig etwas zurückgebliebener Bruder, aber auch das ist Heimat für diese warmherzige junge Frau. Familie bedeutet ihr viel, sonst hätten die Autoren sie nicht zurück ins „Ländle“ verpflanzen können. (Text-Stand: 28.2.2023)