Die deftigen Ehestreite von Miriam (Stefanie Stappenbeck) und Markus (Oliver Wnuk) sind längst vergessen, selbst über die Trennung sind beide hinweg. Aber was nicht mehr ist, kann ja wieder werden. Denn Markus kommt auf die Idee, in das frei werdende Haus nebenan zu ziehen. In erster Linie der Kinder wegen; Emma (Medea Leinen) und Elias (Jonte Blankenberg) nervt das ständige Hin und Her. Mit Markus zieht aber auch seine neue Partnerin Galina (Natalia Belitski) in die Nachbarschaft ein. Und die ist jünger und cooler als die überstrukturierte Miriam, womit sie nicht nur bei Markus punktet, sondern auch bei den Kindern, selbst in der streitbaren Nachbarschaft hat sie schnell ihre Fans. Allerdings geht sie in Sachen Erziehung & Lifestyle passend zu ihrem legeren Aufzug – gern im Morgenmantel – ähnlich locker um. Und die zwölf Fläschchen Nagellack im Kühlschrank kommen selbst irgendwann bei Markus nicht mehr so gut an. Auslöser für das nicht nur innerfamiliäre Hickhack ist ein Video, das Galina an die Kids geschickt hat und das an der Schule die Runde macht. Für die einen ein harmloser Spaß, für die anderen purer Sexismus – so oder so, ein Schulverweis ist denkbar. Als dann auch noch Nuri (Pit Bukowski), Miriams Neuer, halbnackt vor den Kindern steht, kommt das Fass zum Überlaufen.
Foto: ZDF / Britta Krehl
Das Leben nach der Liebe, die Absonderlichkeiten, die eine oft langwierige Trennung mit sich bringt, und die absurden Situationen, die in Patchworkfamilien entstehen können, sind beliebte Komödien- und Dramedy-Themen. Drehbuchautor Ralf Husmann ist ein Kenner in dem Sujet, hat er doch die Protagonisten seiner Serien/Movie-Schöpfung „Merz gegen Merz“ (ZDF) und den beiden anschließenden 90-Minütern die Phasen der „Entliebung“ aufs Tragikomischste durchlaufen lassen. Während dort der Dramedy-like Konkurrenzkampf zwischen Mann und Frau ausgekostet wird, befinden sich die Bachmanns in einer erwachseneren Phase. Wie die Merzens sind auch sie Eltern, allerdings sind ihre beiden Zwillinge noch in der Pubertät, was sie ihr Ego zurückstellen lässt. Sie wollen wenigstens die Zeit nach ihrer gescheiterten Ehe hinkriegen, als Freunde, als Erziehende. Die Beziehungskomik entsteht nicht wie in „Merz gegen Merz“ aus dem Ehe- und Scheidungskrieg, den tief verwurzelten Kränkungen, die immer wieder das Verhalten der in Trennung Lebenden oft kindisch und irrational beeinflusst, in „Die Bachmanns“ sind es vielmehr – dramaturgisch gesehen – eine unüberlegte Entscheidung und in der Folge die Anderen, Galina, die Nachbarn, die Schule, die die schöne Normalität zwischen dem Ex-Paar stören und mit ihren Wertvorstellungsdifferenzen die Ordnung ins Wanken bringen.
Als erstes reagiert Miriam auf die neue Situation. Ständig fühlt sie sich in die Defensive gedrängt. Sie befürchtet, dass die trendige Galina sie bei ihren Kindern ausstechen wird und sie Emma mit ihren Outfit- und Schminktipps von ihr regelrecht entfremden könnte, und Sprüche wie „Alles richtig gemacht, alter und neuer Nachbar“ tragen das Übrige zu Miriams Sinneswandel bei: „Jetzt ist Schluss mit nett!“, beschließt sie. Doch aus dem geplanten „Rachefick“ und dem „Immer bin ich in der Unterzahl“ wird alsbald ein „Ich bin der Neue“ oder „‘Ich heirate eine Familie‘ war als Kind immer meine Lieblingsserie“ – was auch nicht so ganz nach Miriams Geschmack ist. Als Nächstes gerät die so grundentspannt wirkende Galina in den Fokus der (Selbst-)Kritik. Auf einmal findet Markus sie anstrengend, passiv-aggressiv mit ihrem ständigen „Da, wo ich herkomme“ oder „Ein richtiger Mann würde…“. Jetzt ist offensichtlich bei Galina Schluss mit cool. „Wenn du jetzt noch einmal Miri sagst, dann kannst du die Wand neu streichen.“ Die Dynamik der Dreier-Interaktion wird von Husmann ausgesprochen stimmig und vor allem auf leisen Sohlen entwickelt. Klar, dass irgendwann der Punkt kommen muss, wo sich das Ex-Ehepaar daran erinnert, dass früher nicht alles schlecht war und dass das Vertraute von damals heute einfach immer noch vertrauter ist. Ja, sie verfallen, nachdem das Chaos in der Nachbarschaft ausgebrochen ist, sogar nostalgisch in fast alte Zweisamkeit. Aber nur fast. „Durch dich bin ich echt zu dem geworden, der ich immer sein wollte … und dann zu dem, der ich nie sein wollte, den ich gar nicht mag“, erinnert sich Markus. Da kann Miriam nur zustimmen.
Foto: ZDF / Britta Krehl
Die Nachbarschaft und den anderen Kulturkreis, aus dem Galina kommt, in diese Dreiecksgeschichte mit Kindern und einem Notfall-Lover einzubauen, ist ein cleverer Schachzug. So wird der Liebes- und Elternalltag mit konkreten, keineswegs unrealistischen Problemen aufgeladen, die dem emotionalen Grundkonflikt das nötige Futter geben und das universale Beziehungsthema mit reichlich Zeitgeist versorgen. Wie hier das Umfeld karikiert wird, von der woken Helikoptermutter (Luise Wolfram) über das depressive Insolvenzopfer (Oscar Ortega Sánchez) bis hin zum unverbesserlichen Chauvi alter Schule (Niels Bormann), das harmoniert auf den ersten Blick nicht so ganz mit dem lockeren, alltagsnahen Umgangston der Hauptfiguren, doch je absurder der Beziehungsalltag wird, umso passender erscheinen die Comedy-haften Randereignisse. Auch die vielen Kommentare aus dem Off sind prinzipiell ein gutes Stilmittel, um dem Chaos Struktur & eine Meta-Ebene zu geben und die Dialoge von Beziehungsgemeinplätzen zu entlasten. Mit den Sinnsprüchen wie „Familie ist das einzige Gefängnis, das man sich selbst baut und von seinem eigenen Geld bezahlt“ oder „Liebe ist wie Alkohol – Du kannst erst richtig mitreden, wenn du mal so richtig besoffen warst“ übertreibt es Husmann jedoch ein bisschen in Richtung Mainstream-Humor. Andererseits passen solche Vergleiche zum Ansatz dieser Komödie, im Besonderen stets auch das Allgemeine zu sehen, wodurch die Zuschauer besser andocken können.
Soundtrack: Randy Newman („Falling In Love“), Mel Tormé („Comin‘ Home Baby“), Black Pumas („More Than A Love Song“), Mamamoo („Dingga“), Jonathan Jeremiah („Youngblood“), Bobby Hackett („I Found A New Baby“), Crucchi Gang, Francesco Wilkening & Marlene Schuen („Cavaliere d’argento“), Blur („Girls ans Boys“), Héroes del Silencio („Entre Dos Tierras“)
Wie immer in Filmen nach Husmann-Drehbüchern können sich auch die Dialoge hören lassen. In „Die Bachmanns“ stimmt vor allem das Spiel zwischen sympathischen, alltagsnahen, leicht pointierten Wortwechseln zwischen den Hauptcharakteren und den weniger aus- und ideologisch abgewogenen One-Linern der übrigen Nachbarschaftsmischpoke. Letztere sorgen immer wieder für heitere Explosiönchen zwischendurch. Da kriegt beispielsweise die verständnisvolle Miriam contra von der Nachbarin: „Für dich ist Hitler wahrscheinlich auch nur nicht lange genug gestillt worden.“ One-Liner kann aber auch Markus: „Nein, ich bin nicht überfordert, ich bin einfach nur geschieden.“ Einzeln betrachtet sind das keine Brüller. Und das ist gut so. Ein Satz gibt den nächsten, oder oft ist es einfach der filmische Flow, der schmunzeln macht. Das in Komödien gern als Qualitätskriterium angeführte Timing lässt sich hier auf allen Ebenen verfolgen. Und Regisseurin Miriam Bliese, die mit ihrem Arthouse-liken Beziehungsdrama „Die Einzelteile der Liebe“ (2017) die Phasen von Ver- und Entlieben wunderbar lakonisch erzählt hat, versteht es überraschend gut, das Karussell d’Amour auch Mainstream-tauglich anzuschieben. Die Top-Besetzung ist dabei ein Riesenpfund. Stefanie Stappenbeck und Oliver Wnuk, zwei Sympathieträger auf den ersten Blick, aber auch die weniger Komödien-erfahrene Natalia Belitski, gelingt der Spagat zwischen anschlussfähiger Geschichte, komischem Tonfall mit ein, zwei Rückfällen ins Melancholische und einem beiläufigen Umgangston, der beim Zuschauen gute Laune versprüht und einen sofort reinholt ins Geschehen. Markus: „Vielleicht wär’s eine ganz gute Idee, wenn ich wieder hier einziehe.“ Miriam irritiert: „Wie?!“ Markus stellt klar: „Nicht hier hier, sondern da hier“ (zeigt in Richtung Nachbarhaus). „Du? Hier?“ Markus: „Ja.“ Miriam: „Ne.“
Foto: ZDF / Britta Krehl