Weshalb sollte der Fondsmanager des Jahres mit einer Reinigungskraft über das Leben philosophieren? Vielleicht, weil sie ihm das Leben retten kann… Mehrfach hilft Carmen, optimistisch und warmherzig wie sie ist, Chris Melzer, dem Mann, der von allen Plakatwänden Wiens herunterlächelt, aus der Klemme. Innerhalb von 72 Stunden hat dieser Vorzeige-Banker alles verloren, was man verlieren kann: 158 Millionen Euro soll er veruntreut haben. Als er keinen Ausweg mehr weiß, auf seinem Designerschreibtisch stehend, einen Strick um den Hals, da stolpert Carmen mit ihren Reinigungsutensilien ins Büro – rettet dem Verzweifelten das Leben und nimmt den Pedanten, dem die U-Haft droht, mit in ihre Wohnung. Auch Carmen hat jede Menge Probleme: sie hat ein Konkursverfahren des Vaters ihrer Kinder am Hals. Nachdem Chris ihr in dieser Sache helfen konnte, ist Carmen wieder an der Reihe und muss noch einmal den Kopf des Mannes, in den sie sich verliebt hat, aus der Schlinge ziehen. Diese Hilfe könnte das Ende ihrer Freundschaft bedeuten. Denn wird sich der Top-Manager, sofern er rehabilitiert würde, noch an die gutherzige Putze erinnern?
Foto: SWR / ORF / Domenigg
Die Frage ist rhetorisch. Denn die SWR/ORF-Koproduktion „Die Abstauber“ spielt zur Weihnachtszeit und ist dazu noch eine Komödie – da werden doppelt Wünsche wahr. Österreichs Erfolgsautor Uli Brée hat, gemeinsam mit Gabriel Castaneda Senn, ein wunderbares Wohlfühlskript geschrieben, hat Dialogfolgen in bester Screwball-Comedy-Manier mit Mut zur Romantik kombiniert, und Wolfgang Murnberger hat das Ganze flüssig, mit gutem Timing und dem Blick fürs weihnachtliche Ambiente in Szene gesetzt. Der Mut, die Hauptrollen mit Misel Maticevic und Ursula Strauss zu besetzen, wurde belohnt: der smarte Grimme-Preisträger macht sich gut als sanfter Top-Banker mit Hygienetick. Ein Lächeln – und man kann durchaus nachvollziehen, dass dieser Mann vom anderen Ende der Einkommenspyramide dieser stolzen alleinerziehenden Mutter mit dem etwas anderen Werte-System gefallen kann. Das gilt ebenso für Ursula Strauss, die seit der Altenheim-Komödie „Die Spätzünder“ ein häufig gesehener Gast ist in österreichisch-deutschen Koproduktionen. Legten schon ihre Leistungen in „Die Aufschneider“ und „Spuren des Bösen: Racheengel“ Vergleiche mit Nina Kunzendorf nahe, so setzt die gelernte Theaterschauspielerin in „Die Abstauber“ ihren Aufstieg zur besten österreichischen Schauspielerin (Romy 2010 & 2011) mit psychophysischem Tempo fort: Sie spielt ihre Frau, die man – schon vom Drehbuch her – gernhaben muss, mit so viel Lebendigkeit, Witz, Ironie und Herzenswärme, reich an Zwischentönen und Brechungen, dass man diese Carmen einfach nur lieben kann.
Der Wortwitz ist das A&O von „Die Abstauber“:
Carmen: „Ich muss jetzt auf jeden Fall in die Vorlesung…“
Chris: „Vorlesung?“
Carmen: „Ja, Sie wissen ja, ich bin Putzfrau – da muss man mir alles vorlesen. Soll ich was mitbringen?“
Chris: „Ja, 158 Millionen.“
Carmen: „Sie haben Ihren Humor wiedergefunden. Das ist ein Anfang.“
Foto: SWR / ORF / Domenigg
Carmens Kinder haben auch einen eigenen Humor:
Vinzenz (betrachtet den schlafenden Chris): „Vielleicht ist der tot.“
Nadja: „Tote riechen nicht aus dem Mund.“
Vinzenz: „Ich find, er riecht, wie wenn er tot wäre. Vielleicht hat er etwas Totes im Mund…“
Die Chemie zwischen dem Paar ist das Reizvollste an dieser insgesamt sehr gelungenen, märchenhaft romantischen Komödie, in der nicht nur die Helden das Herz am rechten Fleck haben, ohne trutschige Degeto-Genre-Klone zu sein, sondern in der auch soziale Moral verabreicht wird – und zwar so, dass man das als „aufgeklärter“ Zuschauer gut ab kann. Auch das in Komödien von der Stange überstrapazierte Hund-und-Katz-Muster wird bei Brée & Co einmal nicht bemüht – schließlich geht es um Leben und Tod. Da ist Wortwitz als Überlebensstrategie einfach angemessener! So gut funktionierende, atmosphärisch dichte romantische Beziehungskomödien, die einfach nur gut(!) unterhalten wollen, gibt es nicht häufig im deutschen Fernsehen. Eine war vor einigen Jahren „Das Zimmermädchen und der Millionär“ mit einer ähnlichen – weniger sozial relevanten bedeutsamen – Grundkonstellation. Damals spielte Maticevic den Millionär. Der Film war ein enormer Quotenerfolg. Interessant ist, dass beide Filme das Beziehungsmuster aus DER Hollywood-Romanze der letzten 20 Jahre variieren: „Pretty Woman“. Ob das Erste deshalb auf hohe Einschaltquoten hoffen darf?