Der Wien-Krimi – Blind ermittelt: Die toten Mädchen von Wien

Hochmair, Guenther, Erceg, Chaabane. Wenn ein Blinder mit einem Sehenden...

Foto: Degeto / Philipp Broszek
Foto Volker Bergmeister

Der Held des neuen deutsch-österreichischen Krimis „Blind ermittelt – Die toten Mädchen von Wien“ (ARD / Mona Film) tappt in doppeltem Sinn im Dunkeln. Er ist blind und er steht vor einem Fall, der ihm Rätsel aufgibt. Um ihn zu lösen, sucht er die Hilfe eines cleveren Taxifahrers mit Berliner Schnauze. Gemeinsam kommen sie einem Mordkomplott auf die Spur und kämpfen in einem Entführungsfall um das Leben junger Frauen. Der Debütfilm von Jan Ben Chaabane (Serie „Culpa“) bietet spannende Unterhaltung und zeigt Philipp Hochmair („Vorstadtweiber“) und Andreas Guenther als unkonventionelles Ermittler-Duo.

Was für ein Liebesglück: Sie turteln, er kniet vor ihr, hat ein Geschenk. Sie öffnet es, es ist ein Schlüssel. „Wofür ist der?“, fragt sie. Er lächelt: „Na, komm mit“. Sie steigt ins Auto, er entdeckt auf dem Balkon eines Hauses einen Mann, den er kennt. Er geht ein paar Schritte vom Auto weg, dann ein Knall, das Auto steht in Flammen. Er fliegt auf den Boden, öffnet die Augen. Dann folgt eine Schwarzblende. Und von da an herrscht Dunkelheit im Leben des Chef-Inspektors Alexander Haller. Zwei Jahre später hat ihn die Vergangenheit noch immer nicht losgelassen: Mittlerweile ist er kein Ermittler mehr, doch er gibt sich weiter die Schuld am Tod seiner Lebensgefährtin, Staatsanwältin Kara Hoffmann (Anna Rot). Haller glaubt, der Anschlag galt ihm. Und dann steht plötzlich der mutmaßliche Drahtzieher von damals (Stipe Erceg) vor ihm. Er ist aus dem Gefängnis getürmt – und behauptet, nichts mit dem Anschlag zu tun zu haben. Der wahre Täter läuft also immer noch frei herum. Haller beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, weil seine Nachfolgerin (Jaschka Laemert) und Oberstaatsanwalt Pohl (Johannes Silberschneider) ihn aus den Ermittlungen raushalten wollen.

In Österreich wird munter mit Kommissar-Figuren experimentiert. In der Reihe „Die Toten von Salzburg“ setzt man einen Ermittler in den Rollstuhl, in „Blind ermittelt“ nimmt man dem Wiener Ex-Chef-Inspektor Alexander Haller (Philipp Hochmair) das Augenlicht. Der Held des neuen deutsch-österreichischen Krimis „Blind ermittelt – Die toten Mädchen von Wien“ tappt in doppeltem Sinn im Dunkeln. Der Figur des blinden Ermittlers hat man eine interessante Person zur Seite gestellt: den vorbestraften Berliner Taxifahrer Nikolai Falk, den es nach Wien verschlagen hat und der Hallers sehender Helfer wird („Sie machen all das, was ich nicht kann“). Falk bewahrt Haller vor dem Selbstmord und nach dieser kuriosen Zufallsbegegnung bittet der ihn, sein Chauffeur zu werden. Ohne Polizeimarke und mit unkonventionellen Methoden begeben sie sich auf die Suche nach einem Mörder mit einer bizarren Leidenschaft und einem Mädchenhändlerring, der Frauen aus Osteuropa nicht in die Prostitution zwingt, sondern ihnen nach dem Leben trachtet. Eine spannende Story, die die Autoren Ralph Werner und Don Schubert da entwickelt haben. Die aber erst durch die beiden Hauptfiguren über das hinaus geht, was man als eine durchschnittlichen Krimi-Plot bezeichnen würde.

Philipp Hochmair, feste Figur in der Austria-Erfolgsserie „Vorstadtweiber“, und Andreas Guenther, der zum Team des Rostocker „Polizeiruf 110“ gehört, bilden als Haller und Falk ein Duo, das nicht verkrampft unterschiedlich sein will, gut harmoniert und sich munter die Bälle zuwirft. „Tut das eigentlich weh, das Blind sein?“, fragt Falk neugierig, um gleich nachzulegen: „Also, wir sehen uns dann unten… – also ich“. Haller lässt ihn gewähren, aber gibt ihm klare Regeln und Anweisungen: „Es gibt zwei Tabus für Sie – meine Platten und meine Schwester“. Die führt das Hotel, das Haller und sie von den Eltern geerbt haben, und in dem Haller auch wohnt. Und auf die hat Falk sogleich ein Auge geworfen, erst recht, als auch er dort ein festes Zimmer bekommt, nachdem er keine Bleibe mehr hat. „Was sehen sie?“ ist der Satz, den Haller am häufigsten in den Mund nimmt. Falk soll ihm den verlorenen Sinn ersetzen. Aber, wie das bei Menschen ist, die auf einen Sinn verzichten müssen, dieser Nachteil hat auch einen Vorteil: Die anderen Sinne werden noch mehr geschärft. Und so hört Haller sogar, wenn im Nebenraum etwas gesprochen wird. Und auch sein Tastsinn ist enorm ausgeprägt. Er kann Schallplatten an der Rillenführung erkennen, was ihm – so viel darf verraten werden – bei der Lösung des Falles eine wesentliche Hilfe ist. Auch der Einsatz und der Umgang mit Blindenschrift spielt eine wesentliche Rolle bei den Ermittlungen.

Hallers besondere Fähigkeiten als Blinder weiß Regisseur Jano Ben Chaabane, der mit „Blind ermittelt – Die toten Mädchen von Wien“ seinen ersten Langfilm gedreht hat, geschickt in die Handlung einzusetzen. Bisher hat Chaabane mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf Erfolgsformate wie „Circus HalliGalli“ und „Duell um die Welt“ realisiert und entwickelt und 2017 sein Serien-Debüt als Regisseur, Headwriter und Showrunner mit der ersten deutschen NBC Universal-Produktion „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ gegeben. Hier gelingt ihm eine temporeiche und stimmige Inszenierung mit einer außergewöhnlichen Bildsprache. Die Kamera (Tobias Koppe) ist ruhig, er setzt auf große Bilder, alles ist leicht überhöht. Die Stadt Wien ist markant aber nicht aufdringlich eingefangen. Und die Locations – nicht zuletzt die Villa, in der der Showdown stattfindet – bieten von morbid bis modern die ganze Palette einer einzigartigen Metropole. Kein Krimi, der einen vom Hocker reißt, aber ein etwas anderes jener beliebten ungleichen Duos, das Spaß macht und aus dem noch viel herauszuholen ist – „Blind ermittelt“ kann man sich gut als Reihe oder Serie vorstellen. (Text-Stand: 15.4.2018)

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Reihe

ARD Degeto, ORF

Mit Philipp Hochmair, Andreas Guenther, Stipe Erceg, Patricia Aulitzky, Johannes Silberschneider, Anna Rot, Jaschka Lämmert, Barbara Prakopenka, Michael Edlinger, Manuel Sefciuc, Aleksandar Petrovic, Mila Böhning

Kamera: Tobias Koppe

Szenenbild: Katharina Hering, Nina Salat

Schnitt: Felix Rudek

Musik: Tim Schwerdter

Redaktion: Sascha Mürl, Sascha Schwingel (ARD Degeto), Andrea Bogad-Radatz, Nina Fehrmann-Trautz (ORF)

Produktionsfirma: Mona Film

Produktion: Thomas Hroch, Gerald Podgornig

Drehbuch: Ralph Werner, Don Schubert

Regie: Jano Ben Chaabane

Quote: 5,25 Mio. Zuschauer (20,4% MA); Wh. (2020): 3.97 Mio. (16,7% MA)

EA: 05.05.2018 20:15 Uhr | ARD

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