Der Weg nach San José

Ursula Karven, Filip Peeters, Hardi Sturm, Roland Suso Richter. Liebe auf der Flucht

Foto: ZDF / Roland Suso Richter
Foto Tilmann P. Gangloff

„Der Weg nach San José“ ist ein sehenswertes Melodram über eine Frau, die ihren Mann beim Seitensprung mit ihrem besten Freund erwischt, nach Spanien flieht und dort versucht, ihre völlig durcheinander geratene Gefühlswelt in Ordnung zu bringen. Geschickt nutzt das Drehbuch das Motiv der Reise als Suche nach dem Weg zu sich selbst. Ein wirkungsvolles visuelles Konzept sorgt für eine klare Trennung zwischen dem alten und dem neuen Ich.

Für einen Sonntagsfilm im ZDF ist dieser Stoff höchst ungewöhnlich. Dass eine Frau ihren Mann beim Seitensprung ertappt, passt zwar ohne weiteres ins Konzept des „Herzkinos“, schließlich schließt das Etikett durchaus auch Herzschmerz mit ein. Dass es sich beim Sex-Partner des Gatten um ihren besten Freund handelt, dürfte dagegen ein Novum am Sonntagabend im ZDF sein. Andererseits ist es nicht überraschend, dass „Der Weg nach San José“ aus dem Rahmen fällt: Regie führt immerhin Roland Suso Richter und Produzent ist Nico Hofmann; die beiden haben für diesen Film zum achten Mal zusammengearbeitet. Auch wenn diese Selbstfindungsmär nicht die politische Dimension früherer Werke wie „Dresden“, „Das Wunder von Berlin“, „Mogadischu“ oder „Die Grenze“ haben kann, so wecken diese  Namen selbstredend die Erwartung, dass sie das Spektrum des Sendeplatzes erweitern.

Der Weg nach San JoséFoto: ZDF / Roland Suso Richter
Sex gehört auch zu Hannahs Selbstfindungsprozess. Ursula Karven, Steve Windolf

Zunächst entwickelt sich die Handlung jedoch erwartbar: Hannah (Ursula Karven) nimmt kurzerhand den nächsten Flug nach Spanien. Im Flugzeug lernt sie Santiago (Alessandro Bressanello) kennen, einen hilfsbereiten älteren Herrn, der sie auf seine Hazienda einlädt. Dort weckt ein Hengst ihre Aufmerksamkeit: Das undressierbare Tier trägt den Namen El Loco (der Verrückte) und soll getötet werden. Als der Rappe auf Hannah ganz handzahm reagiert, schlägt sie Santiago vor, das Pferd in einem 200 Kilometer entfernten Naturpark auszuwildern. Auf dem Ritt dorthin resümiert sie die Beziehung zu Sebastian (Filip Peeters).

„Der Weg nach San José“ kombiniert zwei beliebte Motive: hier der Vertrauensbruch und die daraus resultierende Sinnkrise, dort die Selbstfindung in Form einer Heldinnenreise. Das visuelle Konzept, dass Richter gemeinsam mit Kameramann Clemens Messow erarbeitet hat (beide haben gemeinsam „Die Spiegel-Affäre“ gedreht), mag schlicht wirken, erfüllt aber seinen Zweck: Die Rückblenden sind in kühlem Graublau gehalten, die spanische Gegenwart ist freundlich, hell und warm. Einige Vorfälle in ihrer Zeit mit Sebastian sieht Hannah nun in einem buchstäblich anderen Licht. Viele dieser Augenblicke sind bloß kurz angespielt. Eine längere Szene wirkt daher fast schon unsubtil: Hannahs Freund Erik (Simon Böer) vertraut ihr ein betriebliches Detail an, das Sebastian betrifft. Sie stellt ihn zur Rede, er gesteht, vor diesem Moment habe er sich gefürchtet; dabei geht es um etwas völlig Harmloses.

Der Weg nach San JoséFoto: ZDF / Roland Suso Richter
Der Althippie Piet (Peter Prager), den Hannah auf ihrer Reise zu sich selbst trifft, plädiert für ein Leben ohne Grenzen – auch in einer Beziehung – und für freie Liebe.

Die Frage, ob Hannahs Schock gewissermaßen noch potenziert wird, weil Sebastian sie mit einem Mann betrogen hat, wird nur am Rande thematisiert; natürlich fragt sie sich (und ihn), ob seine Freude am Sex mit ihr auch eine Lüge war. Hardi Sturm (Sat-1-Reihe „Im Alleingang“) wirft in seinem Drehbuch zu „Der Weg nach San José“ dafür ganz andere grundsätzliche Fragen auf. Zu diesem Zweck konfrontiert er Hannah im Verlauf ihrer Reise mit verschiedenen Menschen, die sich nicht nur als unvoreingenommen hilfsbereit erweisen, sondern auch für Denkanstöße sorgen. Als erstes trifft sie einen attraktiven Radfahrer (Steve Windolf), der sie in der nächtlichen Steppe vor einer giftigen Schlange rettet. In einem Kloster begegnet sie einer unheilbar kranken jungen Frau (Henriette Heinze), die angesichts des nahen Todes von großer Gelassenheit erfüllt ist. Und schließlich hilft ihr der Althippie Piet (Peter Prager), als sich das Pferd verletzt. Piet erklärt ihr, man solle sich innerhalb einer Beziehung gegenseitig keine Grenzen setzen. Hannah dagegen ist überzeugt, ohne Regeln breche alles zusammen, auch wenn ihre Seelenverwandtschaft zu El Loco eigentlich etwas Anderes nahe legt; prompt bleibt es bei der nächsten Begegnung mit dem Radfahrer nicht bloß beim Flirten.

Dank Richters Führung und der Erfahrung der routinierten Schauspieler sind die Gesprächsszenen ungemein glaubwürdig; gerade das Dialogduell zwischen Hannah und Piet wirkt ungemein lebensecht. Gleiches gilt für die finale Auseinandersetzung mit Sebastian, der nach Spanien gereist ist, um die Beziehung zu retten. Sehenswert ist „Der Weg nach San José“ aber auch wegen Messows Naturaufnahmen, die keineswegs plump Hannahs Gefühle illustrieren, sondern einfach nur den Hintergrund für ihre Reise bilden. Auch die oft ganz sparsam instrumentalisierte Musik passt ausgezeichnet zur Stimmung dieses Films.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Ursula Karven, Filip Peeters, Steve Windolf, Simon Böer, Henriette Heinze, Peter Prager, Alessandro Bressanello, Alicia Gomez

Kamera: Clemens Messow

Szenenbild: Jörg Prinz

Schnitt: Benjamin Kaubisch

Musik: Michael Regner, Matthias Klein

Produktionsfirma: UFA Fiction

Drehbuch: Hardi Sturm

Regie: Roland Suso Richter

Quote: 4,09 Mio. Zuschauer (11,9% MA)

EA: 28.09.2014 20:15 Uhr | ZDF

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