Am 21. September 1957 traf der legendäre Viermaster Pamir südwestlich der Azoren auf den Hurrikan Carrie. In kürzester Zeit geriet das angeblich unsinkbare Segelschulschiff in Schräglage und riss nach vierstündigem Kampf 80 Mann der Besatzung in die Tiefe. Nur sechs überlebten. Der Untergang der Pamir war ein erster Schock der Wirtschaftswunderjahre: Ausgerechnet der Stolz der deutschen Handelsflotte sorgte für eine der größten Schiffskatastrophen. Für Deutschlands Elite-Kadetten war die Reise auf dem Großsegler der Sprung ins kalte Wasser. Am Ende geriet er zur tragischen Metapher.
Im Zuge von Katastrophenfilmen wie „Sturmflut“ oder „Das Wunder von Lengede“ hat sich nun die ARD, bislang eher zurückhaltend in Sachen TV im Kinoformat, an dem Stoff versucht. „Wir wollten keinen Doku-Fiction-Film machen, sondern eine menschliche, dramatische Geschichte erzählen“, sagt der Drehbuchautor Fritz Müller-Scherz. Bewusst hat er mit keinem der drei noch lebenden Opfer des Unglücks gesprochen. Er wollte sich die nötige „innere Freiheit“ bewahren. Denn: „Was an Bord in den letzten Stunden tatsächlich geschah, weiß ohnehin niemand genau“, so der Autor, der selbst auf einem Segler geboren und dort aufgewachsen ist. Die Geschichte der Pamir trug er viele Jahre mit sich herum. Es steht ihm heute noch deutlich vor Augen, wie er als Zwölfjähriger an Bord seines „Familienschiffs“ im Radio die schreckliche Nachricht vom Untergang hörte. „Als seeerfahrener Junge identifizierte ich mich sofort mit den Kadetten“, erinnert sich Müller-Scherz. „Ich sah sie vor mir, wie sie im Ozean in haushohen Wellen um ihr Leben kämpften.“
Foto: NDR / Marion von der Mehden
Das dramaturgische Muster, nach dem er das reale Drama in zwei Teile zerlegt hat, kennt man von Hollywood und seinen deutschen Epigonen. Im Zentrum eine handvoll Figuren, die einen durch den Film führen, stets auf Abruf das passende Gefühl. Da ist der emotional und existenziell gebeutelte Bootsmann, der seine kleine Tochter allein lässt. Da ist der smarte 1. Offizier, der Unheil wittert, aber gegen das Autoritätsgehabe des ebenso überforderten wie starrsinnigen Kapitäns machtlos ist. Auch unter den jungen Seeleuten hat er sich einige herausgesucht, die besonders präsent sind. Insbesondere ein Adelsspross, der in der letzten Nacht vor dem Auslaufen der Pamir noch rasch eine jungfräuliche Bürgerstochter geschwängert hat. Neben der bedrohlichen See ist also auch privat viel Dramatik drin, angeheizt durch Gesichter, mit denen Identifikation Ehrensache ist: Klaus J. Behrendt, Jan Josef Liefers, Dietmar Bär und Tilo Prückner präsentieren sich als echte Seebären. Dazu der Kommentar von Regisseur Kaspar Heidelbach: „Ich hatte meinen Spaß daran, dass der ‚Tatort’ auf einem Segelschiff unterwegs ist.“
Gedreht wurde vier Wochen vor Teneriffa auf einem russischen Segelschulschiff. An Bord waren nicht nur 20 Schauspieler und das 50-köpfige Filmteam, sondern auch 120 russische Kadetten und 80 Mann Besatzung. Selbst die „Stars“ wurden in Sechser-Kabinen mit Stockbetten untergebracht. Auch der Dreh des Hurrikans hatte es in sich. Entstanden sind die Szenen in einem Riesen-Bassin auf Malta. Ein Teilstück des Schiffs wurde in Originalgröße nachgebaut, hier hingen die Schauspieler stundenlang in den Seilen, umspült von künstlich erzeugten Orkanwellen. Bemerkenswert: Es wurde vollständig auf Computertricks verzichtet. (Text-Stand: 17.11.2006)