Mit dem Hausmärchen der Brüder Grimm hat das Drehbuch von Su Turhan („Ayla“) nur die Titelfigur gemein, aber das macht gar nichts, weil der Schöpfer der Romanreihe „Kommissar Pascha“ eine kurzweilige Geschichte mit einer modernen Hauptfigur ersonnen hat; und das ist keineswegs der starke Hans, sondern die unerschrockene Prinzessin Sarah. Dass das Mädchen von Bianca Nawrath („Das Wichtigste im Leben“, „Papa hat einen Plan“; zuletzt auch in der ARD-Serie „Falk“) verkörpert wird, ist ein weiterer Einschaltgrund. Glücklicherweise hat Regisseur Matthias Steurer den Titelhelden ähnlich markant besetzt: Lucas Reiber hat in dem Krimidrama „Die Mutter des Mörders“ sehr überzeugend einen geistig behinderten Junge verkörpert, der ein Mädchen ermordet haben soll; hier ist er als Kraftprotz mit verführerischen Grübchen ein absolut glaubwürdiges Objekt der adeligen Zuneigung.
Sarah und der Schmiedgeselle Hans würden ein in beinahe jeder Hinsicht perfektes Gespann bilden; wenn da nicht der unüberbrückbare Standesunterschied wäre. Aber Sarahs Zukunft ist ohnehin längst beschlossene Sache: Sie ist Waise und hat bislang noch jeden Antrag abgelehnt; deshalb hat ihr Vormund eine Verbindung mit Herzog Egbert (Simon Jensen) eingefädelt. Den jungen Mann fand die Prinzessin bereits als Kind ziemlich unerträglich; schon damals hat sie sich beim Hochzeitsspiel für den stets gutgelaunten und immer hilfsbereiten Hans entschieden. Nun ist aus dem schnöseligen Jungen ein geckenhafter Lackaffe geworden, der doch tatsächlich glaubt, er könne Sarah mit einem Kästchen voller bunter Klunker beeindrucken. Als sie ihn ein zweites Mal abweist, besinnt er sich eines Bundes, den er nach der ersten Demütigung mit der Hüterin des Waldes (Jeanette Hain) geschlossen hat. Nun erneuern die beiden sinistren Gestalten ihren Pakt: Die dämonische Forstfrau wird Sarah dazu bringen, Egbert zu heiraten; im Gegenzug wird er dafür sorgen, dass sich die Menschen fortan den Wald meiden.
Natürlich gibt es keinen Zweifel daran, dass die ebenso mutige wie kluge Sarah heil aus der Sache rauskommt, aber als die Waldhüterin die Quelle des Dorfes versiegen lässt, bleibt ihr scheinbar keine andere Wahl, als Egbert zu ehelichen. Zwar stellt sich die Frage, warum die Frau, die ungebetene Besucher durch zwei Luftgeister verscheuchen lässt, den Menschen nicht schon längst das Wasser abgestellt hat, aber der erfahrene Regisseur Matthias Steurer hat Turhans Drehbuch so flott umgesetzt, dass diese kleine Logiklücke kaum ins Gewicht fällt, zumal Sarahs Dilemma ungleich schwerer wiegt: Wenn sie sich nicht für ihre Untertanen opfert, wird das Vieh verdursten; dass Egbert das Dorf so oder so evakuieren wird, kann sie ja nicht ahnen. Zum Glück ist Hans, der schon seine Wanderjahre begonnen hatte, noch mal umgekehrt, um das Mysterium der versiegten Quelle zu klären.
Ähnlich gut wie die Hauptfiguren ist auch das schurkische Gespann besetzt: Jeanette Hain passt perfekt als Waldhexe, die zwar immer wieder mal ein bedrohliches Grollen von sich gibt, aber im Grunde das Gute will. Ihre Rolle lässt sich problemlos als Beschützerin interpretieren, die sich mit allen Mitteln dagegen wehrt, dass sich die lärmenden Menschen immer mehr ausbreiten und jede Achtung vor der Natur verloren haben; und so empfindet Sarah am Ende sogar Mitgefühl mit der Hüterin. Da sich Bianca Nawrath ohne Übertreibung in einem Atemzug mit berühmten Kolleginnen wie Natalie Portman oder Alicia Vikander nennen lässt, gebührt Simon Jensen eine gewisse Parallele zum jungen Benedict Cumberbatch; jedenfalls versieht er seinen gern in Schwarz gekleideten verschlagenen Herzog mit genau dem richtigen Charisma für solch’ eine Rolle. Für die komischen Momente sorgen drei Nebenfiguren: Im Wald treiben zwei etwas unterbelichtete Hobbit-Gestalten (Jonas Minthe, Stephan A. Tölle) ihr Unwesen, und Egberts Diener (David Vormweg) muss gleich zweimal aus Versehen eine Goldmünze verschlucken. Während die Geister der Waldhüterin an Ballons erinnern, die dank der entweichenden Luft durch die Gegend sausen, ist ihr leuchtender Umhang imposant.
Die visuellen Effekte drängen sich aber ohnehin nicht in den Vordergrund, dafür schätzt Steurer offenkundig viel zu sehr die Arbeit mit den Schauspielern. Ungleich eindrucksvoller ist zum Beispiel ein beachtlich choreografiertes Duell zwischen Sarah und Egbert, wobei sie mit dem Wanderstab von Hans dem Degen des Herzogs trotzt. Der Regisseur hat gerade für die ARD-Tochter Degeto schon einige herausragende Komödien („Kleine Schiffe“, „Vier kriegen ein Kind“) gedreht. Auf Vorlagen Turhans basierte bereits sein ARD-Märchen „Prinzessin Maleen“ (2015) sowie der zweite „Paschakrimi“, „Bierleichen“ (2017).