„Warum ausgerechnet eine Insel!?“ Marvin Feldmann hasst Wasser und ist deshalb gar nicht begeistert, dass ihn seine Chefin auf die finnischen Schären schickt. Der nüchterne Bürokrat, Mitte 50, ist Rekordbeobachter für das berühmte „Buch der Rekorde“. Für andere ein Traumjob, für Feldmann haben diese Reisen an Orte, an denen Menschen „für einen kleinen Fetzen Unsterblichkeit“ alles geben würden, längst etwas Desillusionierendes angenommen – und für ihn selbst bekommen diese Reisen etwas vom Grau des Alltags. Die Reise nach Föglö wird anders werden. Feldmann muss den Rekordversuch eines Jungen kontrollieren, der einen flachen Stein 52 Mal auf dem Wasser springen lassen kann. Der Rekordbeobachter glaubt nicht daran, dass es Elias schaffen wird. „Kinder überschätzen sich“, konstatiert der Deutsche kühl. Doch als er hört, dass dieser Junge wegen eines angeborenen Aneurysma seit Jahren mit einem Bein im Grab steht und dass die Eltern ihm jede Anstrengung, aber auch jeden Spaß verbieten, kann auch er nicht umhin, die äußerst strengen Regeln des „Buchs der Rekorde“ ein wenig lockerer auszulegen. Und irgendetwas, was Feldmann offenbar noch nie so richtig erlebt hat, hat auch Elias reizende Tante Fanny an sich.
„Rekordbeobachter beobachten Rekorde. Sie zählen, sie messen – höher, weiter, länger, tiefer. Daten, Ergebnisse, Zahlen.“ So umschreibt der Held des Fernsehfilms „Der Rekordbeobachter“ seine Aufgabe. Aus dieser Aufgabe hat sich für ihn eine emotionslose Art und Weise, die Welt zu sehen, ergeben. Ein Pedant, den die Zahlen auffressen. Und der wie einst William Hurts Reiseführer-Autor in „Die Reisen des Mr. Leary“ alles andere als gerne unterwegs ist. Axel Milberg spielt diesen Marvin Feldmann weder als nur komischen Kauz noch als allseits reduzierte Persönlichkeit auf dem Weg ins absehbare Glück. Der Schauspieler verleiht seinem Rekordbeobachter eine enorme menschliche Bandbreite. Aus dem Profi-Beobachter wird in der meditativen Landschaft Föglös ein Menschenbeobachter, der mithilfe eines kranken Jungen und einer lebenslustigen Frau die Welt, das Leben, neu entdeckt. Der ständig Flüchtende hat es auf einmal gar nicht mehr so eilig, wegzukommen. „Bin ich das?“, sinniert er schmunzelnd. „Tanzen, Lachen, Singen. Ich glaube, ich will mehr davon…“
Axel Milbergs Marvin Feldmann und die Liebe:
„Wussten Sie, dass der längste Kuss aller Zeiten 30 Stunden 49 Minuten und 23 Sekunden gedauert hat?! Wussten Sie das? Und dass das älteste Brautpaar der Welt am 1. Februar 2002 im Alter von 96 und 94 Jahren geheiratet hat? Manchmal dauert es ein bisschen länger, bis man die richtige Liebe findet.“
Dieser Film ist ein Kleinod auf dem Freitagssendeplatz in der ARD. Ein intelligenter Film, der es ernst meint mit der Entspannung an der Schwelle zum Wochenende. Ein sehr homogener Erzählrhythmus, der immer wieder Zeit für lakonische Accessoires findet, ein finnisches Sprichwort, „Krieg der Sterne“-Phrasen oder Kaurismäki-Zitate (die schrägen, rockmusikalisch beschallten Straßenkreuzer), ergibt sich aus Landschaft und Wetter, aus Typen und Charakteren. Es wird viel getrunken. Nach dem größten Saufgelage kündigt ein Insert den „Tag, nach dem langen Schlaf“ an. Es folgen „der Tag der Abenteuer“ und „der Tag der Wunder“. Alles fließt schön lakonisch in diesem Film. So ausgedacht der Plot am Anfang auch erscheinen mag – „Der Rekordbeobachter“ bebildert nicht wie so viele Unterhaltungsfilme seine Konflikte, sondern erzählt seine Geschichte konzentriert aus dem Zentrum, der Titelfigur, heraus. Selbst das leistungsorientierte Rekordprinzip wird am Ende gebrochen und in einem wunderbar phantasievollen Happy End aufgelöst. Außerdem finden die Schären in Kameramann Hermann Dunzendorfer („Ein halbes Leben“) ihren Meister und einige stimmungsvoll eingestreute Songs unterstreichen den guten Geschmack, den der Film von Karola Hattop auf allen Ebenen offenbart. (Text-Stand: 11.4.2012)