In seiner ursprünglichen Version ist das vor rund 140 Jahren entstandene Heimatdrama von Ludwig Anzengruber ein Bauerntheater-Stück mit Gesang. Aufs Liedgut hat diese zeitgenössische Ausgabe des vielfach verfilmten Volksstücks „Der Meineidbauer“ jedoch verzichtet, und auch sonst hat die Adaption von Erich Tomek (Drehbuch) und Joseph Vilsmaier (Regie) nicht mehr viel mit der wuchtig realistischen Vorlage zu tun.
Streng genommen erinnern nur noch die Grundzüge der Handlung an den bayerischen Bühnenklassiker: Magd Anna (von Borsody) liebt den Bauern Karl (Herz-Kestranek), und der liebt sie auch, was seinem Bruder Franz (Halmer) allerdings überhaupt nicht passt. Die Bruckner-Brüder bewirtschaften den Hof gemeinsam, und Franz will mit allen Mitteln verhindern, dass Karl und Anna heiraten; er hält die Magd für eine Erbschleicherin. Als Karl bei einem Unfall stirbt, sucht Anna vergeblich nach seinem letzten Willen. Franz schwört vor Gericht, dass es kein Testament gebe, und jagt Anna vom Hof. Jahre später kehrt sie zurück, um den Bauern, der womöglich auch ein Brudermörder ist, des Meineids zu überführen.
Hier die stimmigere „Meineidbauer“-Verfilmung mit Heidemarie Hatheyer, Carl Wery & Christiane Hörbiger von 1956.
Die beste Idee der Verantwortlichen bestand darin, die Geschichte in der Gegenwart anzusiedeln. Autor Tomek hat Anzensgruber Stück kräftig entschlackt, einen Großteil des Personals gestrichen und die Handlung dafür um neue Figuren ergänzt. Sie wird auf diese Weise überschaubarer, aber auch schlichter. Im Grunde fügt sich „Der Meineidbauer“ nun in die übliche Dramaturgie der von der ARD-Tochter Degeto in Auftrag gegebenen Heimatfilme ein. Dass sich Annas Tochter Marie und der Toni vom Franz ineinander verlieben, ist als „Romeo und Julia“-Zitat eine übliche Zutat solcher Produktionen. Der nötige Eifer ist den jungen Darstellern nicht abzusprechen, aber gemessen an einem Kaliber wie Halmer, der einen kapitalen Schurken abgibt, wirken beide darstellerisch doch etwas unbedarft. Sehenswert ist auch Max Tidof als tragische Figur der Geschichte: Knecht Ignaz erpresst seinen Chef, wird mit dem ergaunerten Vermögen aber nicht glücklich und ergibt sich der Trunksucht.
Sieht man davon ab, dass sich der Zeitsprung zwischen dem Meineid und Annas Rückkehr wie mindestens zwanzig und nicht bloß zwölf Jahre anfühlt, ist die Übertragung der Handlung in die Neuzeit durchaus überzeugend. Umso bedauerlicher, dass Tomek und Vilsmaier dem Genre ansonsten treu bleiben, erst recht, wenn man bedenkt, welch kraftvolles Werk dem Regisseur einst mit „Herbstmilch“ (1988) gelungen ist; und seine Version der „Geschichte vom Brandner Kaspar“ (2008) trug nicht zuletzt dank Michael Herbig sogar anarchische Züge. Buch und Regie hätten den Heimatfilm ja nicht unbedingt neu erfinden müssen, aber „Der Meineidbauer“ ist doch überaus konventionell ausgefallen; es wäre interessant gewesen, was jemand wie Hans Steinbichler („Hierankl“) aus dem Stoff gemacht hätte.
Etwas enttäuschend ist auch die Bildgestaltung. Zwar ist die imposante Landschaft der Osttiroler Alpen immer wieder sinnvoll in die Handlung integriert, und natürlich sorgt Vilsmaier für grandiose Einstellungen; gerade die Zeitraffersequenz nach dem Tode Karls ist imposant. Ansonsten aber unterscheidet sich seine Kameraarbeit etwa bei den Flugaufnahmen kaum von dem auf diesem Sendeplatz gewohnten Standard. (Text-Stand: 29.8.2013)