Der Ballermann – Ein Bulle auf Mallorca

Tobias Licht ist kein Henning Baum und dieser RTL-Pilotfilm eine einzige Beleidigung des Zuschauers

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Foto Rainer Tittelbach

Tobias Licht spielt im RTL-Actionkrimi „Der Ballermann – Ein Bulle auf Mallorca“ Tom Hammer. „Hammer“ ist keiner von beiden, eher behämmert! Das Genre ist wie es ist; da darf man nicht viel Story erwarten. Aber auch was Action und vor allem die Inszenierung angeht, ist diese action-concept-Produktion unterirdisch. Und weil „der mit dem Hammer“ keinen Partner hat, nicht mal einen Hund oder ein sprechendes Auto, und weil die Bilder nichts hergeben, muss er die ganze Zeit den Zuschauer belabern. Filmischer Offenbarungseid!

„Kennen Sie das auch? Es gibt so Tage, da flüstert Ihnen eine innere Stimme zu, einfach liegen zu bleiben, aber die Pflicht ruft lauter. Willkommen in meinem Leben. Ein Tag wie jeder andere.“ In Anlehnung an diesen ungelenken Einführungssatz des RTL-Pilotfilms „Der Ballermann – Ein Bulle auf Mallorca“ kann man nur stöhnend sagen: „Kennen Sie das auch? Es gibt so Filme, da brüllt Ihnen eine innere Stimme zu, ausschalten, sofort ausschalten, und diese innere Stimme sagt mir als Kritiker, es gibt Filme, die haben es einfach nicht verdient, fair wie alle anderen behandelt zu werden. Aber die Pflicht, mein Kritiker-Credo, ruft lauter. Willkommen in meinem Leben als Schrottfresser. Das ist kein Film wie jeder andere!“

Wenn Hauptdarsteller Tobias Licht (!), dessen Polizist Tom Hammer alles andere als helle ist, dem Zuschauer in der Anfangsszene ungeniert etliche Sekunden den nackten Hintern entgegenstreckt, ist das der ehrlichste Moment des Films: mit der Physis dieses Mannes will RTL punkten, will trotz dilettantischer Action und psychologischer Null-Diät nicht alle Frauen als Zuschauer verlieren, will Tempo machen (Katrina & the Waves dudeln ihr abgenudeltes „Walking on Sunshine“ und der Bulle grölt mit unter der Dusche) und der Sender hofft vor allem eines – dem Sat-1-Erfolg „Der letzte Bulle“ und dessen charismatischem Darsteller Henning Baum etwas entgegensetzen zu können. Doch dieser Tobias Licht ist kein Baum von einem Mann, den andere Männer cool finden und sich Frauen als Anlehnungsobjekt erträumen, und das „Gemisch“ aus Schauspieler und Figur ist alles andere als „Hammer“.

Soundtrack: u.a. Sonny & Cher („I got you, Babe“), Katrina & the Waves („Walkin‘ on sunshine“), Los Lobos („La Bamba“)

Der Ballermann – Ein Bulle auf MallorcaFoto: RTL / Guido Engels
Die einzige vermeintlich emotionale Szene in „Der Ballermann – Ein Bulle auf Mallorca“. Tobias Licht & Kai Albrecht

Der Film aus der Action-Concept-Werkstatt ist holprig von Anfang an. Über die unoriginelle, mangelhaft entwickelte Story muss man nicht viele Worte verlieren. Das Genre ist wie es ist; hier allerdings ufert es schon extrem ins Grenzdebile aus. Ein Film wie „Der Ballermann“ gehört zu einem Genre, in dem die Action, die Oberfläche, der Augenschein, also die Inszenierung, von besonderer Bedeutung sind. Gerade aber vom filmischen Handwerk her ist dieses TV-Movie eine Zumutung. Die Szenen werden atmosphärelos, ohne jegliches Empfinden für Raum, Zeit und Erzählfluss zusammengeschnitten. Look und Montage fallen weit hinter den deutschen Serien-Standard zurück. Billige Wusch-Wisch-Reiß-Effekte sollen, wenn es schon kaum Action gibt, zumindest Dynamik vorgaukeln. Man schaue sich dagegen an, was die ndF in ihrer „Bergretter“-Serie und dem Crossover-90-Minüter „Der Bergdoktor: Virus“ kamera-, montage- und stunttechnisch anstellt. Dieser RTL-Pilot zu einer Action-Serie kann es nicht einmal mit dem Schnitt und der Daily-Soap-Ästhetik von „GZSZ“ aufnehmen. Man kann nicht glauben, dass der Regisseur die Serie „Countdown“ gedreht hat. Eher glaubt man, dass sich ein „X-Diaries“-Regisseur erstmals in die Fiktion verlaufen hat.

Der Film kommt ohne jeglichen Witz aus. Oder es ist der Witz für eine Zielgruppe, deren Bibliotheksausweis länger als drei Jahre abgelaufen ist? Bei Tom Hammer jedenfalls sind es drei Jahre, verrät er im Film. Aber wozu Bücher, wenn man eh für jede Situation schon die richtige Antwort parat hat. Weil „der mit dem Hammer“ keinen Partner hat, nicht mal einen Hund oder ein sprechendes Auto, und weil die Bilder nichts hergeben, muss er die ganze Zeit den Zuschauer belabern. „Wenn Sie vor einer verschlossenen Terrassentür stehen, gibt es genau drei Möglichkeiten…“ Eine davon ist die mit dem abgelaufenen Bibliotheksausweis. Theoretisch könnten diese Kommentare Ironie erzeugen. In der Praxis sieht das dann so aus: „Das Glück ist mit dem Tüchtigen (Hammer sagt’s und wird im selben Moment von einem Schlag niedergestreckt) – manchmal aber auch das Pech.“ Der Film tut weh bis ins Mark. Er ist eine Beleidigung für den guten Geschmack, eine Beleidigung für die Pioniere des kommerziellen TV-Movies, für Action-Serien, eine Beleidigung für Mallorca und Ballermann-Fans, hier hilft kein Fremdschämen mehr – da muss man auch als Zuschauer am Ende irgendwo draufhauen. Oder man hört auf seine innere Stimme und tippt frühzeitig und vielleicht noch wohl gelaunt auf die Fernbedienung. (Text-Stand: 9.12.2012)

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Fernsehfilm

RTL

Mit Tobias Licht, Nina Gnädig, Sonja Kirchberger, Özgür Karadeniz, Philipp Danne, Richard van Weyden, Markus Boysen

Kamera: Tobias Schmidt

Schnitt: Daniela Beauvais

Musik: Tobias Schmidt

Produktionsfirma: action concept

Drehbuch: Marc Hillefeld

Regie: Heinz Dietz

Quote: 2,84 Mio. Zuschauer (9% MA)

EA: 08.01.2013 20:15 Uhr | RTL

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