Der Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler (Ronald Zehrfeld) muss in eigener Sache aktiv werden. Sein Sohn Jakob (Jannis Niewöhner) hat sich mit Carsten Osterhannes (Jörg Schüttauf) angelegt, dem „König der Massentierhaltung“. Mit zwei Freunden hat Jakob in einer Nacht und Nebelaktion die unzumutbaren Zustände auf einem Schweinehof in Brandenburg mittels Video dokumentiert; die Tierschutzaktivisten wurden allerdings dabei überrascht und von Osterhannes Männern fürs Grobe festgesetzt. Dengler weiß bislang nur, dass sein Sohn offenbar in eine ungute Sache hineingeraten ist. Mit Hilfe von Hackerin Olga (Birgit Minichmayr), die er mehrfach vor dem Zugriff seiner speziellen Freunde vom BKA bewahren kann, kennt er bald zumindest Jakobs Standort. Doch mit Durchpreschen nach Brandenburg ist nichts. Denn immer wieder kreuzen Denglers Lieblingsfeind Dr. Müller (Rainer Bock) und Olgas Zielfahnder Schneiderhahn (Götz Schubert) die Wege der beiden Richtung Norden. Währenddessen verschärft sich auf dem Hof die Situation. Nicht nur die drei Jungaktivisten stören die „Sauereien“ des Fleischbarons, auch für die tödlichen Folgen einer brutal niedergeschlagenen Rebellion seiner rumänischen Zeitarbeiter, muss Osterhannes „Söldnertruppe“ um Klaus Steiner (André M. Hennicke) zeitnah eine „Lösung“ finden.
Der Politthriller „Dengler – Die letzte Flucht“ war 2015 eines der TV-Highlights in Sachen Spannung – und mit einem Schauspieler wie Ronald Zehrfeld war plötzlich sogar intelligente Action auf dem Bildschirm möglich. Und auch inhaltlich war der ZDF-Film ungewöhnlich brisant fürs Unterhaltungsgenre. „Am zwölften Tag“, ebenfalls wieder nach einem Bestseller von Wolfgang Schorlau entstanden, erreicht zumindest, was die Reflektion des gesellschaftlich relevanten Themas angeht, ein ähnlich hohes Niveau: Bekam zum Auftakt die Pharma-Mafia kräftig eins vor den Bug, gerät nun die Fleischindustrie mit ihren skandalösen Massentierhaltungsmethoden und den menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen für Zeitarbeiter in den Fokus. An Originalschauplätzen durfte selbstredend nicht gedreht werden, Lars Kraume konnte aber Material einer TV-Dokumentation für seinen Spielfilm verwenden. Geschickt baut der Autor-Regisseur Videofilme, die Denglers Sohn als Tierschutzaktivist veröffentlicht hat, in die Handlung ein. So erfährt der Vater zum ersten Mal etwas über das Engagement seines Sohnes und bekommt – wie der Zuschauer – darüber hinaus noch eindrücklich Infos zum Phänomen Massentierhaltung geliefert. In den Filmen sieht man auch den windigen Unternehmer, der sich mit seinem für jedermann erschwinglichen Fleisch als Wohltäter aufspielt und mit Hilfe unappetitlicher Tierhaltungs- und Schlachtungsszenen im Gegenschnitt entlarvt wird. Noch glaubt Dengler nicht, dass für die Tierschutzaktivisten Lebensgefahr besteht. „Es sei denn, sie haben etwas Größeres gefunden, etwas, was größer ist als die normalen Sauereien, die diese Herrschaften sonst so betreiben“, spekuliert er. Der aber Zuschauer ist längst im Bilde, kennt die Umstände jener anderen „Sauereien“, weiß vom Menschenhandel mit den Zeitarbeitern aus Rumänien, die die Billigfleisch-Branche erst zur Goldgrube machen – was man im Übrigen auch in den Filmen im Film erfährt.
Der zweite große Pluspunkt von „Am zwölften Tag“ bleiben die beiden Hauptcharaktere, ihr spannendes Verhältnis zueinander – und vor allem das Duo Ronald Zehrfeld und Birgit Minichmayr. Die Österreicherin spielt dieses Mal nicht die Hälfte ihrer Szenen mit Maske, dafür verabschiedet sie sich allerdings nach zwei Dritteln des Films – ohne dass Olga allzu viel von sich hätte preisgeben müssen. „Es knistert, das Verhältnis bleibt spannend“, findet Zehrfeld. „Olga ist seine Muse, sein Vorbild, er schaut auf gewisse Weise zu ihr auf.“ Beide Charaktere sind sehr körperbetont angelegt: Denglers Waffe hat zwei Räder, und Olga hat neben ihrer Wachheit und ihrem blitzschnellen Verstand äußerst flinke Beine. Beiden Schauspielern kann man ihre Rollen gleichermaßen abnehmen. Aber auch die Zwischentöne ihrer Interaktionen stimmen – weil Zehrfeld und Minichmayr ihren Dialogen häufig eine Spur Erotik mitgeben. Und wenn die Sätze ironisch sind – noch besser. Sie: „Mir kannst du wirklich vertrauen.“ Er: „Leute, die sagen, ‚Sie können mir wirklich vertrauen’, sind mir erst mal grundsätzlich suspekt.“ Darauf kann Olga nur mit einem Lächeln antworten: „Mir auch.“ Dieser Wortwechsel ist doppelt klug, weil er später Grundlage eines Codes zwischen den beiden wird. Es macht Spaß, wie sie Denglers Ex-Kollegen vom BKA narren. Die Coolness auf der einen Seite und die dummen Gesichter auf der anderen (köstlich: Bocks Frisur und Schuberts Arm in der Schlinge), das macht den zweiten „Dengler“, zumindest was die Flucht der Helden angeht, eher zu einem pfiffigen Feelgood-Movie als zu einem harten Polizeithriller.
Es ist vor allem die Aufsplittung der Handlungsstränge, die filmisch keinen so dringlichen Rhythmus und längerfristigen Action-Flow entstehen lässt: hier die Katz-und-Mausspiele, dort die brandenburgische Pampa, die Aktivisten, die Rumänen, das bedrohte Bauernehepaar, die Aufpasser, die offenbar keine Gefangenen machen wollen, der Fleischbaron, der rumänische Menschenhändler, und dann auch noch die Videofilme – das alles bremst den Fluss und muss zwangsläufig das Erzähltempo verlangsamen. Außerdem fehlt durch die Abschottung der Täter, die Gefangennahme der Aktivisten und die Spielchen der Helden mit dem BKA eine verbindende Kommunikationsebene wie in „Dengler – Die letzte Flucht“, worunter die Tiefe des Diskurses ein wenig leidet. Dafür kann sich der Zuschauer die Handlung nach und nach selbst erschließen, was zumindest die Bindung an den Plot erhöht, aber nicht für übermäßig große Spannung sorgt. Ohnehin kann „nur“ die Frage sein, WIE der Held seinen Sohn, dessen Freunde und die Rumänen befreit (und wer dabei gegebenenfalls geopfert wird). Hierbei zeigen sich die begrenzten narrativen Möglichkeiten eines Privatermittlers im Rahmen eines in Sachen Gewaltbereitschaft hoch dosierten Action-Thrillers: Den direkten Kampf gegen den schwer bewaffneten Killertrupp kann der Held nicht gewinnen, also muss Kraume diese Auseinandersetzung verhindern. Das macht diesen Last-Minute-Rescue nicht zur einzigen Zufallsnummer; dafür ist sie eine hübsche Reminiszenz ans triviale Kintopp. Und weil ein Feuer als ultimative Lösung ins Spiel kommt, muss die Rettung an Ort und Stelle auch noch entsprechend schnell gehen. Unter dem Aspekt Nervenkitzel verpufft dieses Finale, dafür findet die Annäherung von Vater und Sohn, die ja Antrieb und Kern der Geschichte ist, ein nachhaltiges Ende. Fazit: Die Dramaturgie zeigt Schwächen, die Themen-Infos sind filmisch dafür umso cleverer in die Handlung eingebunden, die soliden Action-Szenen beleben das Ganze und Zehrfeld & Minichmayr könnte man stundenlang bei ihren Spielchen zuschauen.