„So sieht ein Filmstar aus – Meerjungfrau, Mädchen auf dem Meeresgrund“, schwärmt Filmproduzent Jacobi. „Die Kleine im Badeanzug aufs Plakat – und die Leute rennen ins Kino wie verrückt.“ So simpel war das offenbar Anfang der 50er Jahre. Hans Hass, ein begnadeter Tiefseetaucher, über Wasser aber ein hüftsteifer Patriarch, suchte 1950 in Wien nur mal wieder nach einer Finanzierung für seinen nächsten Film. „Die letzten Geheimnisse unseres Planeten“, versprach er vollmundig. Am Ende hatte er das Geld – aber er musste seine Expedition ans Rote Meer mit dem Wiener Mädel Lotte Baierl machen, die kurz zuvor bei ihm als Sekretärin und Mädchen für alles angeheuert hatte, obwohl sie sich doch eigentlich als Kamerafrau und Reporterin sieht. „Zeig den Burschen einfach, dass du besser bist als ein Mann“, rät ihr Xenophon, ihr väterlicher Freund und die rechte Hand des Meisters. Und sie zeigt es den Mannsbildern. Als der erste Kameramann kränkelt, bekommt sie ihre Chance. Und wenig später naht der erste weiße Hai, den Hass bislang zu Gesicht bekommen hatte. Doch bekommt er ihn vor die Kamera? Beim entscheidenden Tauchgang verletzt sich Hass.
Benjamin Sadlers Hans Hass im Film:
„Tauchen bedeutet, eins zu werden mit dem Meer, sich seinem Rhythmus anvertrauen. Nicht denken wie ein Mensch, sondern wie ein Fisch.“
Foto: ZDF / Frank Dicks
Wie sich Lotte und Hans Hass vor 61 Jahren fanden, ist eine Geschichte, wie gemacht für die bunten Blätter jener Jahre, die damals allerdings noch in Schwarzweiß gedruckt wurden. Auch der Film, der aus dieser Expedition hervorging, „Abenteuer im Roten Meer“, wurde in Schwarzweiß gedreht. Der Fernsehzuschauer dagegen bekommt in „Das Mädchen auf dem Meeresgrund“ die Unterwasserwelt in einem knallig simulierten Technicolor präsentiert, wie es damals bei „Sissi“, Sirk und Marilyn Filmgeschichte schrieb. Auch sonst weht viel Zeitgeist und Ideologie aus den 1950er Jahren herüber. Der Film setzt letztlich auf dieselben Ingredienzien wie einst der Dokumentarfilm des österreichischen Tiefseepioniers. Da ist der Reiz der Unterwasserwelt. Da ist der Mythos vom weißen Hai. Da ist eine schöne, lebendige Frau, die betörende Ozean-Amazone. Sie ist das Schmuckstück des Mannes. Forciert freilich wurde für den ZDF-Fernsehfilm der emanzipatorische Gestus der Liebesgeschichte. Das wurde ein Stück weit von der realen Vita von Lotte Baierl / Hass inspiriert, ist aber auch der weiblichen Zielgruppe von heute geschuldet. Insgesamt bleibt die Geschichte von „Das Mädchen auf dem Meeresgrund“ dennoch in einer Welt verhaftet, die ihre Unschuld noch nicht verloren hat, die noch Geheimnisse kennt und in der Idealismus und Romantik noch gefeiert werden. Den Rest übernimmt das Genre. Für ein nostalgisches, leicht melodramatisch angehauchtes Unterhaltungsstück ist dieser autobiografische Stoff durchaus geeignet.
Für Fans von Yvonne Catterfeld sei gesagt: die zuletzt immer überzeugendere Actrice läuft nicht 90 Minuten mit dem Bikini herum. „Ich bin doch kein Pinup-Girl“, legt ihre Lotte denn auch im Film Protest ein. Stattdessen darf sie immer wieder die 1950er-Jahre-Mode der Reichen und Schönen „ausführen“. In diesen Bildern bekommt man eine Ahnung, weshalb Catterfeld mal als Romy Schneider für ein mittlerweile geplatztes Filmprojekt verpflichtet wurde. Sadler und Catterfeld sind eine passende Besetzung für dieses Paar, das alle Klischees der Mann-Frau-Symbiose, wie sie in den 50er Jahren gerne gelebt und (vom Mann) idealisiert wurde, zu bestätigen scheint. Auch Harald Krassnitzer als bärig lebenskluger Mann für alles & der kantige Andreas Schmidt als Schiffskoch sind eine gute Wahl. (Text-Stand: 20.11.2011)