Nachdem Markus (Wotan Wilke Möhring) seine Frau verloren hat, stürzt der nun alleinerziehende Vater in ein emotionales Tief. Weder gelingt es ihm, seiner Tochter Kim (Helen Woigk) zur Seite zu stehen, noch ist er imstande selbst bei seiner Mutter Gerlinde (Christine Schorn) Trost zu suchen. Infolgedessen leidet jedes Familienmitglied für sich allein. Inmitten dieser schwierigen Situation traut sich Gerlinde nicht, von der Krebserkrankung zu erzählen, die nun ihr eigenes Leben bedroht. Erst der Pflegerin Paula (Rosalie Thomass) gelingt es, den Kontakt zwischen den Familienmitgliedern langsam wieder herzustellen. Doch an diesem Punkt ist es schon fast zu spät: Die pubertierende Kim hat sich längst von ihrem Vater entfremdet und in dem Schulabbrecher Alex (Frederick Lau) eine zweifelhafte Ersatzfamilie gefunden. Wird Markus nach seiner Frau nun auch noch Tochter und Mutter verlieren?
Das traurige Thema von „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ des Films wird immer wieder durch kleine humoristische Einlagen aufgelockert, für die in vielen Fällen Rosalie Thomass als unkonventionelle Pflegerin verantwortlich ist. Doch Paula ist keine reine Witzfigur. André Erkaus Film lebt von seinen komplex gestalteten Charakteren. Jede der Figuren hat ihre eigenen Schwächen, Leidenschaften und Träume und macht im Zuge der Geschichte eine überzeugende Entwicklung durch. Wotan Wilke Möhring und Helen Woigk sind die beiden Überraschungsmomente des Films. Möhring, der insbesondere auf der Kinoleinwand vornehmlich seine komödiantische Seite („Männerherzen“) zeigt, kann in dieser ernsten Rolle vollends überzeugen. Dem Schauspieler gelingt es auf überzeugende Weise, Markus’ stillen Schmerz sowie die hiermit verbundene Isolation darzustellen. Neuentdeckung Helen Woigk („Das Geheimnis in Siebenbürgen“) steht ihrem Filmvater in nichts nach. Die Nachwuchs-Schauspielerin legt eine starke Präsenz an den Tag, zeigt in ihrem subtilen Spiel tiefe Emotionen und kann den erfahren Frederick Lau damit zuweilen in den Schatten spielen.
Foto: WDR / Riva Film / Georges Pauly
Das Thema Tod ist in André Erkaus Film omnipräsent. Schon das schwarze Gothic Styling von Kim erhält den Gedanken an die Verlustthematik des Films stets aufrecht. Jede der Figuren trauert auf eine andere Weise. Das Drama der Geschichte liegt darin, dass die Protagonisten dabei nicht in der Lage sind, aufeinander einzugehen und sich gegenseitig Kraft zu spenden. Lediglich Kim gelingt es, der Großmutter angemessen beizustehen, doch die Suche nach einer starken Person, bei der auch sie Trost und Halt findet, führt sie schließlich von ihrer Familie fort. Durch die gelungenen Charakterzeichnungen wirken die verschiedenen Haltungen zum Thema Tod und Vergänglichkeit in gleichem Maße überzeugend. Der Zuschauer kann wählen, mit welcher Figur er sich identifizieren möchte, in welcher Herangehensweise er sich am ehesten wieder findet. Somit ist „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ in der Lage, ein breit gefächertes Publikum zu erreichen.
Die Kamera von Ngo The Chau inszeniert die Geschichte der kleinen Familie in Bildern, die auch die Kinoleinwand zu füllen vermögen, für die der Film ursprünglich (leider nur mäßig erfolgreich) konzipiert wurde. Ohne die Geschehnisse übermäßig zu dramatisieren, kann er so die Aufmerksamkeit des Publikums allein mit visuellen Mitteln dauerhaft fesseln. Das tragikomische Konzept ist weniger stabil. Während „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ mit einer gelungenen Mischung aus Tragik & Komik startet, gesellen sich im Laufe der Handlung immer mehr Kitschmomente hinzu. Die Musik trägt zu einer Überdosis Rührseligkeit einzelner Passagen und unterminiert damit die wahr(haftig)en Gefühle, die die Schauspieler einbringen. Wenn Markus’ harte Schale bricht und er endlich in der Lage ist, Trost zu geben und zu spüren, geht dies deutlich mehr ans Herz als das konstruiert wirkende Finale.
Auch wenn André Erkau sein Konzept der leichten Tragikomödie gegen Ende zu Gunsten des Rührstücks etwas aus den Augen zu verlieren scheint, bleibt „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ ein überaus sehenswerter Film über den Tod und die vielen verschiedenen Mechanismen, mit denen Menschen auf dieses Ereignis reagieren. Nicht zuletzt erinnert die Geschichte ihr Publikum dabei auch an die bekannte, aber in der heutigen Zeit allzu oft vergessene Lebensweisheit: Geteiltes Leid ist halbes Leid. (Text-Stand: 26.9.2014)