„Mach einfach mal vier Wochen ein anderes Gesicht, und dann, Alter, bekommst du dafür den Deutschen Fernsehpreis“, witzelte Jan Fedder an jenem Abend, als sein Image als schauspielernder Launebär vergessen war. Man sah ihn als „Der Mann im Strom“ und nicht mehr als Dirk Matthies aus dem „Großstadtrevier“. Aus dem Hamburger Jung, dem Seriendarsteller, wurde ein Charakterkopf. Heute kann der 53-Jährige seine Qualitäten im dramatischen Fach ein zweites Mal unter Beweis stellen. Die Konstellationen sind ähnlich: Bei „Das Feuerschiff“ handelt es sich abermals um eine Verfilmung einer Erzählung von Siegfried Lenz, produziert wieder von Markus Trebitsch und geschrieben von Lothar Kurzawa. Neu an Bord ist neben Regisseur Florian Gärtner ein anderer aus dem hohen Norden: Axel Milberg.
Milberg spielt Caspary, einen schiffbrüchigen, intellektuellen Verbrecher, der mit seinen schießwütigen Handlangern ein Feuerschiff in seine Gewalt bringt. Obwohl die Besatzung sieben Mann zählt, will Kapitän Freytag nichts wissen von heldenmütigen Alleingängen. Für ihn ist es die letzte Wache seines alten Navigationskahns. Er will eine ruhige letzte Wache, will keine Gefahr eingehen, will jedes Blutvergießen vermeiden. Die Besatzung sieht das anders.
Foto: NDR / Susanne Dittmann
Der Film war zunächst als actionreicher Thriller geplant, sehr frei nach Lenz. Doch die Kraft der literarischen Vorlage und die Stärke der Dialoge ließ den NDR umdenken. Und so ist „Das Feuerschiff“ für Florian Gärtner „ein Kammerspiel mit den Untertönen eines Psychothrillers“. Als Referenz hatte der Regisseur, der bisher Furore machte durch seine beiden Alten-Dramen mit Rosemarie Fendel und Suzanne von Borsody, „12 Uhr mittags“ mit Gary Cooper im Kopf.
„Ein Western auf dem Wasser“, befindet auch Jan Fedder. Beide Filme sind gleichnishaft erzählt. Milberg versteht den Lenz-Text „als eine Parabel auf die passive, abwartende Haltung vieler Deutscher während der Nazizeit“. Für die Zuschauer dürfte das Dritte Reich als Bezugspunkt für diesen psychologisch spannenden ARD-Fernsehfilm wohl nicht mehr relevant sein. Andere Deutungen liegen näher. Fragen drängen sich auf: Ist nur gewaltloser Widerstand legitim oder darf man Gewalt mit Gegengewalt abwehren? Lasse ich mich also auf die Spielregeln ein oder reagiere ich vernünftig, besonnen und vertraue meinen Idealen?
Der Film lebt von der Grundspannung der bedrohlichen Situation, die sich hinzieht. „Es entsteht ein schläfriger Schwebezustand an Bord“, umschreibt es Milberg. Die Stärke des Films besteht darin, diesen realistisch gezeigten Ausnahmezustand nicht in Langeweile kippen zu lassen. Eine wichtige Rolle für den Unterhaltungswert spielt die ungleiche Kommunikation zwischen dem sprachverliebten Kopf der Verbrecher und dem wortkargen Kapitän.
Gleichmut hier, Hochmut dort. Freytag, wie ihn Fedder mit stoischem Gesichtsausdruck spielt, ist die ideale Verkörperung von Lenzens traurigem Helden – ein Mensch in der Defensive, ein Mann von eher passivem Naturell. In Fedders Blick kristallisiert sich die Schwermut der Geschichte. Und doch wird Milbergs nuancierter, vielschichtiger Auftritt länger in Erinnerung bleiben als Fedders Mann von gestern. (Text-Stand: 21.9.2009)
Foto: NDR / Susanne Dittmann