Peter Keglevic ist der Mann bei RTL für die besonderen Fälle. Aufsehen erregte der Österreicher gleich mit seinem ersten TV-Movie für die Kölner, „Tag der Abrechnung – Der Amokläufer von Euskirchen“. Danach gab’s Kritiker-Lob für „Kommissar Beck“ oder „Vickys Alptraum“ und gute Quoten für „Die Roy Black Story“ oder auch seine drei Edgar-Wallace-Krimis. Das war der Grund, weshalb er „so eine Art Freispiel“ hatte bei RTL’s ehemaligem Movie-Chef Sam Davis, wie er selbst sagt. Heute ist sein neuester Streich zu sehen: der klassische Thriller „Das Callgirl“. Nomen ist hier ausnahmsweise einmal nicht Omen.
Erzählt wird die Geschichte von Karin (Floriane Daniel), einer eifrigen Medizinstudentin, die sich von einem Geschäftsmann aushalten lässt. 1000 Mark pro Monat für ein wöchentliches Schäferstündchen – das findet sie nicht unmoralisch. Dennoch weiht sie keinen ein in ihr Doppelleben, nicht einmal die beste Freundin Millie (Isabella Parkinson). Als Karins „Freier“ eines Tages in ihren Armen stirbt, steht sie auf einmal mit einem Koffer da. Sein Inhalt: über eine Million Mark. Recht bald heftet sich ein brutaler Killer namens Fürst (André Hennicke) an ihre Fersen. Nachdem dieser in ihrem Umfeld gemordet hat, versucht Karin endlich, mit dem sympathischen Kommissar Gunner Müller (Leonard Lansink) zu kooperieren.
Eine einfache, effektive Geschichte. „Es ist kein ungeheuer dramatischer oder tiefgründig philosophischer Film“, sagt Keglevic. „Es ist die kleine Geschichte von einem letztlich unschuldigen Mädchen, das von der einen Sekunde zur nächsten in einen Schlamassel gerät, und je mehr sie versucht, den Schlamassel aufzuhalten, desto größer wird er.“ Wie sich aus einer Banalität durch Verkettung ungünstiger Umstände höchste Dramatik entwickelt, „wie der Schneeball zur Lawine wird“ – das habe ihn gereizt an dem Buch, das der Amerikaner George Geiger („Miami Vice“) schrieb, mit dem Keglevic bereits bei „Vickys Alptraum“ zu tun hatte.
„Der Film ist natürlich keine Komödie und doch hat die Geschichte einen leichten ironischen bis absurden Unterton“, so Keglevic. Eine Tonlage, die ihm entspricht. „Möglicherweise ist das die österreichische Qualität, dieser Hauch von schwarzem, etwas gemeinem Humor.“ Eine vermeintlich kleine, graue Maus, die es einer korrupten, kriminellen Macho-Gesellschaft zeigen will. Wer sie angreift muss büßen. Eine Genrefilm-Geschichte, keine Frage. Dennoch, glaubt Keglevic, könne man wegen der Lebendigkeit seiner Hauptdarstellerin am Ende das Gefühl bekommen, dass es eine solche Frau in der Wirklichkeit vielleicht doch geben könne. „Es gibt Stellen, wo fünf Minuten nicht gesprochen wird. Das bewältigt eine Schauspielerin nur, wenn sie mehr gibt als ihre Äußerlichkeit, nur wenn sie Leben reinbläst.“
„Unterhaltung und Spannung, die einen befriedigen“, das peilt Keglevic mit seinen Movies für RTL an. Am Ende soll kein Zuschauer einen faden Nachgeschmack haben. Der Österreicher ist ein Verfechter der klassischen Dramaturgie. Schöne Bilder sind ihm zu wenig, filmischen Moden hat sich der Regisseur, der in den 80er Jahren bereits einige Genrefilme („Der Bulle und das Mädchen“) mit einigem Erfolg ins Kino brachte, noch nie unterworfen. „Jeder Figur sollte ein urmenschliches Geheimnis zugrunde liegen“, ist einer seiner Grundsätze. Gerne redet der Absolvent der Salzburger Hochschule für Musik und darstellerische Künste von den bis in die Antike zurückreichenden Mythen, auf denen letztendlich auch alle modernen Geschichten beruhen würden. Und wie die großen Hollywood-Erzähler versucht Keglevic in seinen Filmen, „Menschen zu erfinden und zu beleben, dass sie den Zuschauer in Bann ziehen“. Altmodisch nennt er das. Diese Art von Vorgestrigkeit lässt man sich gern gefallen. (Text-Stand: 1999)