Die Ausgangsidee: Menschen im Hotel – historisch
Den Produzenten Oliver Berben faszinierte seit Jahren die Vorstellung, einen Hotel-Film zu machen, durch das Schlüsselloch zu spähen, um Menschen zu begegnen, sie eine Zeitlang zu begleiten, um bewegende Geschichten einzufangen, ernsthafte und leichtgewichtige, Komödien und Tragödien. Mit dem Großprojekt „Das Adlon“, einer Familiensaga, die er für das ZDF als Dreiteiler produzierte, erschloss sich eine weitere Perspektive: die Möglichkeit, gleichsam die große Geschichte einzufangen. Ein Hotel, seine Betreiber, seine Bediensteten, seine Gäste im Spiegel des 20 Jahrhunderts. Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus – die politischen Systeme gingen, das Adlon blieb, selbst in den Ruinen des zerstörten Hauses überdauerte zu DDR-Zeiten der Mythos des Berliner Luxushotels, das in den 20er Jahren seine Hochzeit hatte. Nach der Wiedervereinigung erweckte der stattliche Nachbau, einen Steinwurf vom Brandenburger Tor entfernt, die Legende erneut zum Leben.
Burghart Klaußner über die Tonlage des Films:
„Durch die Wahl des Schauplatzes Hotel ist von vornherein die Absicht zu unterhalten deutlich, auch wenn der geschichtliche Hintergrund dieses Films nicht zu übersehen ist – allein schon durch die prominente Stellung des Hotels in der Berliner Innenstadt. Wie in ähnlichen, siehe Vicki Baums „Menschen im Hotel“, ist die Wahl eines solchen Schauplatzes eher geprägt von Kolportage-Momenten als von reportagehafter Genauigkeit. Hier liegt der große Unterhaltungswert eines solchen Projekts.“
Ein Hotel, zwei Familien, viele Schicksale
Der erste Teil von „Das Adlon“ wird geprägt vom großen Traum des aus kleinen Verhältnissen stammenden Hoteliers Lorenz Adlon (Burghart Klaußner), ein Jahrhunderthotel zu bauen, „das Berlin zum ersten Gastgeber der Welt machen wird“. Die zweite Kraft, die die Lebensgeschichten schicksalhaft antreibt, ist eine Lebenslüge: Sonja Schadt kommt im gleichen Jahr, in dem Adlon mit seinem Hotelbau beginnt, in Berlin zur Welt. Um einen Skandal zu vermeiden, entzieht Mutter Ottilie (Sunnyi Melles) ihrer 16jährigen Tochter Alma (Maria Ehrich) ihr Baby, verbietet ihr den Umgang mit Kind und Vater und gibt Sonja fortan als ihre eigene Tochter aus. Friedrich (Kai Malina), der 15jährige Sohn des Kutschers, der Alma geschwängert hat, bekommt eine Anstellung als Page im Adlon. Der Hotelpatron und der wohlhabende Kolonialwarenhändler Gustaf Schadt (Thomas Thieme) sind langjährige Freunde. Ohne Schadts Kredite gäbe es das Adlon nicht. Und dann ist es soweit: das Adlon öffnet seine Tore – Edison, Caruso, der Kaiser, alle sind sie zu Gast. „Dieses Hotel wird der neue Olymp sein, in dem sich die Götter treffen, um die neue Weltordnung zu bestimmen.“, orakelt Gustaf Schadt. Ausgerechnet er macht der amerikanischen Fotografin Undine Adams (Christiane Paul), einer modernen, selbstbestimmten Frau, das Adlon schmackhaft. Sie ist hingerissen von diesem europäischen Flair – aber auch von Schadts Tochter Alma.
Im Zentrum des zweiten Teils stehen die Goldenen Zwanziger. Auf den Straßen herrscht Unmut, im Adlon wird gefeiert, getanzt, geliebt, gehasst. Nach dem Tod von Großmutter Ottilie zieht Sonja (Josefine Preuß) ins Hotel ihres Patenonkels und wird dort ihren Erbteil abwohnen. Ihr Vater Friedrich (Wotan Wilke Möhring) ist zum Concierge aufgestiegen. Sonja wird sich unglücklich in einen jüdischen Journalisten (Ken Duken) verlieben und wird Zeuge davon, wie unter den Nazis der internationale Geist des Hauses Adlon schwindet. Der neue Geschäftsführer, Lorenz Adlons Sohn Louis (Heino Ferch), holt mit seiner zweiten Gattin Helma (Marie Bäumer) eine nicht nur schöne, sondern auch eine Frau mit Sinn fürs Geschäftliche in den Hotelbetrieb. Und dann tanzt Josefine Baker zum letzten Mal halbnackt auf dem Vulkan… Der dritte Teil erstreckt sich vom dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, der Nazi-Herrschaft, den Kriegsjahren, als im Adlon ein Lazarett eingerichtet wurde, bis hin in die Zeit des Wiederaufbaus. Zwischendurch wird immer wieder ins Jahr 1997 vorgeblendet, zur betagten Sonja Schadt (Rosemarie Fendel), die dem Zuschauer die Geschichte erzählt.
Rodica Döhnert über ihre Erzählstrategie:
„Ein Film braucht Emotionen. Woher waren die zu bekommen? Ich erfand die fiktive Familie Schadt und Loewe und setzte sie in eine unmittelbare Beziehung zu Hotel und Familie Adlon. Dramaturgische Strategie war es, die Schicksalsschläge der Figuren so anzulegen, dass sie mit dem Hotel verbunden bleiben.“Uli Edel über das Erzählprinzip:
„Die Geschichte erzählt in erster Linie von den „Menschen im Hotel Adlon“ – gewöhnliche und außergewöhnliche Geschichten, von emotionaler Tiefe oder kurzlebig und flüchtig wie das Kommen und Gehen seiner Gäste. Das Hotel wird zu einem mikroskopischen Brennpunkt, zu einer gesellschaftlichen Schaubühne, auf der das Spektrum menschlicher Hoffnungen und Träume sichtbar wird.“
Kritik – die ersten Eindrücke (Teil 1)
Mehrteiler, insbesondere historische wie „Das Adlon“, brauchen Zeit, um den Zuschauer abzuholen und in eine ihm ungewohnte Welt zu entführen. Das Motiv der heimlichen Liebe lädt die Exposition gleich mit reichlich Gefühl auf und verkürzt die Zeit, bis Leben ins Hotel und damit Schwung in die Handlung kommt. Der Einstieg dient auch dazu, ein sterbendes Zeitalter zu zeigen: preußisches Pflichtbewusstsein und in Uniform und Korsetts gezwängte Körper symbolisieren die alte Welt. Im Hotel herrscht wenig später ein anderer Geist. Nicht umsonst lautet der Traum von Lorenz Adlon: „Im Adlon wird man nicht nur übernachten – im Adlon wird man sein.“ Weltmännischer Charme dominiert über deutschen Drill. Die zweite Hälfte des ersten Teils gibt ein Versprechen auf die Fortsetzung und sie macht große Lust, den privaten Geschichten weiter zu folgen, aber auch zu sehen, wie die deutsche Sittengeschichte fortgeschrieben wird: wie die starren Regeln der Wilhelminischen Ära aufgebrochen werden. Der Film bleibt konzentriert bei seinen zwei, drei Hauptgeschichten. Die Zeitsprünge im ersten Teil macht man als Zuschauer problemlos mit. Interessant wird zu sehen sein, ob im zweiten und dritten Teil die Alterungsprozesse ebenso bruchlos hingenommen werden können.
Diese Familiensaga ist eine typische Upstairs-Downstairs-Story. Von seiner Tonlage her ist der erste Teil eine stimmungsvoll ausstaffierte Mixtur aus Melodram, Hotelfilm & Sittengemälde; im Laufe der Handlung wird man „Das Adlon“ wohl mehr und mehr auch als kurzweilige Geschichtschronik begreifen. Der Film überfordert den Zuschauer nicht. Die Besetzung ist nicht nur namhaft, sondern auch weitsichtig zusammengestellt. Josefine Preuß wird sich mit „Das Adlon“ wohl endgültig vom Teenager-Image verabschieden können. Und auch wenn das Alter bei den (Zweit-)Besetzungen nur selten stimmig ist (Klaußner und Ferch spielen Vater & Sohn) – was zählt, ist die Wirkung beim Zuschauer, sind die Emotionen, die der Film freisetzt. Dem Hollywood-erprobten Regisseur Uli Edel und Autorin Rodica Döhnert gelingen bereits im ersten Teil, trotz des Bilderbogencharakters und bisher nur angedeuteter Biografien, einige bewegende Momente. Das wird sich steigern – durch die Tragik der Historie und die zunehmende Vertrautheit mit den Hauptfiguren. Wer viel Familiensaga und Zeitgeschichte als ätmosphärische Folie erwartet – der wird bei „Das Adlon“ voll auf seine Kosten kommen.
Ferch & Bäumer über Kostüm & Maske:
„Meine Rolle erstreckt sich über 40 Jahre. Ich hatte deshalb mindestens fünf Perücken und einige Drehtage, an denen ich einen 70-Jährigen gespielt habe. Wichtig ist, dass man die Maske nicht spürt. In diesem Fall trug sie sich federleicht und hat es ermöglicht, jeden Gedanken über die Mimik zu transportieren.“ (Heino Ferch)
„Viele Menschen sind mit 70 Jahren noch sehr lebendig und dynamisch. Es ändert sich allerdings die Rotation im Körper, alles wirkt steifer und das Gewicht verlagert sich in die Körpermitte. Um dieses Gefühl zu erzeugen, habe ich mir einen Gürtel aus Gardinenblei nähen lassen.“ (Marie Bäumer)