Die 18-jährige Stella lebt mit ihrer Mutter Clarissa auf einer Lodge in Südafrika. Das scheinbare Idyll, die Harmonie zwischen Mutter und Tochter, wird gestört, als ein Verflossener Clarissas, der Journalist Carlo, auftaucht und sie um Hilfe bittet. Er braucht Informationen über deren verhasste Familie, die offenbar in Diamantenschmuggelgeschäfte verwickelt ist. Nach dem tödlichen Unfall Clarissas erfährt Stella von den Lügen ihrer Mutter. Sie hat sich falsche Biographien für sich und ihre Tochter ausgedacht. Clarissa ist in Wien geboren und Stellas Vater ist nicht, als sie zwei Jahre alt war, ums Leben gekommen. Um mehr über ihre Wurzeln zu erfahren, fliegt sie nach Österreich. Dort ein erster Schock: ihre Tante sieht aus wie ihre Mutter. Sie ist reserviert, aber freundlich. Dagegen wollen Bruder Konstantin und Großmutter Dodo die unliebsame Stella schnellstens loswerden. Denn der Familienpatriarch liegt im Sterben – und wer weiß, wozu er in der Lage wäre, wenn er die hübsche, so natürliche Tochter seiner eigenen Lieblingstochter zu Gesicht bekäme…
Eingangsdialog von „Clarissas Geheimnis“:
Clarissa: „Wusstest du, dass Löwenmamas ihr ganzes Leben mit ihren Töchtern verbringen?“
Stella (8 Jahre): „Und der Löwenvater?“
Clarissa: „Ach, der spielt keine Rolle – der muss nur die Babys machen.“
Foto: Degeto / ORF / Domenigg
Stella träumt von einer „richtigen Familie“. Aber mit diesen degenerierten Löwentals wird das wohl nichts werden. Dass es auch mit „Clarissas Geheimnis“ nicht viel werden wird, weiß man spätestens nach 30 Minuten – wenn der Film seinen Schauplatz von Südafrika in die Steiermark verlegt hat, die Geschichte die verschiedensten Genres anreißt, aber nicht richtig in die Gänge kommt. Sympathieträger Clarissa, von den Figuren selbst als „Sonnenschein“ der Familie gefeiert, stirbt und hinterlässt dramaturgisch ein Vakuum. Paula Kalenbergs Stella gelingt es erst nach und nach, den Zuschauer an die Hand zu nehmen. Dabei müsste doch die verunsicherte junge Frau an die Hand genommen werden. Auch Katja Riemann in der Rolle der Zwillingsschwester Charlotte kann das Vakuum nicht füllen. Und der Rest der Sippschaft besitzt ohnehin sehr viel weniger Charakter als die überteuerten Weine der Löwentals.
Mit dem Grat der Identifikation nimmt die Qualität des Films leider nicht zu. Die großen Namen bei der Besetzung und Xaver Schwarzenberger als Regisseur und Kameramann täuschen. Offenbar haben sich auch alle Beteiligten blenden lassen vom Renommee der Kollegen, anstatt das Drehbuch zu lesen. Bei diesem Plot stimmt so gut wie nichts: Familiensaga, Krimikolportage, Melodram werden ohne viel Sinn (auch für Erzählökonomie) zusammengemixt. „Clarissas Geheimnis“ findet nie eine ästhetische Tonlage, weil die Kombination der Gefühlslagen nicht stimmt, weil viel Disparates angeschnitten, aber nichts ausgespielt wird: zum Beispiel ist das Motiv, die Tochter gerät in die Welt ihrer Mutter, das Bild, sie wohnt in ihrem Jugendzimmer, eine gute Drehbuchidee – nur leider bleibt es bei dieser Idee! Schwarzenberger passt sich der Qualität des Drehbuchs an. Selten sah man beim Ösi-Ästheten so viel Schlamperei bei der Bildgestaltung und beim Schnitt. Als ob er die Steifheit des Familienclans mit der steifen Inszenierung von Innenszenen zu krönen versuchte. Die Musik ist ein weiterer Tiefpunkt dieser Produktion, deren Ensemble den Film erträglicher macht (bis auf Nina Proll als Russin!), die Story aber nicht besser. (Text-Stand: 9.9.2012)