In “Blond: Eva Blond” ermittelt Corinna Harfouch im Schmelztiegel Berlin. Sat 1 konnte sie für eine Krimi-Reihe gewinnen. Eine etwas andere – versteht sich. Und auch die Rolle unterscheidet sich ganz gewaltig vom “Wo-waren-Sie-gestern-Abend”-Kriminaler. Die Heldin springt schon mal im kleinen Roten und mit Pumps auf Baugerüsten herum oder legt sich für ein Nickerchen im Aktenschrank ab. Ihr größtes Handicap: sie ist Legasthenikerin.
Die Harfouch mag ihre Eva Blond sehr. Das spürt man. Besonders das Temperament der Kommissarin, wenn sie eine heiße Spur verfolgt. Da nimmt sie es mit Paragraphen und Einsatzbesprechungen nicht allzu ernst. “Bei ihr ist vieles unabgesprochen mit den Vorgesetzten, andererseits hat sie Mut zur Spontaneität – eine schöne Eigenschaft”, findet Corinna Harfouch. Bei allem Einsatz und bei aller Klasse ist die Blond aber auch nur ein Mensch. “Sie ist Kommissarin, aber keine Heldin. Ich mag es überhaupt nicht, wenn Kommissare völlig ungerührt an ihren Leichen vorbeigehen.” Umgekehrt ist die neue Sat-1-Kommissarin auch kein Empfindsamkeits-Püppchen. Anteilnahme, Gewissensbisse ja, aber das ganze Leid der Welt will sie nicht auf sich laden. Sie liebt das Künstliche an Eva Blond.
Foto: Sat 1 / Roloff
Oft scheint die Heldin ein wenig durch den Wind zu sein. Das richtige Outfit zum richtigen Zeitpunkt, Autofahren, Berichte schreiben – das sind nicht gerade ihre Stärken. Um die gravierenden Schwächen zu überspielen, geht so viel Energie drauf, sodass schnell an anderen Ecken und Enden bei ihr das Chaos ausbricht. “Als Legasthenikerin muss sie sehr kreativ sein, um bestimmte Prüfungen zu bestehen”, so Harfouch. “Genau wie Blinde entwickeln Legastheniker bestimmte Verhaltens- und Umgehungstechniken.” Ihr in der Filmehe einen Professor (gespielt von Herbert Knaup) an die Seite zu geben, ist da ein besonders hübscher Einfall vom Grimme-Preis-gekrönten Autor Sascha Arango. “Eva Blond ist sehr intelligent, ihre unverbildete Sichtweise kann erfrischend sein”, betont Harfouch.
Mit weiblicher Intuition und sehr viel Eigensinn, der sie in arge Bedrängnis bringt, löst sie ihren ersten Fall. An ihrer Seite agiert ein Mann, der mit stoischer Ruhe und Psychologie auf Mörderjagd geht. Alyans Kara ist Türke und ein hochmoralischer Prinzipienmensch. Sie ergänzen sich als Ermittler ideal, sie sind aber auch ein wunderbares Filmpaar. Aufzuklären gibt es in der ersten Episode den mysteriösen Mord an einer jungen Frau. Seltsam ist vor allem das Szenario der Tat: eine Frau wird durch einen Stromschlag in der Badewanne getötet und danach in ihr Bett umgelagert. Schnell hat man einen mutmaßlichen Täter: der Freund der Toten, ein Kranführer, der beinahe Blonds Kollegen Kara mit einer Dixi-Toilette ins Jenseits befördert. Doch der Mann schweigt beim Verhör und später für immer.
Der Krimifall ist Krimifall, aber die Charaktere und Situationen sprengen mitunter das enge Korsett üblicher Fernsehkrimis. Mit Bella Block, Rosa Roth oder Jenny Berlin hat diese Sat-1-Kommissarin wenig gemein. Sie ist ein bunter Vogel, keine tiefgründelnde Psychologin, die sich auf Zweikämpfe mit Mördern und Psychopathen einlässt. Corinna Harfouch hat ihre TV-Kolleginnen auch noch nicht gesehen. “Ich habe gar keinen Fernseher”, sagt sie und lacht. Auch das passt zu ihrer Figur. Apropos Fernsehkrimis: In einer Szene regt sich die Heldin maßlos auf über die unrealistischen Fernsehkrimis: “Ist das eine gequirlte Scheiße … Ich hab’ noch nie auf jemanden geschossen, die meiste Zeit sitze ich im Büro und sitze mir den Arsch breit oder ich laufe irgendwo in der Gegend rum.” (Text-Stand: 9.10.2002)