Tempo, Witz & Lokalkolorit: Dem „Fahnder“ auf der Spur
Die Tage von Derrick & Co sind gezählt. Denn die Zeiten für betagte Biedermänner sind endgültig vorbei im deutschen Fernsehkrimi. Nach Zappek, Uli Fichte in „Alles außer Mord“ und dem Damen-Duo von „Doppelter Einsatz“ ist nun auch Hauptkommissar Balko ein typisches Serien-Gesicht der 90er Jahre: strubbeliger Lockenkopf, Dreitagebart und Ring im Ohr – das weist ihn als gutgelaunten Hedonisten aus, dem der Beruf nicht alles ist. Schließlich ist da auch noch Freundin Colette, die Kumpels aus der Stammkneipe oder der Heftchen-Dichter Conny vom Büdchen um die Ecke. Auch König Fußball huscht immer mal wieder in Form schwarzgelber Fans durch die Szenerie: Wen wundert’s, „Balko“ spielt in Dortmund. „Es sind die komödiantischen Elemente, die die Serie von anderen Krimis unterscheiden“, ist sich Hauptdarsteller Jochen Horst sicher. Witz und Entertainment seien aber nur die eine Seite von „Balko“, mit der RTL eine Alternative zu den härteren und etwas realistischeren Sat-1-Berlin-Krimis „AS“ und „Wolffs Revier“ versucht. „Natürlich sind auch die Fälle was Besonderes, obwohl sie auf den ersten Blick unspektakulär wirken“, so der 33-Jährige.
Jochen Horst: „Balko steht über vielen Dingen und lacht über sie“
Ein Großteil des Reizes von „Balko“ liegt im Miteinander unterschiedlichster Typen. Da ist neben dem Titelgeber noch Krapp, die gutmütige graue Maus der Kripo. „Ein gebrochener Held“, wie sein Darsteller Ludger Pistor betont. „Einer, der aus seiner Haut und seinem Umfeld nicht raus kann, nicht zuletzt wegen seiner resoluten Mutter.“ Ein großer Gewinn ist auch Dieter Pfaff, der beim „Fahnder“ bekanntlich stets der Doofe ist. In „Balko“ darf er selbst mal Chef spielen – und verhunzt mit Vorliebe die Namen von Zeugen und Verdächtigen. „Er liebt es, ganz wie Columbo, unterschätzt zu werden.“ Und Balko? Wie Fichte, Zappek & Co ist er ein Bauch-Cop, unbestechlich, seinem Gewissen verpflichtet. „Er steht über vielen Dingen und lacht über sie“, so Jochen Horst. Das macht ihn attraktiv für die jungen Zuschauer. Und für die Rest-Frische sorgt einer wie Nico Hofmann. (Text-Stand: 1994)
Kritik: „Balko – Bon Voyage“ (21.3.1994)
Was der „Fahnder“ kann, kann „Balko“ schon lange: Seiner Phantasie vertrauen statt kriminalistischer Routine zu erliegen, sich mit Autoritäten und mit den Schreibtischtätern anderer Abteilungen herumplagen – das sind seine beruflichen Qualitäten. Doch auch sein Privatleben kommt in neuen RTL-Krimiserie nicht zu kurz: Dafür sorgten Herzblatt Colette und Balkos bester Freund. Die Auftaktfolge „Bon Voyage“ versprach viel für die kommenden 15 Einsätze vom Dortmunder Smartie und seiner schrägen Truppe. Da sind der hypochondrische Chef Vollmer (großartig: Dieter Pfaff) und das schiefgesichtige Muttersöhnchen Krapp (eine Entdeckung: Ludger Pistor) – und Balko selbst, der Bauch-Mensch, dessen Darsteller Jochen Horst nicht nur die Damenwelt in Verzückung setzen dürfte. Selten gab es in den letzten Monaten einen Serienhelden, den man so rasch ins Herz schließen konnte wie diesen sympathischen Dreitagebart-Träger. Dass einen da der Mordfall Bolz zunächst weniger beschäftigte, klare Sache. Gegen Ende lief der Schmunzelkrimi sogar noch zu einer kurzzeitigen Spannungshochform auf. Wenn „Balko“ so weitermacht, müssen sich „Fahnder“ & Co warm anziehen.
Im ersten Fall wird nach wenigen Sekunden der Leiter des Rechenzentrums eines großen Krankenhauses als Botaniker geoutet – dann muss er im wahrsten Sinne des Wortes ins Gras beißen. Außerdem beunruhigen die Kripo eine Reihe von Krankenhaus-Einbrüchen. Balko & Co kommen bald auch mit den etwas zwielichtigen Geschäftspraktiken eines Beerdigungs-Instituts in Berührung. Am Ende segnet der sympathische Held beinah selbst das Zeitliche. tit.