Arthurs Gesetz

Liefers, Gedeck, Tschirner, Gutsche, Zübert. Ein Horror-Pärchen & mehrere Todesfälle

Foto: TNT / Hendrik Heiden
Foto Tilmann P. Gangloff

„Arthurs Gesetz” (TNT / good friends) erzählt die Geschichte eines Pantoffelhelden, der ohne eigenes Verschulden in eine immer groteskere Kettenreaktion aus absurden Missgeschicken und bizarren Todesfällen hineingezogen wird. Weil makabre Scherze nicht jedermanns Geschmack sind, wären die sechs Folgen zumindest in dieser Form bei ARD und ZDF nur schwer vorstellbar, zumal Serienschöpfer Benjamin Gutsche und Regisseur Christian Zübert nach Herzenslust übertreiben. Den größten Spaß bereiten die vielen originellen Einfälle. Schon allein die liebevoll ausgedachten Todesfälle sind höchst amüsant und machen oft eine große Sauerei (versaut sind auch die Dialoge). Sehenswert ist die „Comedy noir“ nicht zuletzt wegen der darstellerischen Leistungen; Nora Tschirner hat man so noch nie gesehen.

Der Sender nennt die sechsteilige Serie eine „Comedy noir“. Andernorts würde man schlicht „schwarze Komödie“ sagen, aber das Etikett passt recht gut, denn „Arthurs Gesetz“ fällt aus dem üblichen Schema solcher Geschichten: weil die Ereignisse, die der unglücklichen Titelfigur widerfahren, höchst ungewöhnlich sind. Arthur Ahnepol (Jan Josef Liefers) ist der typische naive Antiheld: ein Kleinbürger, der so unscheinbar ist, dass er in der Kneipe übersehen wird. Vermutlich sehnt er sich schon sein ganzes Leben danach, einen Zipfel vom Glück zu erhaschen. Stattdessen hat ihn das Schicksal mit einem Drachen gestraft: Martha (Martina Gedeck) ist eine Tyrannin, die den Gatten Tag für Tag ihre Verachtung spüren lässt („Kämm’ dir die Haare, was sollen denn die Leute denken“). Um ihren anspruchsvollen Lebensstandard zu finanzieren, hat sie Arthur eines Tages zu einem unerhörten Opfer überredet: Er hat sich bei der Arbeit tatsächlich die Hand abgesägt, um anschließend eine stattliche Versicherungssumme zu kassieren, aber keinen Cent bekommen, denn eine Überwachungskamera hat alles aufgezeichnet. Nun muss er sich regelmäßig beim Jobcenter einfinden, um sich von einer arroganten Sachbearbeiterin (Nora Tschirner) demütigen zu lassen. Als er an seinem Geburtstag die Kneipe „Zum Kronleuchter“ aufsucht, dort von einer reizenden Karaoke-Sängerin (Cristina do Rego) angesprochen wird und schließlich in ihrem Bett landet, ist dies der Beginn jener Kettenreaktion, auf die der Titel anspielt: Jede Lösung erzeugt prompt ein neues Problem, diverse groteske Todesfälle inklusive.

Kreativer Kopf hinter der Serie ist Benjamin Gutsche, dessen überschaubare Filmografie neben einigen Kurzfilmen die Drehbuchmitarbeit an der Kinderserie „Armans Geheimnis“ enthält. Natürlich ist es ungewöhnlich, dass ein Sender einem wenig erfahrenen Autor ein derartiges Projekt überlässt, aber die Maßnahme verdeutlicht auch die Risikofreude, durch die sich Pay-TV- und Streamingdienste von den etablierten Sendern unterscheiden. Quasi als Ausgleich hat TNT Comedy (der Sender zeigt die Serie an drei Abenden hintereinander in Doppelfolgen) mit Christian Zübert einen Regisseur engagiert, der einst mit der Kifferkomödie „Lammbock“ (2001) recht furios gestartet ist und seither einige sehenswerte Filme gedreht hat, darunter neben der Gangsta-Komödie „Hardcover“ (2008) auch die aus moralischen Gründen heftig kritisierte Komödie „Hin und weg“ (2014) über selbstbestimmtes Sterben. Eine seiner schönsten Arbeiten ist „Dreiviertelmond“ (2011) über die widerwillige Freundschaft zwischen einem Taxifahrer und einem kleinen türkischen Mädchen.

Arthurs GesetzFoto: TNT / Hendrik Heiden
Scheibenkleister, den Arm umsonst abgehackt: Arthur Ahnepol (Jan Josef Liefers). „Arthurs Gesetz“ (TNT Comedy, 2018)

„Arthurs Gesetz“ ist allerdings komplett anders, wie schon die Bilder verdeutlichen. Gerade bei den Innenaufnahmen im Haus von Arthur und Martha hat Kameramann Ngo The Chau für ein Licht gesorgt, das sich am besten mit „Gelsenkirchener Barock“ beschreiben lässt. Der Mief eines schlecht gelüfteten Wohnzimmers ist förmlich zu riechen, die Farben sind erdig und schwer, Einrichtung und Atmosphäre wirken vorgestrig; daran ändern auch die Putzroboter nichts, die Martha die Hausarbeit abnehmen. Das Eigenheim wirkt wie eine Gruft, in der Arthur lebendig begraben ist, was ihm allerdings erst bewusst wird, als er sich in Jesse verliebt, die unbegabte Sängerin aus dem „Kronleuchter“. Die junge Frau hat ein großes Herz und macht Arthur einen Sonderpreis, weil er Geburtstag hat, aber zahlen muss er trotzdem, denn Jesse ist Prostituierte. Weil er nur einen Zehner dabei hat, taucht in der Nacht ein vierschrötiger Typ auf, um sich den Rest zu holen: Mario (Robert Gallinowski) liebt Jesse wie eine Tochter, ist aber auch ihr Zuhälter. Mit vereinten Kräften gelingt es Ehepaar Ahnepol, das Problem gründlich zu lösen: Martha hält den Eindringling fest, Arthur füllt ihn mit Bauschaum ab. Liefe diese Serie bei ARD oder ZDF, würden vermutlich viele Menschen spätestens jetzt umschalten, denn Zübert zeigt, warum Handwerker von „Ausschäumen“ sprechen, wenn sie das Zeug verwenden. Um sich der Leiche zu entledigen, bittet Martha ihre Zwillingsschwester (ebenfalls Gedeck). Bei Muriels Methode, Mario verschwinden zu lassen, sind noch mehr Bauschaumdosen im Spiel… Diese Szene dürfte einmalig in der TV- & Film-Geschichte sein.

Makabre Scherze sind erfahrungsgemäß nicht jedermanns Geschmack, weshalb die einen „Arthurs Gesetz“ witzig und bizarr finden werden, die anderen dagegen bloß bemüht. Weil sich eine Mehrheit der Zuschauer auf den gemeinsamen Nenner Krimi einigen kann, während sich an Humor im Allgemeinen und schwarzen Komödien insbesondere aber die Geister scheiden, trauen sich ARD und ZDF nur selten an Stoffe jenseits der ausgetretenen Erzählwege; und wenn doch, dann sind sie meist nicht sonderlich erfolgreich. Bestes Beispiel ist „Morgen hör ich auf“ mit Bastian Pastewka (ZDF 2015). Der Vergleich mit „Arthurs Gesetz“ hinkt zwar etwas, aber beide Serien erzählen von einem Kleinbürger, der aus seinem gewohnten Dasein ausbricht. Davon abgesehen haben sich Gutsche und Zübert ganz offensichtlich vorgenommen, über alle möglichen Stränge zu schlagen. Das beginnt beim verwirrenden Make-up von Nora Tschirner, die kaum zu erkennen ist, und endet bei Gedecks ähnlich dick aufgetragenem Spiel; kein Wunder, dass Liefers als unterdrückter Ehemann so überzeugend klein und hässlich wirkt. Vielleicht wollte Gedeck auf diese Weise die Unterschiede zwischen der skrupellosen Martha und der skrupulösen Muriel hervorheben. Verklärende Rückblenden offenbaren zwar, dass es auch mal bessere Zeiten für das Ehepaar gab, aber die Schwester wäre fraglos die richtigere Frau für Arthur; natürlich führt sein Weg zum Glück nur über Marthas Leiche. Nach zwei fehlgeschlagenen Mordversuchen manövriert sich die Gattin allerdings aus der Schusslinie, was einen fiesen Cliffhanger zur Folge hat.

Den größten Spaß machen die vielen originellen Einfälle, erst recht, wenn Zübert sein Publikum nicht mit der Nase darauf stößt, weil zum Beispiel Muriels dunkelhäutiger Kollege Jerome (Michael Klamme) die Tassen mit den Aufschriften „Good Cop“ und „Black Cop“ in die Kamera halten muss. Einige dieser Gags, etwa ein dialogisches Wortspiel mit den Begriffen „Albaner“ und „alberner“, legen zudem die Vermutung nahe, bei der Ideenfindung sei gehörig Alkohol im Spiel gewesen. Schon allein die liebevoll ausgedachten Todesfälle sind höchst amüsant: Als sich Arthur unter Jesses Bett versteckt, bleibt seine Prothese an einer Schraube hängen; seine Befreiungsversuche haben letztlich zur Folge, dass Barbesitzer Steven (Timo Jacobs) vom Kronleuchter schlagen wird. Später lernt Möchtegern-Gangster Holger (David Bredin), der zwischenzeitlich aufgrund einer der vielen absurden Kollateralschäden zum wandelnden Scheinwerfer wird, warum man bei Russisch Roulette besser keine echten Patronen verwenden sollte. Dass die Unglücksfälle regelmäßig mit großer Sauerei einhergehen, versteht sich fast von selbst; einige Dialoge sind ebenfalls ziemlich versaut. Das Bemühen um Originalität zeigt sich nicht zuletzt in der Bildgestaltung: Zwischendurch wechselt die Erzählperspektive unvermittelt zu den kleinen Putzrobotern, deren Wahrnehmung in Schwarzweiß gehalten ist. Sympathisch ist auch die Idee, die in den einzelnen Folgen verwendeten Lieder über den Abspann zu legen, zumal Titel wie „Liebe ohne Leiden“ oder „Love Hurts“ durchaus Bezug zur Handlung haben. (Text-Stand: 24.11.2018)

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Serie & Mehrteiler

TNT

Mit Jan Josef Liefers, Martina Gedeck, Nora Tschirner, Cristina do Rego, David Bredin, Robert Gallinowski, Michael Klammer, Ronald Kukulies, Timo Jacobs, Justus Johannsen

Kamera: Ngo The Chau

Szenenbild: Markus Dicklhuber

Kostüm: Birgitta Lohrer-Horres

Schnitt: Andrea Mertens

Musik: Christoph Blaser

Redaktion: Anke Greifeneder

Produktionsfirma: good friends Filmproduktion

Produktion: Moritz von der Groeben, Nataly Kudiabor

Headautor*in: Benjamin Gutsche

Drehbuch: Benjamin Gutsche, Ceylan Yildirim, Sebastian Bleyl

Regie: Christian Zübert

EA: 18.12.2018 20:15 Uhr | TNT

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