Annas Heimkehr

Schwarzenberger und Ferres: Grausam banaler Alltag im Dritten Reich

Foto: BR / Arte
Foto Rainer Tittelbach

“Dieser Film will ein Denkmal sein”, sagt Autor Herbert Knopp. Ein Denkmal für eine couragierte Frau, die im Nationalsozialismus ihr Leben für das eines anderen Menschen aufs Spiel gesetzt hat. Jene Anna Schweighöfer ist Fiktion. Eine kleine Geschichte, ein Einzelschicksal – und das so präzise erzählt, dass dahinter der Zeithorizont aufscheint.

“Dieser Film will ein Denkmal sein”, sagt Drehbuchautor Herbert Knopp. Ein Denkmal für eine couragierte Frau, die im Nationalsozialismus ihr Leben für das eines anderen Menschen aufs Spiel gesetzt hat. Jene Anna Schweighöfer ist Fiktion. Über sie sprechen kann nur ihr Erfinder: “Dieser Frau wäre es vermutlich gar nicht recht, wenn über sie ein Film gemacht würde”, sagt Knopp. “Aber wenn es sein müsste, würde sie alles noch einmal tun, ohne zu zögern, mit der gleichen resoluten Menschlichkeit.”

Nazi-Deutschland 1942. Das Kindermädchen Anna rettet 1942 die neunjährige Tochter ihres ehemaligen jüdischen Dienstgebers vor der Deportation. Sie kehrt mit dem Mädchen in ihr Heimatdorf zurück, das sie zehn Jahre zuvor im Streit mit der Familie verlassen hatte. Aus der kleinen Franziska wird Franzi, aus der jüdischen Intellektuellentochter ein Jungmädel mit Zöpfen und Alpträumen, das sich nur langsam in den katholisch-nationalsozialistischen Provinzalltag einlebt. Schwer ist es auch für Anna, die wachsam darauf bedacht ist, dass die Lüge, die kleine Franzi sei ihre Tochter, nicht auffliegt. Doch ein alter Verehrer, der durch Partei und Krieg Karriere gemacht hat, kommt ihr auf die Schliche. Er will schweigen, wenn sie sich sexuell erkenntlich zeigt.

“Annas Heimkehr” erzählt eine kleine Geschichte, ein Einzelschicksal – und das so präzise, dass dahinter der ganze historische Zeithorizont aufscheint. Beiläufiger als in vielen anderen Filmen über den Nationalsozialismus entwirft Regisseur und Kameramann Xaver Schwarzenberger einen stimmigen kleinbürgerlichen Mikrokosmos, der ebenso viel über die Zwänge des Dorflebens verrät wie über die Mechanismen politischer Machtsysteme. Auch das Absurde, das grausam Banale von historischen Ereignissen macht der Film deutlich. Dazu gehört die kindlich-naive Perspektive, mit der die kleine Heldin das hysterische Nazi-Treiben beäugt. Aber auch die kleinlaute Wende-Politik der Provinz-Braunen, die schnell noch die Insignien des 1000-jährigen Reichs ins Feuer werfen, als der erste US-Panzer ins judenfreie Dorf einrollt. Eindrucksvoll auch: wie ein Bub auf seinen Vater, der einst Ortsgruppenleiter war und sich nun im Angesichts des Amis zum bloßen Bürgermeister degradiert, einschlägt und ihn einen “Verräter” schimpft.

Schwarzenberger erweist sich einmal mehr als großer Bildregisseur, der hier auch den Ton meisterlich einsetzt. Indem er die Deportation von Franziskas Eltern zu Beginn und später im Dorf die SS-Horden eines Kameradschaftstreffens nur mit Dialogfetzen, Geräuschen und Gegröle aus dem Off andeutet, reduziert er die vielzitierten Nazi-Klischees auf ein erträgliches Mindestmaß. Die Botschaft dahinter: von der Grausamkeit der Nazis lässt sich kein Bild machen. Das System lebt in Menschengestalt – in schwachen Kreaturen wie Annas Bruder, dem kleinen Nazi-Bürgermeister, der nach oben buckelt, oder dem Aushilfskellner, der als Sturmbannführer Karriere macht. Und der Film lebt von großartigen Schauspielern wie Herbert Knaup, Karl Markovics oder Julia Stemberger. Emotional getragen wird “Annas Heimkehr” von der Kinderdarstellerin Julia Krombach und Veronica Ferres, die trotz einiger Probleme mit dem bayerischen Idiom hier eine ihrer besten Rollen spielt.

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Fernsehfilm

Arte, BR

Mit Veronica Ferres, Julia Krombach, Herbert Knaup, Julia Stemberger, Karl Markovics, Erni Mangold, Veronika Fitz, Andrea Eckert

Kamera: Xaver Schwarzenberger

Szenenbild: Günther Gutermann

Schnitt: Helga Borsche

Musik: Arthur Lauber

Produktionsfirma: Endemol

Drehbuch: Herbert Knopp

Regie: Xaver Schwarzenberger

EA: 05.09.2003 20:45 Uhr | Arte

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