Alphamännchen

Beck, Kaya, Führmann, Rott, Jan Martin Scharf, Tobi Baumann. Das Comeback des Chauvis

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Foto Tilmann P. Gangloff

Die prominent besetzte und äußerst kurzweilige Netflix-Serie „Alphamännchen“ (Geißendörfer Pictures) bietet vier Beziehungskomödien zum Preis von einer. Vier Kölner Freunde werden in der Mitte ihres Lebens mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert: Der eine verliert seinen Job als Verlagsleiter, der zweite will seine Freundin heiraten, aber die schlägt stattdessen eine offene Beziehung vor, der dritte muss damit leben, dass sich seine Frau das vermisste „Feuer im Bett“ woanders besorgt. Der vierte ist eigentlich glücklicher Single; bis ihm seine Teenager-Tochter ein Tinderprofil einrichtet. Die auf einer spanischen Serie basierenden acht Folgen bieten über vier Stunden lang ein regelrechtes Füllhorn an Situationskomik und an zumeist funktionierenden Pointen; die Serie benötigt allerdings ein bisschen, um sich warmzulaufen.

Alle reden von toxischer Männlichkeit, doch was ist das überhaupt? Klar, es gibt die Steinzeittypen, die immer noch nicht kapiert haben, dass die Keule als Argument ausgedient hat, aber womöglich sind die Wölfe im Schafspelz viel schlimmer; und davon handelt die Netflix-Serie „Alphamännchen“. Die Drehbücher basieren auf „Machos Alfa“, einer Ende 2022 gestarteten und gleichfalls für Netflix entstandenen Serie, die mittlerweile bereits drei Staffeln umfasst. Wie schon bei „Club der roten Bänder“ haben Arne Nolting und Jan Martin Scharf (hier unterstützt von Tanja Bubbel und Fabienne Hurst) die Vorlagen klug und pointiert auf deutsche Verhältnisse übertragen. Dank der Umsetzung durch die Grimme-Preisträger Scharf und Tobi Baumann sind die acht Folgen höchst unterhaltsam und auch mit gut vier Stunden keine Minute zu lange.

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Erik (David Rott) will seine Freundin Kim (Marleen Lohse) heiraten, doch die schlägt stattdessen eine offene Beziehung vor.

Die vier Titelfiguren mögen im Zentrum stehen, aber die treibenden Kräfte der Handlung sind die Frauen an ihrer Seite. Es gibt daher siebeneinhalb Hauptrollen, und schon allein das Ensemble ist ein Traum, selbst wenn gerade die Besetzung der Männer dem klassischen „Typecasting“ entspricht: Tom Beck als Prototyp des Machos, Moritz Führmann als Softie, Serkan Kaya als Psychologe. Einzig David Rott fällt ein bisschen aus dem Rahmen: Restaurantbesitzer Erik hat zwar eine Geliebte, beendet die Sexaffäre jedoch, um seiner Partnerin einen Antrag zu machen. Kim, (Marleen Lohse), geschiedene Scheidungsanwältin, hat jedoch ganz andere Pläne. Sie befürchtet nach fünf Beziehungsjahren eine gewisse Langeweile, schlägt eine offene Beziehung vor und überredet Erik zum Besuch eines Swingerclubs, wo er den vermutlich peinlichsten Moment seines Daseins als Erwachsener erlebt.

Mit Überraschungen dieser Art erfreuen die Drehbücher immer wieder: Dauernd kommt es anders, als die Handlung erwarten ließe. Andi und Silke (Führmann, Franziska Machens) zum Beispiel führen eine solide, aber etwas in die Jahre gekommene Ehe, die ähnlich aufregend ist wie ihre Berufe: Er verteilt als Ordnungshüter Knöllchen, sie ist Fahrlehrerin. Silke will wieder „mehr Feuer im Bett“ und verguckt sich in einen schmucken Fitness-Trainer; der bedröppelte Andi, ein famoser Vater, weiß gar nicht, wie ihm geschieht.

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Männer in den Vierzigern haben es in den 2020ern nicht leicht. Serkan Kaya, Moritz Führmann, Tom Beck & David Rott

Auch der aufgeblasene Ulf (Beck), Leiter eines Verlags, der ein Fitness-Magazin für Männer herausgibt, muss sich an eine Rolle gewöhnen, die ihm völlig fremd ist: Sein Chef setzt ihm eine Frau vor die Nase, weshalb er umgehend kündigt. Weil er bei seinem Abgang wenig Größe zeigt, was sich prompt in der Branche ’rumspricht, findet er keinen neuen Job; und dann wird seine Frau (Mona Pirzad) auch noch als „Momfluencerin“ erfolgreich und zur Ernährerin der Familie. Nach dem Besuch eines Seminars zur Selbstdekonstruktion von Männlichkeit dreht Ulf den Spieß um und propagiert mit einem Macho-„Mannifest“ das Comeback des Chauvinismus’.

Soundtrack: Christopher Cross („Ride Like The Wind“), Gunter Kallmann Choir („Daydream“), Conway Twitty („Lonely Blue Boy“), Caesars („Jerk It Out“), James Righton („The Performer“), Shirin David („Bauch Beine Po“), Die Draufgänger („Cordula Grün“), Thin Lizzy („The Boys Are Back In Town“), Jägermeister DJ Alex & Matty Valentino („Auffe aufn Berg“), Tobee („Helikopter 117“), Marietta Waters („Fire And Ice“), War („Why Can’t We Be Friends“), Siggi („Halt dein Maul“), Joe Dassin („Les Champs Elysées“), Ben L’ Oncle Soul („Halleluhja“), Huey Lewis & The News („The Power Of Love“), D/troit („What’s A Man Gotta Do“), Oh The Larceny („Man On A Mission“), Mick Harvey („Out Of Time Man“)

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Was tun bei Testosteron-Mangel und einer Ehefrau, die „mal wieder richtig bumsen will“? Moritz Führmann als Softie Andi

Die vier Kölner Freunde, alle Mitte vierzig, kennen sich seit der Schulzeit und treffen sich regelmäßig, aber über die wirklich wichtigen Dinge in ihrem Leben reden sie nicht miteinander. Das gilt auch für Cem (Kaya), der Ulf allerdings aus gutem Grund verschweigt, in wen er sich verliebt hat. Diese Ebene ist die witzigste des Films, was nicht zuletzt an Valentina Leone liegt. Die junge Schauspielerin ist der heimliche Star der Serie, hat die mit Abstand bissigsten Zeilen und versieht Cems Teenager-Tochter mit einer begeisternden Natürlichkeit. Weil Alina der Meinung ist, dass ihr Vater nach der Scheidung von Karla (Franziska Wulf) endlich wieder eine Beziehung haben sollte, richtet sie ihm ein Tinder-Profil ein. Dass gleich das erste Date ein Volltreffer ist, war allerdings nicht vorgesehen; dass er sich dabei als Witwer ausgibt, bringt ihn später noch schwer in die Bredouille. Außerdem handelt es sich bei Vanessa (Jaela Probst), die seine Vorliebe für uralte Computerspiele teilt, ausgerechnet ums Ulfs Erzfeindin, die ihm den Job weggeschnappt hat, und das kommt irgendwann selbstredend ebenso ans Licht wie all’ die anderen kleinen und großen Geheimnisse.

Wegen der vielen Hauptfiguren ist die Struktur recht episodisch, weil die Handlung ständig von einer Figur zur nächsten hüpft, aber das macht gar nichts, zumal die Übergänge oftmals originell gestaltet sind und die Serie durch eine geradezu verschwenderische Vielzahl von Einfällen erfreut. Nicht alle Gags sind gänzlich neu und einige auch recht wohlfeil: Der Sohn von Silke und Andi hat das neue Sexspielzeug mit in die Schule genommen, Ulf hält die durch ein eingewachsenes Haar verursachten Schmerzen für Vorboten von Hodenkrebs; aber die Slapstickszenen sind famos gespielt und die Dialoge ohnehin ein großes Vergnügen. Ein Ski-Ausflug des Quartetts ins Bundesland Salzburg mit Ballermann-Musik hätte sich zwar deutlich kürzer erzählen lassen, sorgt aber für etwas Action und entsprechende Kurzweil. Besonderen Spaß machen viele kleine Momente, darunter die Auftritte des Urologen von Ulf und Erik, die Lektion, die Andi und sein Kollege (Sahin Eryilmaz) als „bad cop“ und „very bad cop“ dem Fitnesstrainer (Eugen Bauder) verpassen oder eins von Cems Dates (als Gast: Jasna Fritzi Bauer), bei dem er gewaltig ins Fettnäpfchen tritt. Gemessen an dem Füllhorn großartiger Einfälle ist das Ende allerdings etwas kraftlos. Möglicherweise erhofft man sich so eine zweite Straffel.

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Netflix

Mit Tom Beck, Moritz Führmann, David Rott, Serkan Kaya, Franziska Machens, Mona Pirzad, Marleen Lohse, Valentina Leone, Jaela Probst, Franziska Wulf, Sahin Eryilmaz, Eugen Bauder, Ilia Djahed, Nikolaus Benda, Jasna Fritzi Bauer, Sabine Vitua, Lukas Podolski

Kamera: Felix Novo de Oliveira, Philipp Kirsamer

Szenenbild: Uta Materne

Kostüm: Pieter Bax

Schnitt: Benjamin Ikes, Jochen Donauer

Musik: Martina Eisenreich

Produktionsfirma: Geißendörfer Pictures

Produktion: Hana Geißendörfer

Drehbuch: Arne Nolting, Jan Martin Scharf, Tanja Bubbel, Fabienne Hurst – nach der spanischen Netflix-Serie „Machos Alfa“

Regie: Jan Martin Scharf, Tobi Baumann

EA: 02.10.2025 10:00 Uhr | Netflix

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