Mit ihrem Verlag haben Janne (Aenne Schwarz) und Piet (Andreas Döhler) gerade Insolvenz angemeldet. Während sich Piet in die Renovierung eines verwahrlosten Hauses stürzt, hadert Janne mit dem Scheitern. Das Jobangebot eines Bekannten (Tilo Nest) nimmt sie daher prompt an. Dass Martin (Hans Löw), der Schwager ihres neuen Chefs, kurz zuvor gegen ihren Willen mit ihr geschlafen hat, ändert daran nichts. Sie will den Job und nicht die Opferrolle. Vor Piet verschweigt sie den Vorfall, ein Gespräch mit ihrer Mutter (Lina Wendel) würgt sie ab und dem überforderten Martin verspricht sie in immer neuen Begegnungen, dass es Schlimmeres gibt. Umso mehr ihre Alleingänge ihre Beziehung ins Wanken bringen, desto schwerer fällt es ihr, das coole Versprechen gegenüber Martin aufrechtzuerhalten.
„Sich als schwaches Geschlecht zu sehen, wäre also schlicht selbstlimitierend und entspricht nicht der Lebenswirklichkeit ihres kinderlosen bürgerlichen Umfelds. Ich begann mich zu fragen, was passiert, wenn so eine Figur, im archaischsten Sinne, einem Mann ‚zum Opfer‘ fällt? Unsere Gesellschaft hat sehr klare Vorstellungen davon, wie sich ein ‚Opfer‘ fühlt und wie es sich zu verhalten hat. Darauf hat Janne aber keine Lust.“ (Eva Trobisch, Autorin & Regisseurin)
Die zweithäufigste Phrase in amerikanischen Dramen und Erwachsenen-Serien (nach „Wir müssen reden“) dürfte wohl „Es ist alles gut“ sein. In der deutschen Kinokoproduktion „Alles ist gut“ geht es nun aber nicht um eine jener Mittelstandsbeziehungen, bei denen von Haus aus alles unter den Tisch gekehrt wird, Heldin des bemerkenswerten Debütfilms von Eva Trobisch ist vielmehr eine Frau, Mitte 30, die sich gern als gebildet, aufgeklärt und cool bezeichnen würde. Bei ihr ist nichts gut, aber sie geht darüber hinweg: Sie verdrängt forsch den Ekel, den sie in jener Nacht, als sich der ziemlich biedere Mann, den sie auf dem feuchtfröhlichen Klassentreffen kennengelernt hatte, verspürt haben muss, sie lächelt ihre Verletzungen in sich hinein, blockt jedes Gespräch darüber, was ihr widerfahren ist, ab, ja, sie reagiert ihrerseits schroff und verletzend – worunter vor allem die Beziehung zu ihrem Freund Piet leidet.
„Wie sich die Protagonistin immer weiter in eine emotionale Sackgasse manövriert, die dann in einer absurden Alltagssituation zum Zusammenbruch führt, zeigt der Film nicht als Betroffenheitsmelodram, sondern mit der ganzen harten unlogischen Logik, mit der Menschen sich selbst belügen können, wenn sie Extremsituationen ausgesetzt sind. Ein Film, den man gerade all jenen Schreihälsen zeigen sollte, die Opfern gerne vorwerfen, dass sie sich nicht sofort zu Wort melden, wenn ihnen etwas passiert ist, sondern oft erst viel später dazu in der Lage sind. Warum wohl?“ (David Steinitz, Süddeutsche Zeitung)
„In ihrer Rolle wirkt Aenne Schwarz nicht nur zugleich mädchen- wie jungenhaft, ihr Spiel oszilliert auch stets zwischen Nonchalance, Fragilität und äußerster Kühle. Jederzeit spürt man: Diese Frau verliert ungern die Souveränität über ihr Handeln.“ (Kaspar Heinrich, SPIEGEL online)
„Alles ist gut“ ist erfreulicherweise kein Themenfilm über eine Vergewaltigung, sondern das Porträt einer jungen Frau, die durch den körperlichen Übergriff in ihrem Selbstverständnis erschüttert wird. Der Film, Trobischs Regie-Abschluss an der HFF, ist noch vor der #Metoo-Debatte entstanden. Danach hätte sie ihn wohl nicht gemacht. Denn psychologische gut/böse-Szenarien interessieren sie nicht, lieber erforscht sie soziale Systeme, wie sie selbst sagt, Kommunikationsfelder. „Wenn eine Sache ins Schwingen kommt, schwingen alle mit“, so Trobisch. „Deshalb finde ich es ungehörig, wenn es auf all diese Erlebnisse und Geschichten der Figuren eine Pauschalantwort gibt.“ Anzeige, Trauma, gestörter Sex für immer – dieser einzigen gesellschaftlichen „Wahrheit“ wollte die Autorenfilmerin, deren ausschnitthafte Ästhetik deutlich dem Stil der Berliner Schule verwandt ist, etwas (Individuelles) entgegensetzen. So entwickelt der Film auch leise Sympathien für den Vergewaltiger, der sich seiner Tat aufrichtig schämt, der aber genauso wenig wie Janne mit den Ereignissen jener Nacht umzugehen vermag. Er ist kein testosterongesteuertes Tier – und so irritiert Jannes Abgeklärtheit ihn mehr, als dass ihn diese beruhigen würde. Doch irgendwann wohl dürfte ihr Körper nicht mehr mitmachen. Und ihr Verdrängungswerkzeug, ihr Kopf, auch nicht. Das Schlussbild, das der Anfang für einen anderen Film sein könnte, deutet dies an: Ihre Reaktion auf eine Fahrkartenkontrolle ohne Ticket macht deutlich: rein gar nichts ist gut.