Ein Mann und eine Frau begegnen sich. Die Autorin Patrizia Munz bangt um ihren Pariser Liebhaber, der nach einem Unfall im Koma liegt. Der Investment-Banker Frank Berendssen dagegen ist angespannt wegen eines Milliardengeschäfts mit einer französischen Traditions-Metzgerei. Jedes Mal ist es der Flughafen, auf dem sie förmlich übereinander stolpern. Beim ersten Mal sind beide von Unruhe erfüllt, beim zweiten Mal haben sich ihre Lebensumstände grundlegend verändert. Bei ihr ist es das Abschalten der Maschine, an dem ihr verheirateter Lover hing, bei ihm ist es das großartige Scheitern seines deutsch-französischen Deals – erst diese zwei Ereignisse sorgen für eine Annäherung der beiden grundverschieden sozialisierten Menschen. Aber es dauert noch eine Zeit, bis sowohl die nachdenklich gewordene Patrizia als auch der zwischenzeitlich in Alkohol und Selbstmitleid ertrinkende Frank erkennen, dass sich jeder von ihnen in einer sehr ähnlichen Lebensphase wie der andere befindet. C’est la vie.
„Dass es ohne ein Ende niemals einen Anfang geben wird.“ So bedeutungsschwer wie „Adieu Paris“ beginnt, erscheint diese Kinokoproduktion immer dann, wenn sich die Erzählerstimme zu Wort meldet. Da werden dann gute Ratschläge gegeben, das Leben „als Geschenk“ gepriesen oder das Schreiben als Selbstfindungsprozess beschworen. Der Film von Franziska Buch, die sich vor allem mit Kinderfilmen fürs Kino wie „Bibi Blocksberg“ oder „Emil und die Detektive“ einen Namen gemacht hat, erzählt aber auch insgesamt haarscharf an den Banalitäten des Lebens vorbei. Trotz einer namhaften deutsch-französischen Besetzung um Jessica Schwarz und die Arthaus-Ikone Sandrine Bonnaire wird die Psychologie der Charaktere insgesamt zu deutlich von küchenphilosophischen Trivialerkenntnissen geleitet. Zwischendurch aber erfindet Autor Martin Rauhaus („Liebe am Fjord“) wunderbare, kleine Momente, das vom Wurst-Fabrikanten ins Spiel gebrachte beruhigende Frauenzählen (statt Schäfchen) oder die Seelen-Metapher um den die Frauen liebenden Koma-Patienten („Jean-Jacques verließ seinen Körper“), die dem Film eine leichte, frankophile Note geben.
Rauhaus und Buch kennen ihre Franzosen – vor allem die Filmemacher, die – wie Claude Sautet („Eine einfache Geschichte“) klug oder wie Claude Lelouch („Ein Leben lang“) trivial – „die Dinge des Lebens“ und die amourösen Mysterien zwischen Mann und Frau ins Zentrum ihrer Filme rückten. „Adieu Paris“ erinnert außerdem an diese vom Zeitgeist geprägten Liebesfilme der Post-Nouvelle-Vague-Ära, weil Sautets Muse in den 1970er Jahren, Romy Schneider, mit Hauptdarstellerin Jessica Schwarz („Romy“) zumindest optisch wiederauferstanden zu sein scheint. Auch das Prinzip Zufall spielt in der Produktion von 2012 dramaturgisch eine ähnlich bedeutsame Rolle wie bei Lelouch & Co. Und obwohl auch die Franzosen damals ähnlich erzählt haben, häufig mit einer deutlichen ästhetischen Distanz zwischen Zuschauer und Charakteren, kam man diesen Figuren näher als Patrizia, Frank & den anderen, die in „Adieu Paris“ wie menschliche Paradigmen für Lebensweisheiten wirken – unnahbar, schwermütig und fast ein bisschen blutleer. (Text-Stand: 29.12.2014)