Bad Tölz, 1988: Eine Paketbombe explodiert in der „Pension Freiheit“ und verletzt den Wirt so schwer, dass er im weiteren Verlauf des Films gar nicht mehr in Erscheinung tritt. Wenig später wird die neue Freundin von Kommissar Degenhardt tot aufgefunden. Und dann tauchen noch zwei angebliche Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf, die ebenso auffallend sächseln wie Degenhardts Gspusi. Alles hängt mit der Fluchthilfe für DDR-Bürger zusammen, die dem „Freiheit“-Wirt ein ordentliches Zubrot verschafft. In seiner Almhütte hat gerade wieder ein Ehepaar aus dem Osten mit zwei Kindern Zuflucht gesucht. Nach „Tödliche Verbindungen“ ist dies der zweite Film von Markus Kleinhans, frei nach einer Episode aus dem Buch „Mordsgeschichten: Aus Bad Tölz und dem Isarwinkel“. Einer der Autoren, Maximilian Czysz, schrieb auch das Drehbuch. Die Inszenierung dieser charmanten Low-Budget-Produktion entfaltet nicht gerade nervenzerfetzende Spannung, aber das ist hier nur Nebensache. Die Besonderheit: „Pension Freiheit“ ist im Gegensatz zu den zahllosen und bisweilen austauschbar wirkenden Heimatkrimis fast ausschließlich von Laien vor und hinter der Kamera gefertigt, mit nur wenigen professionellen Gästen. Eine Art Volkskino also.
Aber eines, das sich ehrgeizig um jedes Detail bemüht. Hier ist viel Liebe zum Film zu spüren – in der mühsam zusammengesuchten Ausstattung (vom Wackeldackel bis zum PC-Dino), in der eigenwilligen Musikauswahl, in den zahlreichen Zitaten zum Zeitgeschehen der 1980er Jahre (von der Fußball-EM in Deutschland bis zu den verstrahlten Tschernobyl-Schwammerln). Und natürlich im Humor und in den skurrilen bayerischen Figuren. Angefangen beim schlingernden Postboten, der sich gerne mal ein Schlückchen gönnt und doch mit dem Fahrrad schlimmstenfalls eine Fliege überfährt. Es wird kräftig und mit Lust in die Kiste bayerischer Klischees gelangt. Es gibt reichlich Bier und Schnaps, viele Würste, selbst beim Pathologen. Der beste Ort für einen Polizeispitzel ist der Marktstand, und der beste Ermittler ist schon damals ein Franziskaner-Pater. Ottfried Fischer, einst „Der Bulle von Tölz“, leiht dem lockigen Darsteller seine Synchronstimme. Außerdem macht Heimatfilmer Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“, „Sommer in Orange“) als einer von drei „Gastregisseuren“ seine Aufwartung. Rosenmüller drehte die Szene in der Autowerkstatt.
Natürlich wird hier gnadenlos Dialekt gesprochen, für Nicht-Bayern ist das bisweilen kaum zu verstehen, aber das spielt kaum eine Rolle, wenn es sich so lustig anhört wie der Satz: „Also oan, der für eam oan fahren lasst.“ Wobei „fahren“ wörtlich gemeint ist, denn der „Freiheit“-Wirt hatte einen Helfer, der die DDR-Flüchtlinge über die Grenze fährt. Dieses Kleinstadt-Panoptikum ist trotz laienhaft gespielter Dialoge und manch steifer Szene ein herrliches Vergnügen. Plump und schenkelklopfend wird es nur, wenn die als BND-Agenten getarnten Stasi-Leute zum Zuge kommen. Der eine futtert ständig Bananen und baggert blöde die Frauen an, der andere gibt den sozialistischen Betonkopf – diese Figuren entstammen einem Terrain, das den Machern erkennbar fremd ist. (Text-Stand: 30.8.2013)