3 Zimmer/Küche/Bad

Gwisdek, Matschenz, Tezel, Anna & Dietrich Brüggemann. Aufbruch oder Stillstand?

Foto: HR / Zorro / TeamWorx
Foto Sophie Charlotte Rieger

Sie springen von Praktikum zu Praktikum, von WG zu WG – Thomas, Philipp, Dina & die anderen Berliner twentysomethings, die Anna & Dietrich Brüggemann in ihrer sympathisch authentischen Komödie (?) „3 Zimmer/Küche/Bad“ über ein Jahr begleiten. Bemerkenswert der identifikationsträchtige Ensemblecharakter & die stimmige Besetzung. Dramaturgisch schleift sich die offene Erzählweise allerdings im Verlauf des Films ab. Den „Wert“ dieser „kleinen“ Kinokoproduktion wird sich vielleicht erst in ein paar Jahre ermessen lassen…

„Wir sind die Generation, die kein Geld hat und auch nie welches verdienen wird.“ So beschreibt Thomas (Robert Gwisdek) sich und seine Freunde, die im Zentrum der Komödie „3 Zimmer/Küche/Bad“ stehen. Tatsächlich entspricht die Dramaturgie des Films weniger der auf lückenlose Unterhaltung getrimmten Streifen der Schweiger-Schweighöfer-Fraktion als viel mehr einem breit angelegten Porträt: „3 Zimmer/Küche/Bad“ nimmt die Generation junger Erwachsenen Anfang des 21. Jahrhunderts mit ihren spezifischen Problemen und Herausforderungen in den Fokus. Vermutlich muss die „kleine“ Kinokoproduktion aber noch ein paar Jahre lagern, bevor wir den eingefangenen Zeitgeist als solchen derart zu schätzen wissen, dass wir über die dramaturgischen Schwächen gänzlich hinwegsehen können.

Regisseur Dietrich Brüggemann und seine Co-Autorin und Schwester Anna Brüggemann, die im Film auch eine der zentralen Rollen übernimmt, gehören selbst zu der sagenumwobenen Generation, die von Praktikum zu Praktikum, von Berliner WG zu WG springt, und dabei vergeblich versucht, sich selbst neu zu erfinden. Vielleicht ist im Alter der beiden Schöpfer auch der Grund dafür zu finden, dass „3 Zimmer/Küche/Bad“ trotz komödiantischer Überzeichnung stets authentisch bleibt. Über ein Jahr begleitet der Film sein Ensemble durch Beziehungen, Trennungen und berufliche Hürden und bietet dem jungen erwachsenen Publikum dabei eine schier unerschöpfliche Vielfalt an Identifikationsmöglichkeiten.

3 Zimmer/Küche/BadFoto: HR / Zorro / TeamWorx
Dina (Anna Brüggemann) kommt nach Weihnachten eher aus Versehen mit Michael (Alexander Khuon) zusammen, will aber eigentlich mehr auf ihren Körper hören und verweigert Sex.

Soundtrack: Fyfe Dangerfield („Faster Than The Setting Sun“ / „Don’t be Shy“ / „So Brand New“ / „High On The Tide“), Guillemots („If The World Ends“ / „The Rising Tide“ / „Get Over It“ / „Inside“), Die Sterne („Nichts wie wir’s kennen“), Indelicates („We Hate The Kids“)

Vielleicht schießen Anna und Dietrich Brüggemann bei ihrem Versuch, die eigene Generation möglichst in ihrer Gesamtheit zu porträtieren, ein wenig über das Ziel hinaus. Zu viele Figuren, die sich in einem zunehmend verwirrenden Netz aus Liebschaften und Affären verzetteln, bringen den Zuschauer nicht nur durcheinander, sondern führen auch zu einer vorzeitigen Übersättigung. Kann „Drei Zimmer/Küche/Bad“ durch seine treffsichere Darstellung typischer Situationen und Charaktere zu Beginn noch viel Humor erzeugen, büßt die repetitive Erzählung – Liebe, Trennung, Liebe, Trennung – ab der Hälfte des Films einen Großteil ihrer Attraktivität ein. Was zuvor noch durch den trockenen Humor unterhalten konnte, gestaltet sich mehr und mehr aufgesetzt und konstruiert. Das Konzept verliert mit seiner Komik auch einen Teil seines Charmes, die Charaktere die Sympathien des Zuschauers.

Schade, denn in seinem Kern ist „Drei Zimmer/Küche/Bad“ weit mehr als eine nur unterhaltsame Komödie, nämlich ein cleveres und treffendes Porträt der dargestellten Generation. Thomas, Philipp (Jacob Matschenz), Dina (Anna Brüggemann), Maria (Aylin Tezel) und viele andere versuchen neue Wege einzuschlagen, sich von ihrer Elterngeneration nicht nur finanziell, sondern auch gedanklich zu emanzipieren. Die mehrfach zitierte Liedzeile „Wir müssen nichts so machen wie wir’s kennen nur weil wir’s kennen wie wir’s kennen“ von „Die Sterne“ wird ad absurdum geführt, wenn die Protagonisten sich von einer scheiternden Beziehung zur nächsten bewegen, ohne das Konzept selbst in Frage zu stellen. Der Widerspruch, der im behaupteten Aufbruch und tatsächlichen Stillstand besteht, wird durch den Film leider nicht aufgelöst. Vielleicht weil er sich nicht auflösen lässt. Vielleicht weil die Generation „3 Zimmer/Küche/Bad“ tatsächlich in einer Schleife gefangen ist, aus der sie sich zu befreien nicht imstande ist. Der lockeren Beziehungspolitik der 68er begegnen die jungen Menschen mit Skepsis und Ablehnung, doch ein eigenes und vor allem praktikables Konzept haben sie nicht zu bieten. Am Ende steht die heterosexuelle Paarung als eben jenes Daseinsideal, das wir im Film unzählige Male haben scheitern sehen. Und so ist „3 Zimmer/Küche/Bad“ letztlich weniger eine Komödie als ein –  zugegebenermaßen unterhaltsames – Drama einer ganzen Generation. (Text-Stand: 29.1.2014)

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Kinofilm

Arte, HR

Mit Jacob Matschenz, Anna Brüggemann, Robert Gwisdek, Alice Dwyer, Alexander Khuon, Aylin Tezel, Katharina Spiering, Amelie Kiefer, Corinna Harfouch, Hans-Heinrich Hardt, Herbert Knaup, Leslie Malton

Kamera: Alexander Sass

Musik: Fyfe Dangerfield

Schnitt: Vincent Assmann

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Anna Brüggemann, Dietrich Brüggemann

Regie: Dietrich Brüggemann

EA: 21.02.2014 20:15 Uhr | Arte

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