Konstanze (Anja Kling), Anfang 40, steht mitten im Leben. Sie ist Oberärztin in der Kardiologie und seit kurzem allein erziehende Mutter von zwei wohlgeratenen Kids, Lotte (Lene Oderich) und Malte (Vico Mücke). Ihren Ehemann Philipp (Stephan Kampwirth), freier Fotograf von Beruf, hat sie rausgeschmissen, nachdem der sich mehr um das schwedische Au-pair-Mädchen gekümmert hatte als um neue Jobaufträge. Aber Konstanze macht das schon, jetzt wuppt sie neben der Arbeit eben auch noch die Kinder. Doch der Stress sitzt ihr in den Knochen. Als ihr Kopf mal wieder schneller ist als ihr Körper, stürzt sie in der Klinik die Treppe runter: Ein komplizierter Bruch setzt sie nun für Wochen außer Gefecht; eine Reha ist unerlässlich. Ausgerechnet diese straighte Perfektionistin muss sich nun in der Klinik das Zimmer teilen mit einer Frau, die zwar auch mitten im Leben steht, aber in einem völlig anderen: Jacqueline (Carol Schuler), um die 30, hat drei Kinder von drei Männern und sie hat drei Minijobs, mit denen sie sich über Wasser hält. Diese Frau quasselt ununterbrochen auf Konstanze ein, dabei haben sich die beiden eigentlich nichts zu sagen. Eigentlich. Doch plötzlich wird der Ärztin alles zu viel. Eines Nachts bricht der Frust aus ihr heraus – über die gescheiterte Ehe, die vermeintliche Entfremdung von ihren Kindern, den Tod eines Patienten. Und Jacqueline ist bei ihr, sie hat ein offenes Ohr und eine Flasche Prosecco…
Foto: ZDF / Conny Klein
Die Hauptfigur in „Zweibettzimmer“ ist eine Frau, die alles besser weiß, die alles in die Hand nimmt und damit oft ihren Mitmenschen ein schlechtes Gewissen macht. Das mag ein wenig unsympathisch wirken, aber wenn Anja Kling diesen Typus Frau verkörpert, weiß man als Zuschauer, dass hier noch lange nichts verloren ist. Spätestens als die andere gewöhnungsbedürftige Frau auftacht, kann man die „Heldin“ ein Stück weit besser verstehen. Würde einem diese Quasselstrippe nicht auch auf die Nerven gehen?! Andererseits tut einem diese „Jackeline“ auch ein bisschen leid. Erfreulicherweise lässt Autorin Astrid Ruppert, nach deren Roman „Ziemlich beste Freundinnen“ der Film entstanden ist, die Probleme zwischen den Zimmergenossinnen sich nicht übermäßig hochschaukeln. Die grundlegenden Konflikte werden nicht in diesem Zweibettzimmer oder beim Essen mit weiteren „Problempatienten“ ausgetragen. Die Klinik-Situation ist allenfalls Katalysator für die zur Untätigkeit verdammte Ärztin, aber auch für die Dramaturgie des Films. Spätestens ab der Nacht, in der „Conny“ Schwäche zeigt, kehrt sich das Innenleben der Hauptcharaktere nach außen, beginnt die Geschichte zu leben und sich von der Äußerlichkeit der stereotypen Komödien-Ssituation zu emanzipieren. Ab da nimmt die gewiss auch den Zuschauer mitunter nervende „Prekariatsfigur“ (ist es tatsächlich nur die Figur oder auch das Unbehagen ob dieser allzu offensichtlichen Setzung des Figurenkontrasts?) menschliche Züge an – und als Jacqueline dann bei einem Ausflug in den Ort mit Leidenschaft und Soul in der Stimme auf dem Marktplatz singt (Schuler ist auch Sängerin), ist eine der Botschaften des Films emotional „krass“ angekommen. Und auch Konstanze, die „Macherin“, ist überrascht von der Power, die in dieser Frau steckt – und bald hat sie auch eine Idee, wie sie ihr helfen kann.
„Zweibettzimmer“ von Isabel Kleefeld („Weiter als der Ozean“) besitzt einige emotionale „Na-also-geht-doch“-Momente, ist aber keine jener Wohlfühlkomödien, bei denen die Lösungen (am Ende) aus dem Hut gezaubert werden. Auch der Herr Doktor, den die Heldin mit dem Satz begrüßt, „Praktikanten lasse ich aus Prinzip nicht an meine Knochen“, lächelt zwar freundlich, aber mehr Nähe ist nicht vorgesehen. Und das ist gut so. Ein Zurück zur alten Ehe wird es ebenso nicht geben, dafür künftig ein vernünftigeres Miteinander. „Ich glaube, wir haben es beide richtig schön vermasselt“, korrigiert Konstanze ihren Ex, der die Schuld allein auf sich nehmen wollte. Auch die Begegnung der beiden Frauen bleibt eine Begegnung. Es wäre schön, wenn die soziale Lebenswelten durchlässiger wären, aber es ist „realistisch“, dass jeder – auch wenn man sich teilweise verstehen könnte – in seine Welt zurückkehrt. Konstanze ist die Hauptfigur: Sie, die immer alles erzwingen will, „lernt“ ein bisschen mehr Gelassenheit, Jacqueline hat es dagegen nicht so mit dem Lernen. Das Beziehungsspiel ist insgesamt recht gut ausgelotet zwischen Komödie und Drama. Besonders Anja Kling gelingt es, ihre Figur nicht zu verraten. Weder legt sie sie zu pflegeleicht, zu sympathisch an, noch macht sie aus der Evidenz ihrer omnipotenten Ärztin, die einen Gang zurückschalten muss, ein billiges Klischee. Dafür überzieht Carol Schuler („Blochin“) ihre Rolle gelegentlich ein bisschen zu sehr; eindeutig den richtigen Ton trifft die Schweizerin, wenn sie/Jacqueline ihre soziale Rolle abstreift und in ihrer Passion, dem Singen, aufgeht.
Foto: ZDF / Conny Klein
Regisseurin Isabel Kleefeld hat dem Film einen flüssigen Erzählrhythmus gegeben. Gleich die vorzügliche Exposition zeigt, was Sache ist: eine Frau, die bestimmt, die ihre to-do-Liste abarbeitet und ein rasantes Tempo vorlegt – ein Thema, was von der Filmmusik und der Montage wirkungsvoll aufgenommen wird. Emotionale Umschwünge brauchen solche Geschichten, keine Frage. Dass also auf der Zielgeraden sich das Verhältnis der beiden Frauen wegen des anscheinend übergriffigen Verhaltens von „Helferin“ Konstanze wieder deutlich verschlechtert und dass ein noch größeres Problem her muss, damit die Frauen wieder zusammenkommen, mag einerseits verständlich sein, andererseits fragt man sich schon, ob es für einen 90-Minüter nur dieses eine Muster von Dramaturgie geben kann, das alle unsere Drehbuchautoren, vornehmlich fürs leichte Fach, verinnerlicht haben: zur Halbzeit die Wende, in der ersten Hälfte des Schlussdrittels die Wende der Wende und dann kurz vor Schluss die Wendung wieder ins Gute. Während bei Krimis dramaturgische Muster im Spannungsfluss untergehen, werden sie bei einer Komödie vom Zuschauer schneller durchschaut und kritisiert. Ist das vielleicht mit ein Grund, weshalb es Komödien so schwer haben? Im Gegensatz zur Makrostruktur weiß die Dramaturgie aber in vielen Details zu überzeugen: So werden die Informationen über Konstanzes Ehe und über Jacquelines Lebensträume ins Spiel gebracht, wenn sie von der Psycho-Logik der Geschichte her richtig sind. Auch die Situationen sind stimmig: Wer sich so lange nichts zu sagen hat, der braucht schon ein Handvoll Drogen, damit die „Freundschaft“ flutscht. Nur so ist die unterkühlte Ärztin zu „knacken“. Dadurch erfährt der Zuschauer nach und nach alles, was wichtig ist vor allem für Klings Figur – und es macht mehr Laune, es in diesem wilden, drogenumflorten Kurzzeitausbruch zu erfahren als etwa in einem ernsthaften Dialog. Fazit: „Zweibettzimmer“ erfindet die (Dramaturgie der) Komödie/Dramödie wahrlich nicht neu, weiß aber mit einer im Kern nicht ganz unrealistischen Geschichte und mit gewöhnungsbedürftigen, genregemäß überzeichneten, aber psychologisch stimmigen Figuren recht gut zu unterhalten.