Aus dem „klein feiern“ wird dieses Jahr nichts. Nachdem Karo (Marie Burchard) zum ersten Mal, seitdem die Zwillinge da sind, nicht bei ihren Eltern Weihnachten feiern möchte, haben Wilfried (Rainer Bock) und Angelika (Imogen Kogge), zwei Weihnachts-Feierbiester, kurzfristig umdisponiert: Dann wird eben in Berlin gefeiert. Zwar wissen die beiden, dass Karo mit Lasse (Serkan Kaya) verlobt und zusammengezogen ist, gemeinsam mit ihren Kids und mit Lasses Tochter Toni (Joone Dankou), aber dass ihre Enkel in einem alternativen Kiez aufwachsen sollen, in einer ehemaligen Groß-WG-Wohnung, die so gar nicht ihrer Vorstellung von Ordnung und Gemütlichkeit entspricht – das wussten der Major a.D. und seine biedere bessere Hälfte nicht. Als dann auch noch Lasses Eltern, Bernd (Joachim Król) und Lizzie (Ulrike Krumbiegel), zwei linke Weltenbummler ohne festen Wohnsitz, wenig später auf der Matte stehen, wissen die frisch Verliebten bald nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Karo versucht, die völlig konträren Lebensauffassungen der beiden Eltern herunterzuspielen, während der notorische Optimist Lasse es allen recht machen will, besonders Karos Kindern; und bei den Schwiegereltern möchte er den weniger guten ersten Eindruck vergessen machen. Also zieht er los, um noch einen Christbaum und ein Weihnachtsmannkostüm zu ergattern.
So ist das mit Weihnachten, auch im echten Leben: Die Vorbereitungen dauern stets länger als die eigentlichen Feierlichkeiten. Genau davon erzählt die Komödie „Zwei Weihnachtsmänner sind einer zu viel“. Drehbuchautor Christof Ritter („Kalte Füße“) und Regisseurin Neelesha Barthel („Tatort – Verborgen“) stellen diese hektische Betriebsamkeit vor Heiligabend in den Mittelpunkt dieses ZDF-Neunzig-Minüters. Nicht die Vorfreude auf Weihnachten, sondern die Panik wächst ins Unermessliche, vor allem bei Lasse, dem nach der Kündigung als Kunstaushilfslehrer sein Loser-Image im Nacken sitzt. Für den Heiligen Abend, das Fest der Feste, mit Christmette und Bescherung bleibt das letzte Filmdrittel, das reicht, um das Chaos perfekt zu machen und das glückliche Paar beinah auseinander zu bringen. Denn da ist ja noch der untreue Noch-Ehemann Gewinner-Guido (Sebastian Schwarz), der mit der Villa mit Seeblick, der Karo zurückzugewinnen versucht, indem er den Super-Papa mimt. Plötzlich steht er da mit weißer Mähne, Rauschebart, rotem Mantel und einem Sack voller Geschenke, und zugegeben, er ist ein perfekter Weihnachtsmann, während Lasse wenig später völlig derangiert, betrunken und in einem geklauten Santa-Claus-Outfit auftaucht, um das Bild, das sein Schwiegervater in spe von Anfang an von ihm hatte, tragisch zu bestätigen.
Man kann das alles guten Gewissens verraten, weil der Film noch so vieles andere zum Schmunzeln parat hält und er voller kleiner Überraschungen steckt. Ohnehin ist nicht das Erzählte, das man ja aus Weihnachts- oder Familientreffen-Klassikern wie „Single Bells“ oder „Familie mit Hindernissen“ kennt, das Besondere dieses Films, sondern es ist die Art und Weise, wie das konfuse Treiben im Detail komödiantisch konstruiert wurde. Die Handlung hat hohes Tempo, alles, was die Kommunikation und die Konflikte nicht weiterbringt, wird weggelassen. Es gibt keine Sekunde Leerlauf, aber auch keine künstliche Hetze. Wenn Hektik – dann entsteht diese innerhalb einer Szene. Verwirrt durch die Umstände ist insbesondere das mitteljunge Paar, die älteren Herrschaften dagegen ruhen in sich, tragen ihre Haltungen selbstbewusst zur Schau. Zum Schmunzeln ist das eine wie das andere. Auch, weil die Gegensätze der Eltern nicht ständig herausposaunt werden. So gibt Rainer Bock seinen Ex-Major zackig und konservativ, erinnert sich aber auch gelegentlich – spätestens nach dem Genuss von halluzinogen verfeinerten Plätzchen – seiner Rolle als Vater, Großvater, ja als Mensch. Überhaupt, die Kombination aus komödienhaft verdichteten Typen und individuellen Charakteren gelingt in „Zwei Weihnachtsmänner sind einer zu viel“ vorzüglich. Mit dazu beiträgt das großartige Ensemble. Im Presseheft wird betont, dass alle Hauptdarsteller jede Menge Theatererfahrung haben. Das könnte ein Geheimnis dieser Komödie sein.
Dass in „Zwei Weihnachtsmänner…“ nicht ständig auf den Gegensätzen herumgeritten wird, unterscheidet den Film von anderen Familienzusammenführungskomödien, besonders denen aus Hollywood. Immer wieder versuchen alle, ob aus Überzeugung oder nur des lieben Weihnachtsfriedens wegen, nicht nur die Unterschiede herauszukehren, sondern auch Gemeinsamkeiten zu sehen. In Zeiten gesellschaftlicher Spaltungsprozesse lässt sich also durchaus ein relevanter Subtext erkennen. Ein Stück weit offener und verträglicher werden sie alle, die eigenen Grundsätze aber gibt keiner auf. Eine Top-Buch-Idee, die beiden Väter in Bernds zum Wohnmobil umgebauten Militärtransporter nächtigen zu lassen, wo sich selbst der hippieske Besitzer zu einem kleinen Wettbewerb in Sachen männliche Widerstandskraft hinreißen lässt. Die Situation ist köstlich (umgekehrt nächtigen die beiden Damen im Vorehebett ihrer Kinder), und der Dialogwechsel mit seiner gestelzten Freundlichkeit versprüht einen Hauch Loriot. „Wenn Ihnen das zu komfortabel ist, kann ich gerne die Heizung ausmachen.“ Antwort: „Sehr gern.“ Hier wird keine Ente zum Streitobjekt. Hier sind beide einer Meinung: Die Frischluftluke wird geöffnet…
Szenen wie diese sind kurz. Auch andere komische Momente folgen im Minuten-, wenn nicht gar Sekundentakt – und sie vermitteln sich mit angenehmem Understatement, ähnlich wie einige charakterisierende Sätze zum Schmunzeln, die beiläufig eingeflochten werden. Beispiel: „Wir wollten doch noch zur Mette.“ Während die Weihnachtsverfechter den Kirchgang beratschlagen, fragt Joachim Króls Bernd mit großen Augen: „Wer ist Mette?“. Oder zu Beginn des Films, als der Sohn mit seinen „Anti-Eltern“ skypt, denen gesellschaftliche Konventionen nicht behagen, kommen sie irgendwann auf das Thema Weihnachten. Und da rutscht doch Ulrike Krumbiegels Mutter der Satz raus: „Ist es schon wieder soweit?“ Dies mag auf dem Papier nicht witzig klingen. Innerhalb dieser köstlichen, sehr dichten Szenen aber passt dieser Satz perfekt, auch um die Geisteshaltung der beiden Figuren anzudeuten – und das wunderbarerweise mit den Mitteln des Genres. Eine Glanzleistung anderer Art, schön deftig überzogen, ist die Miniatur eines Weihnachtsmannes, dem so gar nicht nach dem Fest der Liebe ist. Depressive Weihnachtsmänner, die zur Flasche greifen, sind nicht neu. Wie allerdings Stephan Grossmann seine Mini-Rolle mit zahlreichen Befindlichkeitssprüngen anlegt, ist Komödien-Extraklasse wie so ziemlich alles in diesem sehr unterhaltsamen Film, der zum Dezember-Klassiker werden könnte.