Zum Teufel mit der Wahrheit!

Bettina Zimmermann, Ohrt, Jago, Henman. Die Lüge als Glücksversprechen

Foto: Sat 1
Foto Tilmann P. Gangloff

In der amüsanten und originellen Sat-1-Komödie spielt Bettina Zimmermann eine Journalistin, die nicht mehr lügen kann, was fatale Folgen hat: erst verliert sie ihren Job, dann gehen ihre Freundschaften zu Bruch, und schließlich macht auch ihr junger Geliebter Schluss. Mitunter trägt der Film etwas dick auf, aber allein wegen der boshaften Dialoge ist „Zum Teufel mit der Wahrheit!“ sehenswert. Aber auch die Chemie zwischen Zimmermann/Ohrt stimmt!

Die Sat-1-Komödien-Moritaten, in denen Held oder Heldin eine übersinnliche Verwandlung durchleben, um schließlich bessere Menschen zu werden, bilden mittlerweile ein eigenes Genre. Oft erzählt der Titel schon die ganze Geschichte („Plötzlich 70!“ / „Plötzlich fett“). In diesem Fall wäre das „Plötzlich wahr“ gewesen, aber „Zum Teufel mit der Wahrheit!“ klingt natürlich besser; die Arbeitsversion hieß „Lügen macht glücklich“. „Lügen haben schöne Beine“ hätte ebenfalls gepasst, selbst wenn TV-Journalistin Kathrin (Bettina Zimmermann) nicht öfter schwindelt als andere Menschen; das gilt auch fürs Bett, wo sie ihrem deutlich jüngeren Freund Luca (Eugen Bauder) regelmäßig einen Orgasmus vortäuscht. Als sie wegen eines lästigen Juckreizes eine chinesische Heilerin aufsucht, verpasst die etwas boshafte Therapeutin ihr eine Arznei, die fatale Folgen hat: Kathrin kann fortan nicht mehr lügen.

Zum Teufel mit der Wahrheit!Foto: Sat 1
Die Schöne, ihr neuer Freund und ihr Ex. Nachdem sie nicht mehr Lügen kann, stören die vorgetäuschten Orgasmen dann allerdings doch stark die Beziehungsharmonie. Dem Ex-Gatten kann’s nur recht sein. Bettina Zimmermann, Christoph M. Ohrt und Eugen Bauder in „Zum Teufel mit der Wahrheit“

Das ist im Grunde schon die ganze Geschichte, aber Autorin Barbara Jago (zuletzt „Warum ich meinen Boss entführte“) hat den überschaubaren Handlungskern liebevoll verpackt und mit vielen Schleifen versehen. Der komödiantische Effekt entsteht durch die Konfrontation der Hauptfigur mit völlig alltäglichen Situationen, die regelmäßig zu peinlichen Bekenntnissen führen, weil Kathrin selbst die schlichte Frage „Wie geht’s?“ nicht mehr mit dem üblichen „Danke, gut“ beantworten kann. Sehr hübsch sind zum Beispiel die entsprechenden Dialoge mit dem Empfangsmann des Senders, der verblüfft ihren Schilderungen lauscht, oder die Begegnungen mit einer Kollegin, die völlig geknickt Kathrins knallharte Aussagen über ihre immer schrilleren Auftritte zur Kenntnis nehmen muss. Aber der plötzliche Wahrheitszwang der Journalistin hat auch richtig unangenehme Folgen: Ein Interview mit einem eitlen Filmstar führt zu einem Skandal, dann verliert sie der Reihe nach ihre Freundinnen, und auch Luca macht Schluss, weil er die Orgasmuslügen als inakzeptablen Vertrauensbruch empfindet.

Mitunter trägt Regisseur Grenz Henman bei der Umsetzung des Drehbuchs etwas zu dick auf; Bettina Zimmermann zum Beispiel muss ihren Aussagen gerade anfangs oft ein Augenrollen hinzufügen, um auf diese Weise „Ups, was hab’ ich jetzt schon wieder gesagt?!“ zu signalisieren. Das wirkt bei ihr weitaus weniger komisch als bei Vollblutkomiker Jim Carrey, von dessen „Der Dummschwätzer“ (1997) sich Sat 1 die Idee des Nicht-mehr-Lügen-Könnens frech ausgeborgt hat. In anderen Szenen allerdings passt es ganz gut, dass sie die Figur überspielt, etwa wenn Kathrin vor einem Spiegel das Schwindeln üben will und bloß ein lustiges Gemisch aus Quieken, Krähen und Krächzen zustande bringt. Auch schriftlich scheitert sie an der Unaufrichtigkeit, selbst am Laptop, was Zimmermann ebenfalls recht witzig verkörpert. Natürlich nutzt Jago den Zwang zur Wahrheitsliebe weidlich aus. Gerade bei den Erziehungsmaßnahmen ihrer Teenagerkinder führen Kathrins Schwindelunfälle zu originellen Dialogen (etwa wenn es um den ersten Sex geht). Die Gespräche mit dem Ex-Mann (Christoph M. Ohrt) bleiben davon interessanterweise unberührt, denn bei ihm gibt es offenbar keinen Bedarf für Lügen: Michael hat sie wegen einer Jüngeren verlassen, würde aber gern in den Schoß der Familie zurückkehren und erschleicht sich mittels eines vorgetäuschten Herzinfarkts zumindest vorübergehend Asyl. Auch für Ohrt hat sich Jago einige wunderbare Momente ausgedacht; großartig ist zum Beispiel die Szene, in der er Luca die Tür öffnet und so tut, als hielte er ihn für den Freund seiner 16jährigen Tochter.

Zum Teufel mit der Wahrheit!Foto: Sat 1
Auch die Tochter (Luise Befort) findet es ziemlich schräg, was ihre Mutter (Bettina Zimmermann) so raushaut.

Soundtrack: Sia („Breathe Me“), Feist („My Moon My Man“), Mapei („Don’t Wait“)

Nach dem Thriller „Die Verführung – Das fremde Mädchen“ (2010) und der Komödie „Nachbarn süß-sauer“ (2014, auch von Henman) ist „Zum Teufel mit der Wahrheit!“ der dritte gemeinsame Sat-1-Film von Ohrt und Zimmermann, und tatsächlich wirken sie wie ein eingespieltes Boulevardtheater-Team: Da sich in den gemeinsamen Szenen keiner in den Vordergrund spielt, können sie ihre Gemeinheiten mit großer Gelassenheit vortragen; die Pointen brauchen weder Anlauf noch Ausrufezeichen. Jago versorgt sie allerdings auch mit ausgezeichneter Munition; der Film lohnt sich allein wegen der bitterbösen Wortgefechte.

Die Geschichte spielt in Berlin, gedreht wurde jedoch in Südafrika, was ähnlich wie in der Sat-1-Komödie „Super-Dad“ (26. Mai) auch bei der Mischung von Originalton und Synchronisierung recht geschickt kaschiert worden ist.

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Bettina Zimmermann, Christoph M. Ohrt, Eugen Bauder, Luise Befort, Patrick Smith, Rolf Kanies, Claudine Wilde

Kamera: Jörg Widmer

Szenenbild: Shane Bunce, Olaf Schiefner

Schnitt: Clare Dowling

Musik: Philip Miller

Produktionsfirma: Wasabi Film

Drehbuch: Barbara Jago

Regie: Grenz Henman

EA: 19.05.2015 20:15 Uhr | Sat 1

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