Ein junger Mountainbiker rast in ein Stahlseil. Ein Freund von ihm wird wenig später mit Benzin überschüttet und angezündet. Hat da einer in Halle etwa was gegen Jugendliche? Oder verbindet die beiden Toten, die zu einer Fünfer-Clique gehörten, noch mehr? Die drei anderen jedenfalls, allen voran Martha, die „Fick-Trophäe“ der Gruppe, bekommen es langsam mit der Angst zu tun. Der nicht nur von diesem Doppelmord genervte Zorn und der dienstbeflissene Schröder stoßen bald auf einen Pfarrer, der offenbar der einzige Erwachsene ist, der ein offenes Ohr für die jungen Leute hat. „Das sind gute Kinder“, sagt er, „keiner wird böse geboren.“ Dieser Gottesmann scheint aber selbst eine dunkle Seite zu haben: so kann Zorn das nächste Opfer, den hochsensiblen Max, gerade noch rechtzeitig aus dessen Fängen befreien. Auf dem Computer des Pfarrers finden die Kommissare Dinge, die den beiden die Kehle zuschnüren und die dem Fall seine Erklärung geben könnten. Diese aber ist Zorn zu simpel.
Foto: MDR / Edith Held
Die Degeto-Krimi-Überraschung 2014 aus Halle darf sich nach 5,45 Millionen Zuschauern weiterhin bewähren. „Zorn – Vom Lieben und Sterben“ macht augenzwinkernd da weiter, wo die düster melancholische Startepisode „Tod und Regen“ aufgehört hat. Kommissar Schröder hat den Anschlag auf sein Leben gut überstanden und ist wieder einsatzbereit. „Mensch Schröder, schön, dass du das bist und dass es dir wieder gut geht“, übt der nach wie vor mit einer kräftigen Sozialphobie ausgestattete, ehrgeizlose Zorn das erste Zusammentreffen der beiden. Als sie sich dann gegenüberstehen, stammelt der „Chef“ erwartungsgemäß unsicher herum, während Schröder die passenden Worte findet: „Hast dich irgendwie verändert. Schicke Sonnenbrille. Siehst bisschen aus wie ein Rockstar aus den Siebzigern.“ Der erste (Ironie-)Punkt geht damit an Schröder – und an Autor Stephan Ludwig, der nicht nur das Drehbuch, sondern auch die Romanvorlage geschrieben hat. Denn in der Tat, dieser Zorn ist nicht mehr der alte: Stephan Luca ist nach Misel Maticevic in das Lieblingsoutfit (braune Lederjacke, schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt) des „unlustigen“ Bullen geschlüpft.
Foto: MDR / Edith Held
Ikonografisch ist das eine gute Wahl: Luca, eine Art deutscher Cary Grant, ist zwar vor allem im leichten Komödienfach zuhause, hat aber durchaus Erfahrung mit halbernsten und vor allem cool gestylten Ermittlern („Wolff – Kampf im Revier“) und Abenteurern („Visus – Expedition Arche Noah“). Die große Komödien-Erfahrung – so war wohl die Überlegung der Macher – prädestiniert ihn für ein gutes Zusammenspiel mit Axel Ranisch, der mit seiner schrägen, etwas nerdigen Art beständig leise Fragezeichen setzt. Dafür fehlt Luca im Typus sowie in der Summe seiner bisherigen Rollen dieser Weltschmerz-Gestus, den Maticevic mit ein, zwei Augen-Blicken zu erzeugen weiß. Überhaupt beließ der Schauspieler mit kroatischen Wurzeln seinen Zorn länger in der Schwebe und bot dem Zuschauer somit ein breiteres Spektrum an psychologischen Zwischentönen an. Das galt insbesondere für Zorns Unsicherheit – beispielsweise im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Wären die beiden Schauspieler Frauen, würde Mann sagen: Stephan Luca ist sexy, Misel Maticevic erotisch.
Mit der Umbesetzung einher geht auch eine deutlich veränderte Tonlage. War Mark Schlichters erster „Zorn“ ein ebenso stimmungsvolles wie schräg ironisches Genre-Konstrukt aus einem Guss, das man nie mit der Realität verwechseln konnte, beginnt sein zweiter „Zorn“ als launiger etwas anderer Buddy-Krimi, der falltechnisch und inszenatorisch anfangs eher konventionell und abbildrealistisch bleibt und erst nach 45 Minuten thematisch wie formal aufs Tragisch-Düstere verfällt. Anfangs sind es die Figuren, besonders die auffällig sexualisierten Jugendlichen, die den Ton angeben; später dann schaukeln sich im Angesicht der Nacht Suspense & Stil gegenseitig hoch. Insgesamt gibt es sechs Tote, auch das ein Zeichen dafür, dass Zorn und Schröder eher dem Genre als der deutschen Wirklichkeit verpflichtet sind. Und am Ende spürt man auch, dass das, was sich da zwischen den beiden in „Vom Lieben und Sterben“ entwickelt, der Beginn einer besonderen Männerfreundschaft werden könnte. Ohne falschen Schmus, aber auch ohne dauerironische Coolness. Der dritte Film der Reihe, „Wo kein Licht“ (AT), ist bereits (fast) abgedreht. (Text-Stand: 18.3.2015)