Die Lage ist aussichtslos. Der Mann hat einen Revolver, die Frau ist unbewaffnet; und die Tür ist verschlossen. Als der Schuss kracht, wird das Bild schwarz, und die Saga über das Mafia-ähnlich organisierte „Dreckige Dutzend“, das seit dem gleichnamigen Film (2022) sein Unwesen in Sachsen treibt, scheint ihr Ende gefunden zu haben; aber Jenni Meißner (Valery Tscheplanowa) hat überlebt. Sie gilt unter dem Decknamen „Brad“ als Kopf dieser Bande, die ihre Opfer mit der Drohung, ansonsten die Angehörigen zu töten, zum Suizid zwingt. Nun jedoch verblüfft sie Viola Delbrück (Yvonne Catterfeld) mit einem Vorschlag, der dieses Dauerduell zwischen Polizei und Verbrechen um ein letztes sehenswertes Kapitel ergänzt: Meißner behauptet, sie sei stets nur die Nummer zwei gewesen. Im Tausch gegen Straffreiheit und eine neue Identität ist sie bereit, den wahren Boss ans Messer zu liefern, und so rückt Anne Konzak (Christina Große) erneut ins Visier der Ermittlungen: Die Staatsanwältin stand schon in „Tote schlafen schlecht“ (2023) in dem Verdacht, mit den Gangstern unter einer Decke zu stecken, zumal sie einst die Geliebte von Jenni Meißner war. Nun ist sie die neue große Liebe von Butsch Schulz (Götz Schubert), was die Sache nicht leichter macht. Also weiht die Kommissarin zwar den Chef, nicht jedoch ihren Kollegen ein: „Was dein Feind nicht wissen soll, das sag’ nicht deinem Freund“, gibt Grimm (Stephan Grossmann) als Devise aus. Auf diese Weise erübrigt sich auch die Frage, wer Freund und wer Feind ist.
Foto: MDR / Maor Waisburd
Schon die Geschichte ist klasse, zumal das Drehbuch des Schöpferduos von „Wolfsland“, Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser, clever und sehr überzeugend in der Schwebe hält, ob die Staatsanwältin Opfer eines perfiden Komplotts oder tatsächlich der Kopf der Bande ist; diverse Indizien lassen Delbrück keine andere Möglichkeit, als von der Schuld der Juristin auszugehen. Zu allem Überfluss macht sich Schulz erhebliche Vorwürfe, weil er sich nicht besser um seine Ex-Freundin gekümmert hat: Nach einem Überfall im eigenen Badezimmer ist Thea (Sabine Vitua) komplett neben der Spur. Ihre Wohnung ist die reinste Müllhalde, um ihre seelische Verfassung steht es kaum besser. Wie Schulz in seinem Zustand reagieren würde, wenn die Kollegin ihm offenbarte, dass sie gegen seine neue Freundin ermittelt, ist abzusehen; erst recht, als sich die blutige Spur, die das „dreckige Dutzend“ in Sachsen hinterlässt, um einen weiteren vermeintlichen Suizid verlängert. Interessant ist auch die Entwicklung der Hauptfiguren. Es kommt zwar nicht zum Rollentausch, aber eine gewisse Annäherung ist nicht zu übersehen: Delbrück, betont düster geschminkt, ist im Umgang mit Grimm und Kriminaltechniker Böhme (Jan Dose) ähnlich kurz angebunden und unleidlich wie sonst Schulz. Dazu passt die Hartnäckigkeit, mit der sie die Anrufe ihrer Mutter ablehnt.
Endgültig zu einem der besten „Wolfsland“-Filme wird „In der Schlinge“ durch die Bildgestaltung, die im Zusammenspiel mit dem Sounddesign sowie Andreas Weidingers Thriller-Musik, die oftmals eher nach Geräusch als nach Melodie klingt, für neunzig Minuten Unbehagen sorgt. Nahezu jeder Einstellung ist anzusehen, dass Regisseur Ole Zapatka und Kameramann Timo Moritz, die auch bei den letzten beiden Episoden der Reihe zusammengearbeitet haben, von der üblichen Krimiroutine abweichen wollten. Ständig zeigt die Kamera das Geschehen aus einem anderen als dem naheliegenden Blickwinkel, ohne dabei jedoch Perspektiven zu wählen, die die Seherwartungen konterkarieren.
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Unschärfen, eine Verfremdung der Tonspur im richtigen Moment sowie die Weitwinkeloptik tun ein Übriges, um dem Film, wie es Zapatka formuliert, jenen „Hauch Wahnsinn“ zu geben, der den Figuren entspringt. Das gilt vor allem für Schulz, der schließlich die Welt nicht mehr versteht. Farbgebung und Lichtsetzung haben ebenfalls ihren Anteil daran, dass die Bilder besonders sind. Meißners Räuberhöhle zum Beispiel, eine Art Gewölbe, wird von Neonröhren in ein sehr ungesundes grünes Licht getaucht. Die Außenaufnahmen wirken trotz Sonnenschein kühl, und auch innen entsteht nur selten Behaglichkeit. Zur Sorgfalt im Detail zählt nicht zuletzt die Einbettung der digitalen Nachrichten, die unter anderem zusammen mit der joggenden Kommissarin in die Kurve gehen. Der Freizeitsport wirkt allerdings eher wie eine Flucht. Das passt ebenso ins Bild wie ihre Begegnungen mit einem Wolf, der auch im nächsten Film eine spezielle Bewandnis haben wird. (Text-Stand: 3.10.2024)