Der Enkeltrick? Klar, kennt man aus der Zeitung, aber sowas passiert doch nur anderen; bis man selbst auf die miese Masche reinfällt. Das Telefon klingelt, der Sohn schluchzt: „Sie ist tot, ich habe sie umgebracht!“ Dann teilt ein angeblicher Polizist der erschütterten Mutter mit, Markus habe einen Unfall mit Todesfolge verursacht. Sie könne jedoch verhindern, dass er umgehend ins Gefängnis komme, wenn sie die Kaution übernimmt. Es ist Wochenende, 20.000 Euro hat Irene natürlich nicht zur Hand, aber einiges Bargeld fände sich, außerdem seien da noch ihr Schmuck, die teure Uhr des verstorbenen Gatten. Der Mann ist zufrieden und kündigt einen Beamten an, der die Wertsachen abholt. Kurz darauf steht ein uniformierter Polizist vor der Tür und nimmt den Beutel wortlos entgegen, ohne hineinzuschauen. Eine Quittung bekommt Irene ebenfalls nicht, aber sie steht noch viel zu sehr unter Schock, um das zu monieren.
Foto: SWR / Wüste Medien / O-Young Kwon
Diese wenigen Minuten sind enorm intensiv; von einer Komödie, wie die ARD den Film ankündigt, ist wahrlich nichts zu spüren. Wer nun abbricht, weil das alles viel zu spannend ist, verpasst eine toll gespielte Hommage an vier alte Damen, die sich wehren: Die um all’ ihre Wertsachen gebrachte Irene (Uschi Glas) glaubt, dass sie fortan in einer Seniorenresidenz besser aufgehoben sei. Dort findet sie rasch Anschluss bei einem Trio. Als sie nach längerem Zögern schließlich erzählt, was ihr widerfahren ist, überzeugt Wortführerin Helene (Katharina Thalbach) die anderen, aktiv zu werden und Menschen mit „alten“ Vornamen telefonisch zu warnen. Erst später gesteht sie den Freundinnen, dass sie um Rückruf gebeten hat, falls sich die Betrüger melden; und jetzt wird die Geschichte zum Krimi.
„Wir vier und der Enkeltrick“ ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich ein Anliegen kurzweilig und ohne Belehrung verpacken lässt. Kai Kreuser (Buch) und Mia Spengler (Regie) dokumentieren regelrecht, wie der Betrug abläuft. Die verwitwete Irene ist alles andere als eine hilflose alte Frau, doch die Verzweiflung ihres vermeintlichen Sohnes setzt jegliche Vernunft außer Kraft. Als ihre Freundin Maria (Jessica Kosmalla) vorbeikommt, sieht sie auf den ersten Blick, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, aber Irene weiht sie nicht ein. Das erweist sich später als clevere Drehbuchtaktik, denn Maria wird auf die gleiche Weise betrogen. Prompt macht sich Irene Vorwürfe: Hätte sie ihr alles erzählt, wäre das nicht passiert; deshalb unterstützt sie Helenes Vorschlag, den Verbrechern eine Falle zu stellen und die „Enkeltrick-Mafia“ auffliegen zu lassen.
Foto: SWR / Wüste Medien / O-Young Kwon
Zwischen dem Drama zu Beginn und dem Krimi am Ende ist der Film eine lupenreine Komödie. Gerade die Dialoge des eingespielten Trios sind ein großes Vergnügen. Katharina Thalbach hat als rüstige Rentnerin, die mit ihren bissigen Bemerkungen gern mal übers Ziel hinausschießt, zwar die kernigsten Zeilen, aber Christel und Annemarie (Margot Werner, Soogi Kang) geben Helene munter Kontra. Den vier Hauptdarstellerinnen ist garantiert das Herz aufgegangen, als sie das Drehbuch gelesen haben, zumal Angebote in diesem Alter gerade für Frauen äußerst rar sind und nur selten Alternativen zu den üblichen Klischees (Hippie-Oma oder liebenswerte, aber tüddelige Großmutter) bieten. Kein Wunder, dass Peter Lohmeyer, laut Drehbuch deutlich jünger, als Irenes Nachbar und Verehrer einen schweren Stand hat. Immerhin darf beim Finale auch Herr Hansen mitmischen, selbst wenn sich seine Aussage, er sei bis zu seiner Pensionierung Ordnungshüter gewesen, als allzu vollmundiges und bewusst in kauf genommenes Missverständnis entpuppt: Auf der Spur der Beute gerät die selbsternannte „GSG 90“ selbst in eine Falle, und jetzt ist gar ihr Leben in Gefahr.
Am Ende muss alles etwas schnell gehen, nun überschlagen sich, wie es in Inhaltsangaben gern heißt, die Ereignisse, zumal plötzlich echte Waffen ins Spiel kommen und sogar Schüsse fallen. Das fast allzu flotte Finale legt andererseits die Vermutung nahe, dass Kreuser und sicherlich auch Regisseurin Spengler das ausführliche Mittelstück wichtiger war. Hier erfreut das erste verfilmte lange Drehbuch des Autors neben der Spielfreude der alten Damen vor allem durch viele originelle Details, darunter der Leichenwagen von der Größe eines Straßenkreuzers, mit dem Helene ihre Freundinnen durch die Gegend kutschiert. Natürlich betonen solche Einfälle den fiktiven Charakter der Geschichte, aber sie stehen auch für Kreusers erklärte Absicht, mit Hilfe von Humor Hoffnung zu vermitteln; auch auf eine Fortsetzung.
Foto: SWR / Wüste Medien / O-Young Kwon