Die Geschichte: das Jungsein heute und das Jungsein vor 40 Jahren
Im Herzen jung, aber allein und nichts auf der hohen Kante, das bringt Anne (Gisela
Schneeberger), Johannes (Michael Wittenborn) und Eddi (Heiner Lauterbach) auf die Idee: Aktivieren wir doch unsere alte Studenten-WG. Frohgemut ziehen die drei Freunde in ein Mietshaus, direkt unter eine Studenten-WG von heute. Der Gedanke ist reizvoll – die eigenen Studentenzeiten wieder aufleben lassen, mit viel Wein, nächtlichen Debatten und lauter Musik. Doch die Realität sieht anders aus. Das Trio landet geradewegs in der Neuzeit. Dort erklärt eine lerngestresste Jugend den über 60-Jährigen, wo’s langgeht: Für etwaige Alten-Hilfe hätten sie keine Kapazitäten, Lärm sei ein No-Go, und überhaupt wären die Neuen mit Flurputzen dran. Keineswegs eingeschüchtert von dieser Ansage, versuchen die drei, sich
selbst erst mal zusammenzuraufen. Anne, die Biologin, die früher keine Umwelt-Demo ausließ, kommt mit dem Tempo der neuen Zeit nicht klar, mag den rasanten Wandel nicht. Eddi, der Feger von einst, kämpft mit seiner Gesundheit. Und Johannes, der sich als Rechtsanwalt mit Vorliebe um Mandanten kümmerte, die sich keinen Rechtsanwalt leisten konnten, ist irgendwo in den letzten dreißig Jahren stehengeblieben. Doch als die WG der Jungen unter dem Lernstress zusammenbricht, schlägt die Stunde der Alten…
Leicht, lustig und lebensklug: Ralf Westhoffs Komödien
Westhoffs Filme … sind schüchtern und zurückhaltend, machen nicht viel Gewese. Sind also das genaue Gegenteil der breitbeinigen Schenkelklopf-Komödien der Fraktion Schweiger und Schweighöfer. Vielleicht bleiben sie deshalb trotz vieler Auszeichnungen bis heute fast Geheimtipps. Und das, obwohl sie Vorurteile gegen das deutsche Kino widerlegen: In „Wir sind die Neuen“ bündelt Westhoff wieder eine Vielzahl von Themen, die andere Drehbücher überfrachtet hätten. Es geht um steigende Mieten und steigenden Leistungsdruck, um Selbstoptimierung und persönliche Freiräume, nicht zuletzt um den Zusammenprall der Generationen und die Frage, wie die Gesellschaft von verschiedenen Sichtweisen auf das Leben profitieren kann. All das schwingt mit, ohne die luftige Geschichte zu beschweren. Wir sind die Neuen, den Westhoff wieder kammerspielartig in Innenräumen filmte, erinnert an das qualitativ hochwertige Boulevardtheater von Neil Simon. Nicht seicht und gefällig, sondern leicht, lustig und lebensklug; eine Kunst, die einfach aussieht und so schwierig zu bewerkstelligen ist. (Oliver Kaever: DIE ZEIT)
Von der Vergeblichkeit der menschlichen Existenz
Wie lange ist es her, dass man mal mit einem Lächeln aus dem Kino herausekommen ist nach dem Betrachten einer deutschen Filmkomödie? Tolle Ausnahmen wie „Oh Boy“ vor zwei Jahren (der es inzwischen auch in US-Kinos geschafft hat) bestätigen da nur die Regel … Westhoff besitzt ein überaus feines Gespür für Situationskomik und dem wahren Leben abgelauschte Dialoge, er hat ein großes Herz für seine Figuren. Und vor allem weiß er, was jede wirklich gute Komödie auszeichnet: Die handelt eigentlich von der Vergeblichkeit der menschlichen Existenz und von all den elementaren Ängsten, mit denen man sich so durchs Leben schleppt. Eine wirklich gute Komödie muss ihre Figuren als Menschen erst mal ernst nehmen, damit man dann über sie lachen kann, und sie macht die, die sie zeigt, niemals lächerlich. Sie hat Mitgefühl. Das alles gelingt in „Wir sind die Neuen“, und Westhoffs Ensemble spielt ganz wundervoll. (Dirk Peitz: DIE WELT)
Ohne Zeigefinger: die Idee eines Generationenhauses
Westhoff hat ihnen brillante Dialoge geschrieben – aber auch den Jungen. „By the way, wenn ihr damals ein bisschen flotter gewesen wärt, dann müssten wir heute nicht über Regelstudienzeiten und Studiengebühren diskutieren“, sagt Thorsten – Treffer, versenkt. Er beherrscht die seltene Begabung, Dialoge glaubwürdig wirken zu lassen und sie gleichzeitig komisch zuspitzen zu können… Die aufgesetzte Lebenslust der drei Alten ist selbstverständlich auch der Versuch, eine natürliche Entwicklung zu ignorieren, vielleicht ja umzukehren. Westhoff weiß, wohin für die Alten die Reise geht, aber wir sind schließlich in einer Komödie, in der nicht die Gebrechen der Senioren im Mittelpunkt stehen, sondern die Annäherung, vielleicht sogar Versöhnung von Jung und Alt. Die Idee eines Generationen-Hauses wird im Film gewissermaßen ausprobiert. (Martina Knoben: Süddeutsche Zeitung)
Die Gegenstimme: Haben die Jungen nicht prinzipiell Recht?!
Mit Schrecken rufen die Alten: „Trau keinem unter Dreißig“ – und der Film klopft ihnen dabei kräftig auf die Schulter. Im Hinblick auf das Zielpublikum der Arthaus-Kinos ist das zwar clever, aber umso ärgerlicher, weil die Jungen ja prinzipiell Recht haben, wenn sie der Generation Ü60 vorwerfen, dass diese mit ihrer Haltung des „Forever Young“ ihnen den Schlamassel ja eingebrockt hat, während sie es sich im Zeichen der Selbstverwirklichung gut gehen ließen. So schaut man etwas unterfordert einem halben Dutzend gut aufgelegter Schauspieler dabei zu, wie sie ein oberflächliches wie vorhersehbares Drehbuch theaterhaft lustig exekutieren. Schade eigentlich. (Ulrich Kriest: Stuttgarter Zeitung)