Wilsberg – Achtsam bis tödlich

Lansink, Korittke, Jankowsky, Meeden, Altmeyer, Keils. Keine Idylle ohne Abgrund

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

In dem abwechslungsreichen und gut gespielten „Wilsberg“-Krimi (ZDF / Warner Bros.) entpuppt sich ausgerechnet ein Rückzugsort für gestresste Menschen als Abgrund aus Habgier und Eifersucht: Wilsberg-Kumpel Ekki braucht dringend eine Auszeit und lässt sich zu Yoga, Sauna und Meditation in einem Retreat überreden, gerät aber vom Regen in die Traufe. Derweil wird Anwältin Tessa beschuldigt, im Affekt einen zudringlichen Kollegen erschlagen zu haben. Wie sich diese beiden Ebenen schließlich überschneiden, ist sehr schön ausgedacht und umgesetzt. Neben den Dialogen, in die Markus B. Altmeyer eine Menge philosophischer Aphorismen eingebaut hat, erfreut das Drehbuch ohnehin durch überraschende Wendungen.

„Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“, lautete vor einigen Jahren der Titel einer Komödie, in der eine Paartherapeutin den Dauerstress ihres Daseins mit zwei Kopien ihrer selbst bewältigt. Viele Menschen kennen das Gefühl, dem Alltag nicht mehr gewachsen zu sein, und deshalb gibt’s sogenannte Retreats: geschützte Erholungsräume ohne Smartphone, dafür aber mit viel Spiritualität. Weil der brave Finanzbeamte Ekki (Oliver Korittke) nur noch teilnahmslos am Schreibtisch hockt und selbst ein delikates Mahl seine Lebensgeister nicht zu wecken vermag, überzeugen ihn sein Freund Wilsberg (Leonard Lansink) und Anwältin Tessa (Patricia Meeden) zum vorübergehenden Rückzug: Yoga, Sauna, Meditation und verschiedene Workshops sollen ihm helfen, sein Ich wiederzufinden. Auf dem ehemaligen Bauernhof vor den Toren Münsters sind alle furchtbar nett zueinander und unterstützen sich gegenseitig, aber natürlich dauert es nicht lange, bis Wilsberg feststellt: „Der Abgrund lauert in der Idylle.“

Wilsberg – Achtsam bis tödlichFoto: ZDF / Thomas Kost
Das idealistische Aussteigerpärchen Lena Beckmann (Lena Schmidtke) und Linus Gerlach (Gustav Schmidt) hat ein Retreat für sinnsuchende Menschen im Münsterland gegründet. Janosch Kesselring (Markus J. Bachmann) sucht wie Ekki Talkötter hier immer wieder Ruhe und Ausgleich. Doch Wilsberg ist überzeugt: „Der Abgrund lauert in der Idylle.“

Tatsächlich entpuppt sich der vom jungen Paar Lena und Linus (Lena Schmidtke, Gustav Schmidt) geführte Erholungshort als Fassade, hinter der Eifersucht und Habgier lauern; aber das stellt sich erst später heraus. Zunächst hat Ekki ein ganz anderes Problem: Er soll sich eine Hütte ausgerechnet mit seiner Nemesis Silke (Nadja Becker) teilen; die erzürnte Ex-Freundin sorgt seit ihrem ersten Auftritt („Aus Mangel an Beweisen“, 2012) immer wieder mal für allerlei Ungemach im Leben des Steuerprüfers. Prompt bittet er Wilsberg, ihn herauszuholen, aber kaum ist der Freund mit Ekkis Auto in Sichtweite, dreht er auch schon wieder um, denn Tessas Notlage ist ungleich größer: Sie soll im Affekt einen Kollegen erschlagen haben. Tatsächlich ist Bertram von Winterberg (Daniel Drewes) auf sehr unangenehme Weise zudringlich geworden, aber ihre Reaktion beschränkte sich darauf, ihn dort zu treffen, wo’s Männern besonders weh tut. Als Wilsberg herausfindet, dass der Jurist ebenfalls einige Zeit in dem Retreat verbracht hat, trifft es sich gut, dass er Ekki als „Undercover“-Ermittler nutzen kann.

Natürlich ist das im Grunde nicht witzig, aber Markus B. Altmeyer, dessen „Wilsberg“-Drehbücher bislang allesamt sehenswerte Verfilmungen zur Folge hatten, gibt den Verwicklungen eine heitere Note. Regisseurin Britta Keils, vom ZDF vor allem für die Serie „Bettys Diagnose“ und die Reihe „Lena Lorenz“ einsetzt, hat sich bei ihrer Umsetzung darauf beschränkt, die Geschichte zu bebildern, ohne optische Akzente zu setzen, aber die Arbeit mit dem Ensemble, zu dem neben Tom Beck (als Tessas arroganter Chef) auch einige kaum bis gar nicht bekannte Mitwirkende gehören, ist aller Ehren wert. Das galt auch schon für ihre Regie beim zweiten Film mit Ulrike Kriener und Maren Kroymann als ungleiche Schwestern („Mona & Marie – Ein etwas anderer Geburtstag“) sowie bei ihrem Ausflug zum ARD-Freitagsfilm, „Landfrauen – Wir können auch anders“ (beide 2023), eine vergnügliche romantische Komödie mit Bettina Burchard als Kölner Pflegerin, die beim Spontanurlaub im Bergischen Land die Liebe findet.

Wilsberg – Achtsam bis tödlichFoto: ZDF / Thomas Kost
Ekki Talkötter (Oliver Korittke) geht es nicht gut, er ist traurig und unmotiviert. Seine Freunde Tessa Tilker (Patricia Meeden) und Wilsberg (Leonard Lansink) versuchen, ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Wilsberg – Achtsam bis tödlich“ (ZDF / 2025)

Eine besondere Rolle bei Keils’ „Wilsberg“-Debüt kommt wieder mal Roland Jankowsky zu. Oberkommissar Overbeck hat ein Ehrenamt in der JVA übernommen und bietet den Häftlingen einen Grundkurs in Philosophie an. Das führt fast schon zwangsläufig zu einigen heiteren Dialogen, gibt aber auch der kriminalistischen Ebene eine unerwartete Wende: Ein junger Insasse, dem Polizisten schon allein deshalb sympathisch, weil er Philosophie studiert hat, ist im Gefängnis, weil er angeblich seine Freundin ermordet hat. Selbstredend beteuert er seine Unschuld, das tun zumindest im Krimi alle Häftlinge, aber Overbeck wird stutzig, als David (Alexander Seidmann) ihm erzählt, sein Verteidiger habe ihm davon abgeraten, das Urteil anzufechten. Dieser Anwalt war kein anderer als der erschlagene Kollege von Tessa, der sich im Retreat von Linus und Lena offenbar in Davids Freundin verliebt hat. Seltsam auch, dass Davids Akte spurlos verschwunden ist; und Wilsberg muss nun gleich zwei Morde aufklären.

Neben den Dialogen, in die Altmeyer eine Menge philosophischer Aphorismen eingebaut hat, erfreut das Drehbuch vor allem durch die diversen überraschenden Wendungen; so kommt Ekki zum Beispiel ausgerechnet mit Hilfe der laufenden Zahlungen von Silkes Nagelstudio einem lukrativen Nebenerwerb der vermeintlichen Gutmenschen auf die Spur. Trotzdem bleibt tatsächlich bis kurz vor Schluss völlig offen, wer Bertram von Winterberg auf dem Gewissen hat.

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Roland Jankowsky, Patricia Meeden, Nadja Becker, Rita Russek, Tom Beck, Lena Schmidtke, Gustav Schmidt, Claudia Lietz, Sebastian Weiss, Janina Fautz, Vittorio Alfieri, Daniel Drewes

Kamera: Florian Licht

Szenenbild: Oliver Mugalu

Kostüm: Sonia Bouabsa

Schnitt: Andrea Schriever

Musik: Dirk Leupolz

Redaktion: Florian Weber

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Carina Hackemann

Drehbuch: Markus B. Altmeyer

Regie: Britta Keils

Quote: 6,23 Mio. Zuschauer (24,9% MA)

EA: 01.02.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 08.02.2025 20:15 Uhr | ZDF

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