Der Büro-Kampfsport Mobbing hat auch die Redaktionsstuben in den Sendeanstalten erreicht. Als Thema. RTL setzte in Hollywood-Manier (Vorbild: „Enthüllung“) mit seinem TV-Movie „Das ist dein Ende“ bereits im Frhjahr auf den Aspekt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Das war spannend, extrem identifikationsstiftend und mit Jennifer Nitsch in der Hauptrolle überzeugend besetzt und hervorragend fotografiert. Das ZDF zog im November nach: „Mobbing – die lieben Kollegen“ nahm sein Thema sehr ernst, ohne auf einen krimihafte Recherche-Plot zu verzichten. Nun mit „Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde“ das Modethema also auch in der ARD. Und auch Martin Enlen ist ein fesselnder Büro-Thriller gelungen. Ein spannender Film, der abhebt in die Beletage hypermoderner hanseatischer Glastempel und gleichzeitig die Gipfel einer romantischen Liebesgeschichte erklimmt.
Turbulenzen in einem Medienkonzern. Der neue Direktor, ein Yuppie-Typ und ein ehrgeiziger Macher, möchte mehr verändern, als es dem Vorstand recht ist. Er glaubt nicht an das Gütesiegel „Made in Germany“, lieber möchte er mit den Amis Geschäfte machen. Vor allem, weil ihm sein Hang zum illegalen Joint-venture einige Privatdollars extra beschert. Am liebsten möchte er auch den etwas zu brillanten Software-Spezialisten Georg Meier abservieren. Nicht aber, bevor er sich sein Programm gewinnbringend unter den Nagel gerissen hat. Gemeinsam mit einem Büro-Oberfiesling treibt er Meier und dessen Sekretärin immer mehr in die Enge und diskreditiert ihn bei der Geschäftsfhrung. Doch dieser hat die Rechnung ohne die aparte Controllerin Sylvie Schmidtbauer gemacht.
Mag die Story auch überschaubar sein – „Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde“ ist für deutsche Verhältnisse geradezu eines kleines Wunderwerk der Erzählökonomie und Sympathiepolitik, das ähnlich präzise abläuft wie gute amerikanische Kino-Dramen. Perfekt die Personnage: ein Held zum Knutschen, zwei Handy-Gangster, eine schöne Frau, die recht bald die Fronten und immer wieder die Schuhe wechselt. Große Klasse die Darsteller: Heino Ferch als knuffiger Kreativer, kaugummikauend und immer auf dem Sprung. Keine großen Gesten, einfach physisch präsent sein, scheinbar seine Devise, in sich ruhend, reden wie man eben redet im Büro, mal lapidar, mal pointiert. Mit diesem Meier kann man mitfiebern, ohne sich dabei am Ende wie ein überrumpelter Zuschauer vorzukommen. Martina Gedeck gibt ihrer sanften Karrierefrau sowohl etwas Bodenständiges als auch etwas Geheimnisvolles. Auch sie ist stets physisch voll da: ihre Größe, ihre Beine, ihr Gesicht. Sylvie ist eine Frau, die die Handlung in die rechten Bahnen lenkt, eine Frau zum Verlieben. Schließlich Hans Werner Meyer, Schaubühnen-Schauspieler, erstmals auf dem Bildschirm, als taffer Chef-Intrigant auch er mit seiner US-Physiognomie, der Katalog-Glätte und seinem beiläufigen Krawattenspiel eine Idealbesetzung. Angenehm fällt auch auf, dass die Nebenfiguren wie die gemobbte Sekretärin starke Szenen haben und nicht zur bloßen Erzählfunktion verkommen.
Aber auch technisch hat der hervorragend ausgestattete Film Hollywood-Format. Ob nun in der taghellen gläsernen Büro-Etage oder abends im häuslichen Dämmerschein – das Licht ist sehr realistisch gesetzt, und es ist so gut, es fällt kaum auf. Die Schauplätze (Chef-Büro mit Hafenblick, Yacht-Tour durch Hamburger Hafen, Helikopter-Landung auf Hochhausdach) wirken erlesen, das Design elegant, kühl, die Kamera von Hans-Günther Bcking, der bereits das RTL-Mobbing-Movie sehr amerikanisch fotografierte, sachlich, aber mit vielen kleinen Raffinessen. Gerne kreist er eine Szene mit gleitender Kamera ein, bevor er auf statische Bilder (Schuss/Gegenschuss) wechselt. Oder er geht am Ende einer Szene leicht mit der Kamera zurück und beginnt dann die nächste Szene mit einer leichten Annäherung. Ein solcher Fluss der Bilder ist noch immer die Ausnahme im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Geschichte endet mit einem Joint-venture zwischen Deutschland und USA. Von der Filmsprache, der Dramaturgie und vom Look her wirken die ganzen 90 Minuten von „Wer Kollegen hat…“ wie ein einziges gelungenes Joint-venture. (Text-Stand: 13.12.1995)
Foto: BR